Wieso-Weshalb-Warum?
Nachzulesen im ersten Teil (Tröt-Archiv: 17.04.2015)
Playlist Teil 7.
Passend zum siebten Teil hätte Herr Ohlsen (vielleicht) folgendes Lied gehört:
Becca Krueger - Cover of Ray Charles "Hit the road Jack"
https://youtu.be/OfUDsHtSv88
7.
„War es
das wert?“, fragte Jutta aufgebracht. Sie stand in der geöffneten
Restauranttür, eine Hand auf der Türklinke, und sah verloren aus. Der Riemen
ihrer Umhängetasche grub sich in das Fleisch ihrer Armbeuge, dies ließ die mit
Strasssteinen beklebte Tasche verloren vor und zurück baumeln. Als Jutta sich
nun eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, da war ihr rasselnder Atem so
deutlich zu hören wie als wäre sie den kurzen Weg vom Tisch zur Tür gerannt.
„Ja!“,
antworteten Herr Ohlsen, Luigi und Norbert nun unisono.
Die Drei
saßen dicht gedrängt am Katzentisch neben dem Eingang. Vor ihnen stand ein
großer Kübel mit Eiswürfeln und alle wirkten, mehr oder weniger, lädiert. Herr
Ohlsen hielt einen dursichtigen Beutel mit Eisstücken an seine Wange während Norbert
mit einem Taschentuch, in dem sich ebenfalls ein paar Eiswürfel befanden, seine
geschwollene Oberlippe betupfte. Und Luigi, der stürzte erst mal ein Schnapsglas
von irgendetwas runter, bevor er schließlich in den Eiskübel griff und mit
einem Eiswürfel über seinen Unterarm rieb, auf dem sich deutlich der Abdruck einer
Zahnreihe abzeichnete.
„Ich bin so
was von enttäuscht ...“, murmelte Jutta.
Dies ließ
Herrn Ohlsen bitter auflachen.
„Jutta,
komm jetzt!“, hörte man Manni nun von draußen rufen. Aber Jutta stand weiterhin
unentschlossen in der Tür.
„Was
willst du denn noch, Jutta ...“, fragte Herr Ohlsen leise.
„Was
meinst du damit, was ich noch will ...?“, stutzte Jutta.
Herr
Ohlsen hielt kurz den Atem an.
„Das ist
jetzt nicht dein Ernst, oder?“, schwoll seine Stimme schließlich unerwartet
laut an, woraufhin Luigi beschwichtigend die Hand auf Herrn Ohlsens Schulter
legte.
Seit Herr
Ohlsen Jutta am heutigen Tag wiedergesehen hatte, starrte er nun zum ersten Mal
ganz direkt in ihre blassgrauen Augen. Was er in ihrem Blick sah, war kalt und
verständnislos und ihm war, als würde es ihn von innen heraus zerreißen. Er
musste an die verlorene Zeit denken, drei Jahre und ein halbes zerquetschtes, die
er damit verbracht hatte einer Person nachzutrauern, die wohl niemals für ihn
gedacht gewesen war. Herr Ohlsen legte den Beutel mit Eiswürfeln langsam auf
dem Tisch ab und erhob sich, da wurde das Geschrei von draußen noch ein wenig
lauter.
„Jutta!
Wird’s bald? Komm jetzt, ich muss ins Krankenhaus, meine Nase blutet, kapierst
du das nicht?! Mein Mund brennt wie Hölle, die wollten mich vergiften!“, schrie
Manni aus dem geöffneten Fenster seines protzigen Wagens.
„Das war
es also, was du immer wolltest, Jutta?“, sprach Herr Ohlsen mit fester Stimme
weiter. Er fuhr sich mit der Hand über die Wange und starrte kurz auf das Blut
in seiner Handfläche. Ein dünner Blutfaden war aus dem Cut unter seinem
Jochbein gequollen und rann ihm nun warm über die Wange.
„Dickes Auto,
protziges Gehabe und die Einstellung, mit Geld könne man sich alles kaufen –
das war es?“, näherte er sich Jutta nun langsam.
„Gleich kannst
du nach Hause laufen, Trulla! Und euch, euch zeig ich an, hört ihr?!“, schien
sich die Stimme draußen nun schier zu überschlagen.
Herr
Ohlsen sah an Jutta vorbei zu Manni, der sich im Wagen sitzend ein blutiges
Taschentuch an die Nase hielt und nun demonstrativ den Wagen startete.
„Nicht zu
vergessen, die guten Manieren ...“, ergänzte Herr Ohlsen, und war nun eine
halbe Armlänge von Jutta entfernt zum Stehen gekommen. Er meinte, dass ihn ihr
Duft wie früher wieder um den Verstand bringen würde. Aber da war nichts, außer
einer fremden, süßlichen Note. Er dachte daran wie oft er sich in den letzten
Jahren vorgestellt hatte Jutta noch einmal küssen zu können, den Arm nach ihr
auszustrecken, mit der Hand durch ihre Haare zu fahren und seine Lippen auf
ihren Mund zu pressen, bis dieser schließlich sich für ihn öffnen würde, warm
und einladend – und alles wäre wieder so wie früher gewesen. Aber jetzt, in
diesem Moment, schien FRÜHER verbrannte Erde hinterlassen zu haben. Nichts war
mehr wie früher, gar nichts.
„Nicht
die klitzekleinste Erklärung, damals?“, fuhr Herr Ohlsen nun weiter fort, „Und
jetzt traust du dich, nach all der Zeit, auch noch mit DEM hierher?“, klang
seine Stimme heiser.
„Doch
nur, weil Manni mit Nico ...“, antwortete Jutta stockend.
„Und dann
auch noch ...“, fiel Herr Ohlsen ihr ins Wort,
„ ... aus
diesem Grund!“
„Was ist
denn so schlimm daran?“, wurde Jutta nun ebenfalls lauter, Luigi und Norbert
warfen einander einen vieldeutigen Blick zu.
„Wie
bitte ...?“
„Du warst
doch mit diesem Laden hier verheiratet, von dir kam doch nichts! Im Leben muss
es doch auch mal weitergehen, irgendwann!“
Herr
Ohlsen starrte Jutta für einen Moment verblüfft an. Dann griff er in seine
Hosentasche und zückte sein Handy.
„Was
machst du?“, fragte Jutta.
„Ich rufe
dir ein Taxi!“.
„Wieso?“,
erstarb in Jutta plötzlich jedes weitere Wort. Just im selben Moment nämlich trat
Manni vor dem Lokal aufs Gaspedal und fuhr los.
„Deshalb!“,
sagte Herr Ohlsen trocken.
„Hallöchen,
das „Casa Egidio“ ...“ sprach er sofort weiter ins Handy und seine Stimme klang
erschöpft.
„Danke, die
Dame wartet vor der Tür.“
Für einen
Moment starrten Jutta und Herr Ohlsen einander nur an.
„Du hast
dich verändert ...“, murmelte Jutta.
„Du auch,
Jutta, du auch ... und nicht zum Guten ... schade“, sagte Herr Ohlsen leise und beherrscht, und dabei schien
sein Mund vollends ausgedörrt zu sein.
„Das war
es also, dein letztes Wort?“, fragte Jutta.
Es klang
irgendwie frech und hatte die Männer im Raum kurz die Luft anhalten lassen.
„Mach
dich bitte nicht lächerlich, Jutta“, sagte Herr Ohlsen.
„Ich
meine natürlich mit dem Laden ...“ schob sie schnell hinterher.
Es
entstand ein unangenehmer Moment der Stille.
Dein Taxi
ist da. Alles Gute, Jutta“, sagte Herr Ohlsen schließlich irgendwann - mehr
nicht.
Kurze
Zeit später, Jutta hatte bereits trotzig nickend das Restaurant verlassen,
hatte Herr Ohlsen sich wortlos auf den Weg zur Toilette gemacht und betrachtete
nun schwer atmend sein Spiegelbild über dem Waschbecken. Jetzt musste er mit
den Konsequenzen seiner unbedachten Äußerung leben, dachte er. Aber der Verrat
gleich zweier geliebter Menschen, hatte ihn einen Moment unvorsichtig werden
lassen. Er dachte an Nico und schob knirschend den Ober über den Unterkiefer.
Dann fing er an mit zitternder Hand das Blut von seiner Wange zu tupfen und versuchte
sich noch einmal an diesen einen Moment zu erinnern, der letztendlich alles ins
Rollen gebracht hatte.
„Wie geht
es dir ...?“, hatte Herr Ohlsen vor etwas über einer Stunde und noch aus einem
ganz anderen Grund, um Fassung gerungen.
Er hatte für
Jutta den Stuhl vom Tisch gezogen und darauf gehofft, dass keiner das Beben
seiner Hände bemerken möge.
„Gut ...
ganz gut ...“, hatte Jutta daraufhin gemurmelt und es vermieden, Herrn Ohlsen direkt
anzusehen.
„Ich bin
der Manni ...“, hatte sich Juttas Begleitung derweil schwer in den Stuhl
gegenüber fallen lassen.
„Sei so
gut, und zapf mir mal ein Pils!“, polterte dieser mit einem Seitenblick zu
Herrn Ohlsen sogleich dann auch weiter.
„Worum
geht es denn? Wir haben noch gar nicht geöffnet“, sagte Herr Ohlsen nun
freundlich aber bestimmt, und dabei klopfte ihm das Herz bis zum Halse.
„Nico hat
gesagt, das ist in Ordnung ... also zapf mir mal ein Kühles, wird dich schon
nicht umbringen!“, sprach Manni nun ungerührt weiter.
Und dann
- tätschelte Manni Juttas Hand.
Herr
Ohlsen hatte das Gefühl in Zeitlupe mit ansehen zu müssen, wie die speckigen Finger
von Manni auf Juttas schwer beringte Hand hinabfuhren.
Und da
wurde ihm die erste Ungeheuerlichkeit bewusst: Jutta hatte es - nach allem -
doch tatsächlich gewagt, mit einem Mann an ihrer Seite im „Casa Egidio“
aufzutauchen!
Herr
Ohlsen ohrfeigte sich in Gedanken für seine Naivität, die ihn kurzzeitig doch tatsächlich
hatte hoffen lassen, dass Jutta nach drei Jahren und einem halben zerquetschten,
diesen, wenngleich speziellen, Weg gewählt hatte, um wieder in Kontakt mit ihm
zu treten. Dies war auch der Grund gewesen, wieso er Jutta und Manni überhaupt
Eintritt gewährt hatte - nachdem diese an das Fenster im „Casa Egidio“ geklopft
hatten. Herrn Ohlsens Stimme hatte für einen winzig kleinen Moment versagt, und
so hatte er sich erst umständlich räuspern müssen, um schließlich nur ein
einziges Wort rauszubringen: Hallo.
„Bist du
eigentlich dieser Ohlsen?“, riss Manni ihn nun spröde aus seinen Gedanken.
Just in
diesem Moment hatten Norbert und Luigi den Restaurant Bereich betreten, und
Herr Ohlsen fühlte sich schlagartig besser denn so musste er vielleicht nicht
antworten.
„Tag, Jutta!“,
nickte Norbert.
„Tag“.
„Krieg
ich hier nun ein Bier oder nicht?“, fragte Manni nun schon etwas ungehaltener,
„Ich glaub, ich muss mal Nico anrufen, was? Also Jungs, wenn ich den Laden hier
erst mal übernommen habe, dann muss das hier aber anders laufen ...!“
Es war,
als hätte jemand den Ton abgestellt. Herr Ohlsen sah erst ungläubig zu Jutta, dann
zu Norbert und Luigi. Beide sahen aus als versuchten sie das soeben Gehörte noch
immer in eine, ihnen geläufige, Sprache zu übersetzen.
„Entschuldigung,
ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor ... über wen ... wer schickt Sie
gleich nochmal?“, versuchte Herr Ohlsen nun alles daran zu setzen, dass seine
Gesichtszüge nicht entgleiten.
„Na,
Nico!“, sagte Manni, und es klang wie das Normalste der Welt.
„Ich hab mit
Rosi gesprochen ...“, mischte Jutta sich nun ein, „Die beiden möchten den Laden
loswerden.“
„Und da
drüben, das kommt dann alles raus ...“, fuchtelte Manni nun mit seinen dicken
Fingern in Richtung Küche, „Und hier kommen dann überall Spielautomaten hin!“,
sah er sich grinsend um.
Über den
Raum legte sich eine gespenstische Stille.
„Und dann
... mal sehen, wen von euch Pappnasen ich hier vielleicht gebrauchen kann“,
fing Manni nun grölend an zu lachen, und es klang gemein und dreckig.
„Und Madame
hier, die ist dann die Dame des Hauses, nicht wahr?“, kniff er Jutta nun in die
Wange, dabei spreizte er den kleinen Finger, an dem ein protziger Goldring
prangte, unnatürlich weit ab.
Herr
Ohlsen meinte, jemand hätte ihm eins übergezogen, so laut hatte es in seinem
Kopf gerade gescheppert.
Ein paar
Sekunden verharrten alle bewegungslos um einander zu mustern, des Gegners Maß
zu nehmen, jeder aus einem anderen Grund. Schließlich, nach einer gefühlten
Ewigkeit, löste die Schockstarre sich in hektisches Treiben auf.
„Wie wäre
es mit einem kleinen Teller Pasta?“, hatte Luigi plötzlich völlig unpassend,
wie Herr Ohlsen meinte, gesäuselt.
„Das ist
ein guter Mann, Pasta, nehm ich!“, hatte Manni daraufhin polternd ausgerufen und
erneut Juttas Hand getätschelt.
„Du, sag
mal, kennen wir uns nicht von irgendwoher?“, hatte Manni Luigi schließlich noch
stirnrunzelnd hinterher gerufen.
„Zapf du
doch mal das Bier, Herr Ohlsen, und dann kommste kurz in die Küche, okay?“,
schien Norbert nun ebenfalls verrückt geworden zu sein, hatte Herr Ohlsen da mit
großen Augen gedacht. Aber da Norbert ihm besonders nachdrücklich und fest in
die Augen gesehen hatte, nickte er nur.
„Na, geht
doch!“, rief Manni nun aus, und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück.
Kurze
Zeit später, Herr Ohlsen hatte vor Manni gerade ein frisch gezapftes Pils und
vor Jutta eine Apfelschorle abgestellt, betrat Herr Ohlsen nun, vor Wut schwer
atmend, die Küche. Auf dem Weg dorthin hatte er sich schon gewundert, das Radio
lärmte schon von Weitem vor sich hin - da bot sich ihm ein eigentümlicher
Anblick. Luigi und Norbert, mit finsterer Miene nebeneinander stehend, winkten
ihn wortlos zu sich.
„Wusstest
du das?“, fragte Norbert Herrn Ohlsen nun flüsternd.
„Ob ich
davon gewusst habe? Sieht so etwa jemand aus, der davon gewusst hat?“,
flüsterte Herr Ohlsen zurück, „Mir ist ganz schlecht vor Wut, was bildet dieser
Mensch sich ein?“.
„Wen meinst
du, Nico oder diesen Spacko?“, fiel Luigi nun ebenfalls flüsternd mit ein.
Daraufhin
seufzte Herr Ohlsen achselzuckend. Nico schien nicht nur ihn, sondern sie alle verraten
und verkauft zu haben. Dieser Gedanke schmerzte Herrn Ohlsen unfassbar stark.
„Eins ist
klar, für den arbeite ich nicht!“, sagte Norbert nun.
„Meinst
du etwa ich?“, rieb Luigi sich mit der Hand übers Gesicht.
„Ich
bestimmt nicht ...“, spürte Herr Ohlsen seine Wut immer höher in ihm
aufsteigen.
„Hey, was
macht ihr denn da hinten, wo bleiben meine Nudeln?“, hörten sie Manni nun von
hinten rufen.
„Kommt
sofort!“, rief Norbert fröhlich.
Dann
sahen alle Drei einander an.
Kurze
Zeit später, als Herr Ohlsen mit einem Teller dampfender Nudeln den Weg von der
Küche zum Tisch zurücklegte, da hatte er nur ein Bild vor Augen. Nämlich, wie
Luigi einen Lappen genommen und mit diesem erst über den Boden und dann über
den Teller vor ihnen gewischt hatte. Schließlich - die dampfenden Nudeln hatten
mittlerweile auf dem Teller gelegen, Luigi jedoch, hatte noch nicht die
wohlduftende Tomatensoße darüber gegossen - hatten alle Drei aus tiefstem
Herzen einmal kräftig auf den dampfenden Nudelberg gespuckt.
„Wohl
bekommt’s“, sagte Herr Ohlsen nun, und stellte den appetitlich aussehenden
Teller vor Manni ab.
Und dann
... fing Herr Ohlsen ein folgenschweres Gespräch an.
„Wir sind
alle ganz baff ...“, lächelte Herr Ohlsen schüchtern, „Wie lange seid ihr denn schon
im Gespräch, Nico und Sie? Er hatte gar nichts davon erzählt ...“
„Ah,
lange, zu lange! Der kam ja gar nicht in die Pötte!“, antwortete Manni nun
schmatzend, „Und nichts für ungut, aber was soll er das mit euch besprechen ...“
Herr
Ohlsen presste unmerklich die Lippen zusammen. Dann wagte er einen scheuen aber
etwas genaueren Blick zu Jutta. Ihre Haare waren heller und die Figur üppiger geworden.
Sie saß stumm auf ihrem Stuhl und starrte vor sich hin. Dieses Strahlen, das
sie früher mal umgeben hatte, das war weg, dachte Herr Ohlsen verwundert.
„Ganz
arme Sau, der Nico ...“, schmatzte Manni nun weiter vor sich hin, „In München
war das ja kaum mit anzusehen ...“
„Ach
...“, war Herr Ohlsen nun mehr als verblüfft.
Da hörte
er Norbert und Luigi wieder den Raum betreten.
„Schmeckt’s?“,
fragte Luigi, und Manni nickte.
„Gleich
gibt’s noch was ganz Gutes, Nicos Spezialmischung zum Verdauen!“, sprach Luigi breit
grinsend weiter.
„Das
solltest du vielleicht lieber nicht ...“, warf Jutta nun mit einem Seitenblick
zu Herrn Ohlsen ein.
„Spezialmischung?
Da bin ich dabei“, fuhr Manni sich mit der Serviette über den Mund.
Und Herr
Ohlsen setzte sich mit versteinerter Miene in Bewegung.
Während
er am Tresen das Schnapsglas randvoll mit Nicos undefinierbarer Spezialmischung
goss, spürte er die Kränkung in sich immer stärker werden. Wie oft hatte er in
den letzten Tagen mit Nico telefoniert, dachte er, und Nico hatte kein einziges
Wort über Manni fallen lassen. Norbert, Luigi und er selbst, sie alle hätten es
verdient gehabt, von Nico persönlich unterrichtet zu werden. Sie hatten sogar
umsonst für ihn gearbeitet. Und nun war Nico telefonisch überhaupt nicht mehr
zu erreichen. Herr Ohlsen fühlte sich schlecht und jeder weitere Gedanke an
Nico stieß bitter in ihm auf. Da wurde Herrn Ohlsen mit aller Macht bewusst, wie
satt er es hatte, von seinen Mitmenschen nicht gesehen zu werden. Er dachte an
die neuen Schuhe, die er am Morgen mitsamt dem Karton im Schrank neben den
Fächern voll mit Geld verstaut hatte, und pfefferte das Glas aufs Tablett,
sodass ein wenig von Nicos Teufelsgetränk über den Rand des Glases schnappte.
Kurze
Zeit später, Herr Ohlsen hatte gerade das Glas vor Manni auf den Tisch
gestellt, holte er nun tief Luft.
„Und,
Vertrag schon geregelt, alles unter Dach und Fach?“, fragte er. Dann beobachtete
er gebannt, wie Manni das Schnapsglas an den Mund setzte und in nur einem Zug
hinunterstürzte.
Einen winzigen
Moment schienen sich alle, sogar Jutta, am Anblick des, mit dem Nachbrennen der
Kräutermischung kämpfenden, Manni, zu erlaben.
„Seid ihr
irre? Wollt ihr mich umbringen?“, röchelte Manni zwischen zwei Hustern.
„Jetzt
sagen Sie bloß, Sie kennen Nicos Spezialmischung etwa nicht!“, sprachen Norbert
und Luigi lachend durcheinander.
„Keine
Spezialmischung nach Vertragsabschluss ...?“, schob Herr Ohlsen nun hinterher.
„Den gibt
es erst nächste Woche ...“, rieb Manni sich mit schmerzerfülltem Blick den
Hals.
„Dann ist
ja noch alles offen“, sagte Herr Ohlsen, „Um welche Hausnummer geht’s denn
eigentlich?“
„Das geht
dich gar nichts an, Arschloch. Du bist übrigens der Erste, der hier rausfliegt!“,
stierte Manni Herrn Ohlsen nun hasserfüllt an „Was hast du mir zu trinken
gegeben, Putzmittel?“ Da musste Herr Ohlsen kurz lachen.
„Na, doch
nicht so ein guter Freund von Nico ...?“
„Wir
gehen, Jutta“, herrschte Manni diese nun an und stand leicht schwankend auf.
„Gut,
dann eben anders ...“, nahm Herr Ohlsen verbal erneut Anlauf, „Was auch immer
für einen Preis Sie bieten werden, ich werde derjenige sein, der immer noch mal
die Hälfte mehr drauflegt ... geht das in dieses speckige Köpfchen?“, tippte
Herr Ohlsen geschmeidig lächelnd mit dem Zeigefinger gegen Mannis Schläfe.
„Fass
mich nicht an!“, holte Manni sofort aus, schlug jedoch ins Leere. Herr Ohlsen
hatte sich wohlweislich geduckt, worüber er nun selbst verwundert war. Er
spürte die fragenden Blicke aller anderen und wusste - nun gab es wohl keinen
Weg mehr zurück.
„Wie
willst du das denn machen ... mit deinem Gehalt!?“, schien Jutta Herrn Ohlsen
plötzlich mit völlig anderen Augen zu sehen, sodass sie sogar aufstand und
einen Schritt näher kam. Dieser Umstand versetzte Herrn Ohlsen einen Schlag in
die Magengrube, er hasste es, dass Jutta plötzlich so leicht zu durchschauen
war.
„Ich habe
vor Kurzem ein hübsches Sümmchen im Lotto gewonnen“, sagte Herr Ohlsen nun
freundlich - und bis auf Manni, klappte allen Anwesenden im Raum nun die
Kinnlade runter.
„Ich
scheiß den Laden und dich zu, mit meinem Geld!“, rief Manni nun außer sich.
„Dieser
Spruch ist so was von alt ...“, antwortete Herr Ohlsen ruhig.
„Aber
immer noch gut! Genau wie dieser Hintern!“, schrie Manni nun weiter und langte
mit seiner Hand schwungvoll an Juttas Gesäß, “Bei diesem Hintern musste erst
ich kommen! So jemand wie du, der konnte den ja nicht halten!“, griff er nun sogar
noch fester zu, sodass Juttas Gesichtszüge schmerzerfüllt entglitten.
Damit war
es um Herrn Ohlsen geschehen. Es war als hätte jemand anderer seinen Arm erst
zurückgezogen und dann mit voller Kraft nach vorne preschen lassen. Er spürte
das Krachen, das sich vom Kiefer seines Gegenübers auf die eigene Hand übertrug,
als er mit seiner Faust in Mannis Gesicht abrutschte.
Selbstredend,
dass Norbert und Luigi nicht weiter gewillt waren tatenlos zuzusehen.
Und nun, um
einiges später, dachte Herr Ohlsen, dass sein Leben ab heute anders werden
müsse. Wenn nun schon alles so gekommen sei, wie es war, dann würde er nun
hier, auf der Personaltoilette, einen Pakt mit sich selbst schließen:
Er würde
etwas Sinnvolles anstellen, mit diesem, seinem Leben. Und vielleicht würde er dem
ein oder anderen Menschen ein wenig unter die Arme greifen. Vor allem aber
würde er niemals vergessen, dass man mit Geld nicht alles kaufen und der Koffer
möglicherweise ganz schnell wieder versiegen könne. Er würde hier und jetzt
einen Neuanfang starten, denn er hatte genug Zeit verplempert.
Und dann,
wenn die Grundpfeiler errichtet und die wichtigsten Punkte erledigt sein würden
– dann würde er den Koffer wieder zurück ins Leben schmeißen.
Wie? Das
wusste er noch nicht.
Ein paar
Minuten später betrat Herr Ohlsen erneut den Restaurant Bereich. Luigi und
Norbert saßen am Katzentisch, vor ihnen standen drei Schnapsgläser und die
Flasche mit Nicos Spezialmischung.
„Der
Laden bleibt heute geschlossen, haben wir gerade beschlossen“, sagte Nico, und
musterte Herrn Ohlsen neugierig.
„Gute
Idee!“, antwortete dieser nur. Dann griff jeder wortlos nach einem Schnapsglas.
„Hast du
wirklich im Lotto gewonnen, Herr Ohlsen?“, fragte Luigi ungläubig.
„Lasst
uns erst trinken ...“, prostete Herr Ohlsen den beiden mit schiefem Grinsen zu.
Und dann
warfen alle Drei den Kopf in den Nacken.
Fortsetzung
... nächsten Freitag!
Schlafen
Sie gut,
Ihre
Jana
Hora-Goosmann
Anregungen
oder Sie denken, Sie müssten das "Casa Egidio" beim Gesundheitsamt
melden ...?
troetgedanken@web.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen