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Freitag, 27. Juni 2014

Von " Karel Gott bis Willy Millowitsch "



Der Sänger Karel Gott, zählte auf seiner ersten Amerikatournee im Sommer ’67 einen ganz speziellen Tourneearzt zu seinem Ensemble. Meinen Vater.


Zeitgleich arbeitete meine Mutter als junge Ärztin an einem Krankenhaus in Prag, kümmerte sich um ihren immer größer werdenden Bauch (mich), und um meine Schwester.


Als mein Vater ein halbes Jahr später aus Las Vegas zurückkam - seiner ersten Reise in den Kapitalismus – da traf er die Entscheidung, ich solle Jana heißen, nahm sich vor, den Sozialismus noch einmal grundlegend zu überdenken und brachte meiner Mutter ein Geschenk aus dem kapitalistischen Westen mit.



Einen - für sozialistische Verhältnisse - „tres chic“ rosafarbenen, gesteppten Bademantel, in dessen ausgestellte Seitentasche ich mich, sobald ich auf der Welt war, treffsicher übergab.



Das fiel meiner Mutter aber erst auf, als sie - nachdem sie schon die ganze Wohnung nach dem Geruchsherd abgesucht hatte - die Hand in die Bademanteltasche steckte.



Als 1968 die Russen in Prag einmarschierten, wusste mein Vater - auch hinsichtlich vorangegangener Repressalien seitens des Staates - dass er so nicht leben wollte.



Er hatte Glück. Denn, in meiner Mutter, hatte er eine wagemutige Ehefrau.

Und so kam es, dass meine erste große Reise, nur 10 Monate nach meiner Geburt, gleich eine Flucht war.



Schon seit ewigen Zeiten, antworte ich stets auf die Frage hin, welcher Nationalität ich mich denn nun mehr verbunden fühle:

"Ich bin Deutsche mit tschechischer Seele."



Seit ich in Berlin lebe, könnte ich es aber auch so formulieren:

„Ich bin (Ex) - Rheinländerin mit tschechischer Seele.“



Aber - um jetzt mal ganz ehrlich zu mir selbst zu sein: Was bedeutet "tschechische Seele" denn eigentlich nun genau?



Ich erinnere mich tatsächlich noch an die kindgerechte Antwort meiner Mutter, auf meine, vielleicht so mit 7 Jahren gestellte Frage, was denn eigentlich die Seele sei?



"Das sei etwas", antwortete sie, "was noch nie jemand gesehen hätte - nicht mal ein einziger Chirurg auf der ganzen Welt, hätte sie jemals in einem geöffneten Patientenkörper bemerkt oder nach dem Tod des Patienten herausfliegen sehen. Aber jeder Mensch hätte (wohl) eine Seele.



Und so verhält es sich wohl auch mit meiner tschechischen Seele.



Seit ich mich bewusst an meine Kindheit erinnern kann, lebten wir im Rheinland. Auch, wenn es davor eine Station im Bayerischen Wald gab. Tschechisch spreche ich mit deutschem Akzent. Deutsch ist meine Muttersprache.



Als meine Gymnasial – Schulklasse noch vor dem Fall der Mauer mit dem Zug auf Klassenfahrt nach Berlin gereist war, da blieb ich Zuhause.



Hinsichtlich der Flucht, waren meine Eltern in ihrer Abwesenheit nämlich zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Mit dem Zug fuhr man damals ein Stück durch die damalige DDR - demnach sozialistisches Territorium und für mich, es sei denn, meine Eltern hätten mich loswerden wollen, besser nicht zu betreten.



Auch um tschechische Botschaften - tschechischen Boden also - machte man zu dieser Zeit in unserer Familie besser einen großen Bogen.



Als noch nicht abzusehen war, dass die Mauer tatsächlich eines Tages fallen würde, bläuten meine Eltern mir noch oft - ein Stückweit bestimmt auch ihr eigenes Horrorszenario - ein, bei einer eventuellen Notlandung mit dem Flugzeug auf sozialistischem Boden, niemals aussteigen zu dürfen!



Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nie gefragt habe, was ich denn eigentlich im Falle eines Feuers hätte tun sollen?



Und so bin ich Zuhause also in einer Art tschechischer Seifenblase und manchmal auch Seifenoper aufgewachsen ;-), deren tschechische Sprache sich, wie auf einer abgelegenen Insel, mit den Jahren etwas abnutzte, während ich immer mehr zur Rheinländerin wurde und mein Geburtsland weiterhin nur vom Hörensagen kannte.



In meinen Geburtsort, das wunderschöne Prag, bin ich erst mit 18 Jahren zurückgekehrt.



Ich war auf der Durchreise zu meiner Oma, die nach wie vor etwas weiter entfernt von Prag wohnte. Dem Vorausgegangen war, dass meine Eltern mich - vom damals noch sozialistischen Staat - „freigekauft“ hatten. Als ein, von " Verbrecher-Eltern verschlepptes Kind" und ab 18 Jahren, da ging das.



Und Geld stinkt ja bekanntlich nicht. Auch nicht im Sozialismus.



Bis heute hat sich mir dieser Gänsehaut-Moment, als ich zum ersten Mal am Bahnhof in Prag ausgestiegen war und die Gleisdurchsage plötzlich in tschechischer Sprache über mich hinweg hallte - unauslöschlich, in Kopf und Herz gebrannt.



Denn, plötzlich befand ich mich nicht nur in einer durch und durch tschechischen Welt - sondern auch in der Welt meiner Eltern. Wenngleich, auch erst 18 Jahre später.



Im weiteren Verlauf meines Aufenthaltes - und auch den vielen daraufhin noch Folgenden - wurde mir etwas bewusst: Meine tschechische Seele hatte sich gemeldet, indem sie mir signalisierte, die Stadt und die dort lebenden Menschen zu (er-) kennen und anzudocken.



Ohne jemals dort gelebt zu haben oder auch zu müssen.



Gleichzeitig begriff ich aber auch, dass, diese diffuse Sehnsucht, nach etwas, das ich nicht beschreiben konnte, sich niemals stillen lassen würde.



Etwas würde immer fehlen.



Denn, Zeit und nicht gelebte Erfahrungen, lassen sich nun mal nicht zurückdrehen.



Und Heimat(-gefühl), hat vor allem mit Menschen zu tun. Einer gemeinsam gelebten Biografie.



Aber man kann die Zeitrechnung auch neu starten!



Eines meiner schönsten Erlebnisse in Prag war mal, 10 Jahre nach dem Mauerfall, ein Dreh für einen deutschen Sender. Über ein paar Monate hinweg, war ich ab und an also in meiner Geburtsstadt um zu arbeiten! An dem Tag, an dem ich tatsächlich in den berühmten Barrandov Studios stand um dort sogar selbst zu drehen, machte es mich - und meine tschechische Seele - schon einfach nur überglücklich, einen, an die Studiowand geschriebenen, Satz zu lesen: Kouřeni zakázáno!(Rauchen verboten).



Während ich diese Zeilen schreibe, ist der weltbeste Mann zwischenzeitlich neben mir wieder "weg-geschnarch-döst". Nun schlägt er für einen kurzen Moment die Augen auf und ich nutze sogleich meine Chance:



Ich: „Wie fühlst DU dich eigentlich ... eher deutsch oder italienisch?“



Ich blicke in das verschlafene Gesicht des weltbesten Mannes - der, mütterlicherseits italienische und väterlicherseits deutsche Wurzeln hat.


Auf die Antwort bin ich nun wirklich gespannt.



Er: „ Kommt auf die Stimmung an.“



Ich: „ Interessant. Also fifty-fifty, ja?“



Er:“ Ja ...cchhhhhhhhhhhhhzzzzzzzzzzzz ....“



Milde lächelnd greife ich heute Abend noch schneller als sonst zu meinen Ohrstöpseln. Dabei muss ich an eine Begebenheit denken, die sich beim ersten größeren Zusammentreffen unserer Familien zutrug. Und vielleicht,

so wird mir plötzlich bewusst, sogar symptomatisch für die zwei Seelen in der Brust des weltbesten Mannes sein könnte. Außerdem werde ich noch in 20 Jahren darüber lachen.



Zu diesem Zeitpunkt dachte der weltbeste Mann darüber nach, sich beruflich eventuell grundlegend zu verändern. Dann schloss er seine Überlegungen mit folgendem Satz:



Er: „ Und wenn das alles nicht klappt, dann werde ich eben Profikiller!“



In der geselligen Runde wurde es schlagartig für einen kurzen Moment still.



Dann zuckte die italienische Verwandtschaft völlig ungerührt mit den Schultern. Sonst nichts.



Der Vater des weltbesten Mannes jedoch, rief entsetzt: „Junge!“



Wie mein Blick jetzt so über das Gesicht des weltbesten Mannes schweift, und je länger ich darüber nachdenke, so bin ich mir ziemlich sicher: Unsere Ehe lässt prozentual wohl eher den Italiener in ihm siegen.



Denn, wieso sonst, sollte ich auf Sprüche meinerseits, wie:



Ich: „Wenn du mich ärgerst, dann kannst du dich gleich beim XX-Datingportal anmelden.“



Oder



Ich: „X und Y haben sich getrennt. Wenn du irgendwann auch so komisch werden solltest wie X, dann ...!“



Wieso sonst also, gibt es daraufhin vom weltbesten Mann immer nur eine einzige Antwort? Nämlich:



„Muss ich denn so früh schon Witwer werden?!“  ;-)



Beschwichtigend lege ich nun eine Hand auf seine, vom Schnarchen bebende Schulter und erreiche damit genau das Gegenteil - ein noch "wohligeres" Tröten.

Also lösche ich seufzend das Licht und stelle mich auf eine weitere, schlaflose Nacht ein. Ohrstöpsel helfen nicht immer. (Nachzulesen im Tröt - Archiv Nr.1)



All den vergangenen Jahren zum Trotz fällt mir just eine Begebenheit mit dem kölschen Urgestein Willy Millowitsch ein. Die Erinnerung daran, lässt die Rheinländerin in mir auch heute noch schmunzeln.



Ich war im Abschlußjahr der Schauspielschule „Theater der Keller“ in Köln und durfte mich „nebenbei“ auf der Bühne des Millowitsch Theaters frei spielen.



Willy Millowitsch hatte in der Tat ein untrügliches Gefühl für den perfekten Rhythmus von Pointen - was natürlich gut zum „Lernen“ war. Auch, wenn er das, was er schon fast sein ganzes Leben lang tat, nicht wirklich gut erklären konnte ...



Nun sind vor allem die jungen, weiblichen Rollen im Plot eines Volkstheaterstückes recht einfach gestrickt. Also traute ich mich, die ambitionierte Anfängerin, nach einer Bühnenprobe ins Büro des „Chefs“ - wie er von seinen engsten Vertrauten genannt wurde.



Ich: „Herr Millowitsch, wissen Sie, ich dachte, die Paula (meine Rolle), die war ja, bevor sie in der großen Szene mit XY wieder auftritt, da war sie ja auf ihrem Zimmer, nachdem zuvor auch noch YZ passiert ist. Da habe ich mich gefragt, was die Paula daraufhin wohl gemacht haben könnte und dachte mir ...



„Ich“ stockt. Willy Millowitsch’s Blick - eine Mischung aus Entsetzen und Verständnislosigkeit - fährt „Ich“ sofort bis ins Mark.



Ich: „Ähm ...ja, also, wie schon gesagt. Paula könnte ja, sobald sie den Raum wieder betritt, zum Beispiel so etwas wie ein XY in der Hand haben, weil, vorher hat sie vielleicht ...“



„Ich“ wird von Willy Millowitsch freundlich aber bestimmt unterbrochen.



Willy Millowitsch: „Määddschen ...“



Ich: „... Ja??“



Willy Millowitsch: „ ... sei einfach nur frisch und lecker!“



Damit war das Gespräch beendet.







Schlafen Sie gut!



Ihre


Jana Hora-Goosmann

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