Tauchen sie ein in die Welt von
„Sie“ (Ich) und „Er“ (der weltbeste Mann).
Eine Welt, wie sie vielleicht sein
könnte - wenn tatsächlich aber dann doch nicht alles so wäre, wie es eigentlich
ist ...
Was
zuletzt geschah:
Nachdem
„Sie“ und „Er“ davon ausgehen müssen,
dass das Erscheinen des Besuchers, von langer Hand geplant war, willigt „Sie“ nach anfänglichem Zögern
ein, den Besucher mit „Er“ aus der Galerie zu schaffen - und nicht die Polizei einzuschalten.
Letzter
Absatz:
Und zum ersten Mal seit dem Moment als beide sich vor ein
paar Jahren gefunden und einander erkannt hatten - hatte sie Angst. Sie könnten es vielleicht nicht schaffen.
Einander so in Erinnerung zu behalten, wie sie mal gewesen waren.
III
Ihr Blick war starr auf die Plane in ihren Händen gerichtet – da
passierte es.
Mit einem Ruck blieb Er, den wie ein Kunstwerk verpackten
Besucher voran tragend, stehen. Da wäre
sie beinahe gestürzt.
Die leblosen Gebeine drohten ihr aus der Hand zu gleiten
und Sie meinte schon, das Knacken brechender Knochen zu hören. Als sie den Kopf hob, begriff
sie.
Der glänzende
Lauf einer Pistole schmiegte sich nun, soweit sie das im schummerigen Licht des
Flurs erkennen konnte, bündig an die Schläfe ihres Mannes. Sein Körper, jäh
erstarrt, schien nun bis in die kleinste Faser gespannt.
„Zurück“,
zischte nun eine ihr unbekannte, männliche
Stimme.
Mit angehaltenem Atem versuchte sie die dazugehörige Person auszumachen. Diese jedoch
hielt sich hinter dem massiven Türrahmen
verborgen.
"Zurück",
zischte es erneut, und so blieb Ihr und Ihm nun nichts anderes übrig, als im blind aufeinander
eingespielten Gleichschritt langsam wieder rückwärts zu schleichen.
Und selbst als die Dunkelheit, die Sie und Er vor ein paar Minuten noch für ihr Vorhaben zu nutzen gewagt
hatten, beide nun wieder in die nach wie vor hell erleuchtete Galerie entließ,
wurde der Fremde weiterhin von der Dunkelheit des Flurs verschluckt.
Nun, da sie den Besucher wortlos wieder auf den Boden abließen, da dachte Sie, für einen Moment, ihr Herz würde
zerspringen. Denn nun näherten sich ihnen
schwere Schritte. Bis sich schließlich
die groß gewachsene,
hagere Silhouette eines Mannes aus der Dunkelheit löste.
Die Pistole nach wie vor auf Sie und Er gerichtet, betätigte er mit der anderen Hand nun
sein Telefon.
"Ja?", sagte er. Und es klang seltsam hoch. Irgendwie
fistelig. Und mochte so gar nicht passen, zu den markanten Gesichtszügen des Unbekannten.
"Nein, noch nicht ... okay!", sprach er nun
weiter.
Als Sie kurz wagte einen ersten Blick in das Gesicht ihres
Mannes zu werfen - nachdem beide wieder in die Galerie zurückgedrängt
worden waren – prallte ihr
Blick an dessen undurchdringlichen Gesichtsausdruck ab. Da dachte Sie, dass
alles, von der ersten Minute an, doch nicht wirklich wahr sein könne!
Die Pistole des Unbekannten schlackerte mittlerweile
unruhig von links nach rechts als er beiden nun, mit einer unwirschen
Handbewegung, bedeutete zur Seite zu treten.
Erst als er sich vergewissert hatte, dass Sie und Er in gebührendem Abstand Distanz hielten,
beugte er sich zu der Plane zu seinen Füßen.
Da begann es - mit dem „sich
nicht wundern“ - zum
allerersten Mal. In diesem Falle war es das Geräusch
eines, sich plötzlich im Schloss
des Hintereingangs bewegenden Schlüssels.
Obwohl es deutlich zu hören war, schien
der Unbekannte es schlichtweg zu überhören.
Ungerührt und mit
zielstrebigen Handbewegungen, begann er nun die Klebestreifen, mit denen die
Plane von Ihr und Ihm verklebt worden war, wieder zu lösen. Und somit nach und nach den Blick
auf den Besucher wieder freizulegen.
Sie konnte nicht anders, es war wie ein Zwang. Mit starrem
Blick verfolgte Sie jeder seiner Handbewegungen. Und schließlich offenbarte sich ihr, wie ein nicht willkommenes Déjà
vu, erneut der erstarrte Blick des Besuchers.
"Wer sind Sie?", hörte Sie sich nun selbst wie aus der Ferne mit belegter Stimme fragen - und
erschrak. Aus dem Schutz der Dunkelheit nämlich
trat nun eine weitere Person hervor: Die Putzfrau! Die keine mehr war.
Zumindest nicht mehr in der Galerie.
Nachdem sie an ihrem ersten Tag bereits wieder gefeuert
worden war, da sie die komplette Maschinerie der Überwachungskameras
beschädigt hatte.
Mutwillig, wie die Betreiber der Galerie, und wohl zu Recht, wie Sie jetzt
dachte, vermutet hatten.
Diese Erkenntnis verschlug Ihr erst mal die Sprache.
Die (Putz)Frau wirkte anders als an dem Tag, an dem sie
sich in der Galerie vorgestellt hatte. Die langen, dunkelgelockten Haare, trug
sie nun wild und offen. Die Absätze
ihrer Stiefel, die schwindelerregend hoch waren, hallten nun laut und hart
durch den Galerieraum - und Sie fragte sich, ob der Weg vom Hintereingang bis
zum Galerieraum - von ihr wohl auf Zehenspitzen zurückgelegt worden war.
"Hast du es?", fragte die Frau, ihre Stimme klang schroff.
Und schon wieder schien der Unbekannte sich nicht zu
wundern. Weder über die Frau, die
nun neben ihm in die Hocke ging, noch über
den Toten vor ihm. Im Gegenteil. Mit ungläubigem
Blick verfolgten Sie und Er nun, wie der Unbekannte und die (Putz)Frau sofort zielstrebig
anfingen, die Taschen des Besuchers zu durchsuchen.
„Hier... “, murmelte der Unbekannte schließlich und hielt das Nitroglyzerinspray - das Er dem Besucher
zuvor wieder in die Manteltasche zurückgesteckt
hatte - in der Hand. Mit Bedacht stellte er das Spray neben sich auf dem Boden
ab, daraufhin wurden sämtliche Taschen
des Besuchers weiter akribisch durchsucht. Jedoch ohne Erfolg.
„Was ist mit dem
Rest?“, hob er nun zu Sie und Er den Kopf.
„Wo ist sein
Handy? Seine Papiere?“
Sie und Er tauschten einen schnellen Blick.
„Egal, interessiert
mich nicht, was ihr da miteinander hattet ... aber scheiße! Wo ist das Teil?“,
wurde der Unbekannte nun lauter und erneut drohte sein dünnes Stimmchen ihm wegzubrechen.
„Verdammte Scheiße, das darf ja wohl nicht wahr sein!“, rief die Frau nun ebenfalls aus und erhob sich wütend.
Einen Atemzug später
entriss sie dem Unbekannten die Waffe und richtete sie sofort auf Sie und Er.
„Was ist euer
Problem, was sucht ihr? Wir können
über alles sprechen“,
hörte Sie nun die Stimme
ihres Mannes neben sich fest und fast schon unangenehm freundlich klingen.
Sie wusste, das bedeutete nichts Gutes.
„Ich hab dir
gesagt, du sollst mit rein gehen!“,
fuhr der Unbekannte die Frau nun unvermittelt an.
„Ja, wie denn? Sie kennt mich doch! Wie hätte ich das denn erklären
sollen?“, rief die Frau nun
aus. Dabei fuchtelte sie mit der Waffe herum, sodass, aus
Reflex, Sie ein Blinzeln lang die Augen zusammenkniff.
„Was sucht ihr?“, wiederholte Sie nun die Frage ihres Mannes.
„Was ist hier passiert?“, polterte die Stimme der Frau, die vor einer Woche als
Putzfrau noch ganz schüchtern gewirkt
hatte, nun weiter durch den Raum.
„Häh?“, schob sie noch
hinterher.
Für einen Moment
schienen alle einander entschlüsseln
zu wollen. Denn das „gemischte Doppel“, starrte einander - möglicherweise
auch nur um Zeit zu gewinnen und den nächsten
Schritt zu planen - nur an.
„Der Mann hier ...“, fing Er nun langsam an zu sprechen „Er ist plötzlich
zusammengebrochen, einfach so.“
„Ja, erzähl uns was Neues“,
murmelte der Unbekannte.
Dann, nach einem kurzen Moment, griff der Unbekannte gedankenverloren
erneut nach dem Nitroglyzerinspray neben sich auf dem Boden. Und nachdem er das
Fläschchen hochgehoben
und sich vors Gesicht gehalten hatte, betrachtete er es nun im Gegenlicht. Dann
seufzte er plötzlich aus
tiefstem Herzen.
„Was habe ich
gesagt ... wie sollte die Mischung sein?“,
wendete er sich jetzt zu seiner Begleitung.
„3:1“, antwortete diese sofort und wie aus der Pistole geschossen.
Fast hätte
man meinen können, eine Prise
Stolz schwang ebenfalls mit.
„Du bist so dämlich ...“,
nuschelte der Unbekannte und fuhr sich hektisch mit der Hand über Gesicht.
„Ich bin was?“
„Du bist total dämlich!“
rief er nun, und erneut überschlug sich am
Ende des Satzes seine Stimme.
„Ich hab gesagt, im
Verhältnis 2:1! Was
haben wir denn die ganze Zeit besprochen, hä?“
„3:1“, starrte die Frau ihn nun entgeistert an.
„2:1! Das kann
doch wohl nicht so schwer sein!“,
klagte er nun wie ein Waschweib vor sich hin, „Oh, in der
Apotheke, wo der doch immer sein Spray holt, da putz ich doch auch“, fuhr er nun weiter fort. "Gar kein Problem,
mach ich! Da hab ich doch schon ganz andere Dinge gemacht!“, schien er die Frau nun sogar nachzuäffen - was seine Stimme noch um einiges skurriler erklingen
ließ.
„Du dämliche Kuh! Du hast ihn zu früh
ausgeknockt, verstehst du? Der hatte gar keine Zeit mehr um ... scheiße, du hast es versaut! Hast du gehört?“
Lauernd, wie zwei Boxer im Ring, standen der Unbekannte und
die Frau sich nun gegenüber.
„Ich hab was?“
„Du hast es
versaut, wie immer!“
„Ich hab was?“
„Du bist ja noch
blöder als ich
dachte!“
„Ich hab was?“
„Halt die Fresse!“
Einen Atemzug lang schien die Frau verzweifelt nach Worten
zu suchen.
Schließlich
mündete das
Resultat ihrer Bemühung in nur einem
Wort:
„Scheiße!“
Dann schoss sie, ein paar Zentimeter am Besucher vorbei, mit der Waffe in
den Holzboden.
Die nun folgende Stille war beängstigend. Alle Beteiligten starrten,
und jeder auf seine eigene Weise, auf das Loch im Holzboden. Bis das Telefon in
der Galerie plötzlich klingelte
und alle sofort wieder die Köpfe
hoben.
„Das ist bestimmt
die Nachbarin von oben“, hauchte Sie nun
seltsam außer Atem und
bemerkte verwundert, dass sie nach dem Schuss für einen Moment wohl vergessen hatte zu atmen.
Angespannt starrte Sie nun zu dem Unbekannten. Ein weiteres
Klingeln später, nickte
dieser ihr nun zu. Dies verstand Sie als Aufforderung sich in Bewegung zu
setzen, was sie daraufhin sofort auch tat.
Ein paar Meter später
und als sie die Ladestation erreicht, das Telefon abgehoben und sich mit dem Namen
der Galerie gemeldet hatte, da empfand sie - plötzlich
und scheinbar ohne ersichtlichen Grund - wieder einen Funken Hoffnung.
Aber dann ... war alles wieder beim Alten. Außer der, nun schon so oft gehörten,
Stille vor dem Knacken ... nichts.
Plötzlich und auch völlig unpassend, wie sie fand, musste sie an die russischen
Matroschkas denken. Diese hölzernen
Figuren, hohl und ineinander verschachtelt, die man so lange öffnen konnte, bis man schließlich
nur noch eine letzte, winzig-kleine Figur in der Hand hielt. Den sogenannten Kern
der Sache – das Ende vom
Anfang.
Aus einem Reflex heraus hielt sie das Telefon nun weit weg
von sich und in die Runde - damit alle es hören
konnten: Nämlich nichts.
Als ihr Blick sich mit dem ihres Mannes traf, da meinte sie,
in dessen Augen ein Flackern zu sehen –
und hätte beinahe kurz aufgelacht.
Es war als hätten Sie und Er
die Frequenzen für den anderen, in
einem schnellen Fine Tuning wieder neu und erfolgreich aufeinander eingestellt.
„Also, was sucht
ihr? Vielleicht können wir ja
helfen“, löste Er seinen Blick nun von Ihr.
Für einen Moment
schien der Unbekannte das Für
und Wieder einer Antwort abzuwägen.
Statt einer Antwort griff er jedoch wortlos nach der bewaffneten Hand der Frau - die scheinbar also nun doch Putzfrau war - und löste, nicht gerade zimperlich, jeden einzelnen ihrer verkrampften
Finger. Dann nahm er die Waffe wieder an sich.
„Jedes Brötchen hat mehr Grips ...“,
murmelte er noch mit einem Seitenblick zu ihr. Mit gesenktem Blick ließ die Frau - nun wieder ganz ähnlich
der Putzfrau, die sich eine Woche zuvor in der Galerie vorgestellt hatte - dies
über sich ergehen.
„Dass ihr uns
jetzt helfen werdet, davon gehe ich schwer aus“,
sprach der Unbekannte, nun an Sie und Er gerichtet, weiter.
„Ihr kanntet den
Mann?“, hörte Sie ihren Mann nun fragen.
„Du doch auch!“, ätzte die Putzfrau
nun plötzlich in dessen
Richtung.
Da hielt Sie, beim Versuch, im Gesicht ihres Mannes zu
lesen, erneut den Atem an.
„Das geht uns nichts
an und interessiert mich auch nicht!“,
wurde der Unbekannte nun schroff und ungeduldig.
„Ich will jetzt von
euch wissen, wie das hier abgelaufen ist! Dann rückt
ihr das Teil raus ... und dann sehen wir weiter“,
schien jedes einzelne Wort nur mehr entkräftet
aus ihm heraus zu purzeln.
„Welches Teil?“, fragten ihr Mann und Sie nun unisono.
Schlagartig hielten alle, den Kopf zur Fensterfront geneigt,
inne. Möglicherweise, für einen kleinen Moment, hoffte jeder für sich vielleicht - es sei nichts. Aber dem war nicht so. Denn
es klopfte. Draußen an den Rollos.
Die Sie, vor einer gefühlten Ewigkeit, selbst
zum Schutz vor der Außenwelt heruntergelassen
hatte.
Diesmal, so schien es, hielten alle gemeinsam den Atem an.
Und als nun erneut - leise aber gleichzeitig fordernd - geklopft und schließlich sogar sachte an den Rollos gerüttelt wurde - da stellte Sie sich vor, wie es wäre, jetzt einfach auszusteigen. Und schwerelos über allen Köpfen,
inklusive dem eigenen, hinweg schweben zu können.
Denn:
Vier Menschen und eine Leiche. In einer Galerie nach
Feierabend.
Wie würde man diese
Situation jemals halbwegs plausibel erklären
können?
Dann tastete sie nach der Hand ihres Mannes und dachte
daran, dass das Leben selbst die abstrusesten Geschichten schrieb. Wieso
sollte es dann also nicht vielleicht noch eine weitere unerwartete Wendung, zu
ihren Gunsten geben?
To be continued.
Teil IV nächsten
Freitag.
Schlafen Sie gut!
Ihre
Jana Hora-Goosmann
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