Tauchen sie ein in die
Welt von „Sie“ (Ich) und „Er“ (der weltbeste Mann).
Eine Welt, wie sie
vielleicht sein könnte - wenn tatsächlich aber dann doch nicht alles so wäre,
wie es eigentlich ist ...
Was zuletzt geschah:
Nachdem „Sie“ noch einen letzten Besucher
durch die Galerie geführt hatte, dessen unterschwellig bedrohliches Verhalten sie
schließlich zwang ihn hinaus zu komplementieren - kam es zu einer
folgenschweren Begebenheit mit „Er“.
Letzter Absatz:
In dem Augenblick, als der weltbeste Mann sich zu ihm
herunterbeugte, um den Puls des Besuchers zu tasten, bahnte sich bereits ein
dunkelroter Rinnsal seinen Weg zur Schuhspitze einer ihrer beigefarbenen
Wildlederpumps - und sog sich fest. Eine Mischung aus Hellrosa und Pink, dachte
sie nur. Und, dass sich das mit den Bildern beißt.
II
Die Welt schien plötzlich
still zu stehen. Das Wort, das Unbegreifliche, das sie gerade ihren Mann hatte
sagen hören, schien noch ohne
jeglichen Sinn durch ihren Kopf zu irren. TOT. Von links nach rechts und wieder
zurück gelesen -
derselbe Sinn. Unbegreiflich.
Sie sah auf den kleinen Blutsee, der sich mittlerweile um
ihre Pumps herum gebildet hatte, und wusste nicht, wie sie sich jemals wieder von
der Stelle wegbewegen sollte. Sie dachte an die zwei hellen Abdrücke, die von ihren Schuhen für
einen Moment übrig bleiben würden, sollte sie es tatsächlich
wagen, irgendwann aus der Blutlache herauszutreten.
Dann jedoch würde
sie, mit den Rändern ihrer Pumps
und jedem einzelnen ihrer Schritte den Holzboden stempeln. Und so blieb sie
erst mal stehen.
Ihr Blick folgte der tiefroten Spur, die aus der Lache
heraus zurück zum Ursprung führte, der Stelle mit dem jetzt rot eingefärbtem Haar des Besuchers, bis hin zu seinem Gesicht, mit
dem offenem Mund und erstarrtem Blick.
Als sie ihren Mann die schwarzen Lederhandschuhe überstreifen sah, die er, sobald es Herbst wurde, stets bei
sich trug, da hatte sie verstanden - endgültig.
Tot. Zu ihren Füßen
lag ein Toter.
Für einen Moment
dachte sie sich weg, vom Anblick des Besuchers und daran, was sie normalerweise
vorgehabt hatte zu tun, an diesem Abend. Und jetzt stand sie hier und musste
zusehen, wie ihr Leben eine neue Richtung genommen hatte.
„Ich rufe die
Polizei“, sagte sie nun
heiser und griff in die Seitentasche ihres Jacketts.
Während sie noch
versuchte mit feuchten Händen das Handy zu
greifen, hatte der weltbeste Mann bereits die rechte Hand des Besuchers aus der
Manteltasche gezogen. Für einen Moment,
starrten beide nun auf die Waffe, die zum Vorschein kam.
„P1“, murmelte er nun, und ganz so, als wolle er die
Bezeichnung der Waffe gleich fein säuberlich
in eine Liste eintragen. Während
seine Hände weiter, in
die Brusttasche des Besuchers, wanderten, hielt sie - es kam ihr vor wie eine
Ewigkeit - endlich das Handy in der Hand.
„Was machst du?“, fragte der weltbeste Mann sofort und ohne seinen Blick
von dem Ausweis in seiner Hand abzuwenden
„Die Polizei, ich
rufe jetzt die Polizei!“, wiederholte sie
ihr Vorhaben.
„Stopp. Das machst
du nicht, hörst du?“
Verständnislos sah sie
zu ihm. Dann war ihr als hätte
sie sich verhört. Und so wischte
sie mit dem Finger nun kurz von links nach rechts übers Display.
„Leg das Telefon
weg!“, rief er nun. Dann
stopfte er die Papiere in seiner Hand, die sie auf die Entfernung erst mal
nicht einzuordnen wusste, wieder zurück
in die abgewetzte Brieftasche des Besuchers.
„Scheiße ...“, flüsterte er nun, und starrte für
einen Moment regungslos vor sich hin.
„Du kennst den
Typen? Woher?“
„Ich bin mir noch
nicht sicher ...“, fuhr er sich nun mit der Hand übers Gesicht.
„Ich rufe jetzt
die Polizei!“, sagte sie, und
wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme plötzlich
klang.
„Lass das, bitte,
hab ich doch gesagt!“
Man konnte fast meinen, sie lächelte
ihn an, als sie ihn nun ungläubig
anstarrte.
„Das war ein
Unfall! Er hatte eine Waffe! Er hat irgendetwas im Schilde geführt und deshalb sollten wir die Polizei rufen! Was ist los
mit dir?“, fuhr sie ihn
nun an. Unwillkürlich musste sie an
all die Krimis denken, die sie in ihrem Leben gesehen hatte, und, dass es immer
ein schlechtes Ende genommen hatte, sobald man versuchte, es in die eigene Hand
zu nehmen.
Da ertönte
von irgendwo her das Klingeln eines Handys. Da der Klingelton weder zu ihr noch
zu ihm gehörte, ließ dies beide nun abrupt verstummen. Und während sie beobachtete, wie die Hände ihres Mannes erneut den Mantel des Besuchers
durchsuchten, verstummte das Klingeln genau so jäh,
wie es erklungen war.
Da stellte sie sich vor, draußen
vor der Galerie zu stehen und hineinzusehen. Für
den Fall, dass gerade jemand draußen
im Regen gestanden hatte - was konnte diese Person beobachtet haben? Möglicherweise war dieser Albtraum, der sich gerade
abgespielt hatte, in einer Art „Toten
Winkel“ geschehen?
Nicht einsehbar durch die, aus massivem Holz gearbeitete, Galerietür und schwer einsehbar, durch die seitliche Fensterfront
des Hauptraumes. Zeit, dachte sie plötzlich,
sie brauchten Zeit! Und obwohl sie ahnte, den Weg, den sie jetzt einschlagen würde, später
vielleicht zu bereuen, schlüpfte
sie kurz entschlossen aus ihren Schuhen und stieg auf nackten Füßen über die Blutlache.
Der Boden unter ihren Füßen war feucht vom
Regenwasser, das sich vom Mantel des Besuchers abgesondert hatte. Sie unterdrückte den Impuls die Nässe
von den Füßen abzuschütteln, dann griff sie in ihre Hosentasche.
„Was machst du?“, kniete er immer noch über
dem massiven Körper des
Besuchers, nur, dass er nun ein fremdes Handy in der Hand hielt.
Während sie nur
exakt drei Schritte brauchte um die Tür
zu erreichen, zückte sie bereits
den Schlüssel. Und während sie mit einer Hand die Tür abschloss, betätigte
sie mit der anderen Hand bereits den Schalter für
die elektrischen Rollos. Leise surrend bewegten diese sich nun nach unten.
Die Rollos waren schon längst
mit einem leisen Knacken eingerastet, da starrte sie noch immer auf die
Maserung der hölzernen Galerietür vor sich. Und als sie sich irgendwann wieder zu den zwei
Männern hinter sich
drehte, von denen der eine nach wie vor auf dem Boden lag und der andere, sich
nun seltsam schwerfällig erhob - sah
sie ihren Mann, für einen Wimpernschlag,
mit anderen Augen. Sie ging zwei Schritte auf ihn zu und spürte, wie sich der nun plötzlich
in ihr aufkommende Zweifel in ihr Herz fraß.
„Sprich mit mir“, flüsterte sie nun
schon fast. „Was ist hier
passiert?“
Als der Blick ihres Mannes sie traf, schien dieser durch
sie hindurchzusehen.
„Ich weiß es nicht.“,
flüsterte nun auch
er „Irgendetwas aber
sagt mir, dass wir besser nicht die Polizei rufen!“
„Wieso?“
„Ich ... keine
Ahnung ...“, stammelte er
nun schon fast.
Die Situation erschien ihr, trotz aller Brisanz, plötzlich völlig
grotesk. Sie sah zu ihren Pumps, die, inmitten des roten Blutsees, aussahen, als
hätte sie sich wie
Wonder Woman mit einem gekonnten Sprung in die Höhe
herauskatapultiert.
„Ich denke ... was
hier gerade passiert ist, das ist nicht ohne Grund passiert“, suchte er nun nach Worten.
„Was heißt das?“,
drängte sie nun
leise „Das ist doch
sonst nicht deine Art! „Also kennst du
den Mann?“
„Ich kann es dir
nicht sagen, noch nicht! Ich weiß
nur ...“
„Ja?“, sah sie ihn nun herausfordernd an.
„Egal was es ist
... beruflich ... ganz schlecht für
mich!“
Sie ließ
den Blick über das Jackett
ihres Mannes schweifen und dachte an seinen Job in der Botschaft.
„Du meinst, es hat
vielleicht etwas damit zu tun?“,
kam ihr plötzlich in den
Sinn.
„Vertraust du mir?“, hallte seine Stimme nun unvermittelt laut durch den Raum.
Und als, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, er mit seinen Lederhandschuhen
nun nach ihren Händen griff, da blitzte
in seinen Augen etwas auf, das sie zuvor noch nie gesehen hatte.
Für einen Moment
standen sie einfach nur so da - er, wie er ihre Hände
umklammert hielt und sie, wie sie versuchte, sich in sich selbst zurechtzufinden.
„Zieh bitte die
Handschuhe aus. Du weißt, ich mag das
auch sonst schon nicht...!“
„Die brauch ich
noch, und du auch ...“, ließ er nun von ihren Händen
ab.
„Hast du dich,
seit wir uns kennen, auch nur ein einziges Mal nicht auf mich verlassen können?“, erreichten seine Worte nun langsam wieder ihr Herz.
Und so blickte sie nun direkt in das von ihr geliebte Gesicht
– dann begann sie langsam den Kopf zu schütteln.
„Vertrau mir,
bitte! Auch wenn jetzt noch nichts einen Sinn zu ergeben scheint. Kannst du
das?“
In seiner Stimme schwang nun wieder etwas Vertrautes, Liebevolles
mit. Für einen Moment
hielt sie den Atem an. Dann nickte sie.
„Okay“, sagte sie, mehr nicht.
Dann: „Was
jetzt ...?“
„Wir müssen ihn rausschaffen! Wo sind hier die Kameras?“, zählte er nun auf.
Da spürte sie - als hätte sie plötzlich
alle Macht über ihren Körper abgegeben - ein gurgelndes Lachen in sich aufsteigen.
„Was?“ starrte er sie nun an.
„Die ...!“ schaffte sie gerade nur zu sagen, da brach es auch schon,
wenngleich auch leise, hysterisch gackernd aus ihr heraus.
„Die Kameras ...!
Also, die Anlage ...!“, bog sie sich
nun, bemüht die Kontrolle
wieder zu erlangen, mit verzerrtem Gesicht zur Seite.
„Funktioniert alles nicht, seit einer Woche nicht ...
Wahnsinn, oder?“
Dann meinte sie, an ihrem Lachen zu ersticken.
„Was ist passiert?“, fragte er, und sein Blick verhieß nichts Gutes.
„Die neue Putzfrau
hat Mist gebaut, gleich am ersten Tag! Ist sofort gefeuert worden! Jedenfalls ...
funktioniert hier gerade gar nichts mehr, keine Kameras! Das durfte natürlich keiner wissen, wegen der Versicherung und auch, dass
der Termin mit der Firma erst in drei Tagen ist“,
gelang es ihr nun und schon bedeutend ruhiger zu sprechen. Dann erschrak sie.
Beide sahen nun im Blick des anderen, dass sie möglicherweise gerade das erste Puzzleteil entdeckt hatten.
„Meinst du, das
war ...?“, bebte ihre
Stimme nun.
„Geplant, ja!“, vollendete er knapp ihren Satz.
Während die Tragweite
seiner Antwort noch tröpfelnd in ihr
Bewusstsein drang, nahm er bereits das Handy und die Papiere des Besuchers, die
er zuvor wieder in dessen Manteltasche verstaut hatte, erneut an sich.
Durch ihren Körper
ging ein Ruck der ihr Herz zum Stolpern brachte.
„Ich besorge mir
Handschuhe“, murmelte sie, nur
einen Augenblick später.
Und als sie sich, auf nackten Füßen, den Weg an ihm und dem Besucher vorbei zur Kaffee Küche bahnte, da sah sie ihn, aus den Augenwinkeln, mit
schnellen Bewegungen die Rückseite
des fremden Handys öffnen und den
Akku entnehmen.
Kurze Zeit später,
nachdem sie in der kleinen Kaffeeküche
mit zitternden Händen nach den
pinkfarbenen Gummihandschuhen über
der Spüle griff, trug
sie bereits ihre bunten Sneakers in die sie meist, nach einem langen Galerietag
auf hohen Schuhen, für den Heimweg zu
schlüpfen pflegte.
„Unten im Keller
liegt noch eine große Malerplane, die
hole ich jetzt!“, sprach sie den
Gedanken, der ihr in der Kaffeeküche
gekommen war als sie nach ein paar Putzmitteln griff, nun laut aus.
„Gute Idee“, nickte er. Dann schauten beide, über den Körper
des Besuchers hinweg, einander an - und Ihre Blicke schienen einen Pakt zu
schließen.
Ab da schien die Zeit wie in einem Albtraumartigen-Rausch
an ihr vorbeizurasen.
Nachdem sie die Luke im Boden geöffnet hatte, stieg sie nun hinab in den kleinen Keller. Und
als die Plane, wieder auf dem Weg nach oben, unter ihrer schweißnassen Achsel steckte, dachte sie, das Blut des Besuchers würde sich perfekt in die willkürlich-farbenfrohe
Landschaft der Farbkleckse einfügen.
Bevor sie den Besucher gemeinsam auf die Plane hoben, durchsuchten
sie ihn erneut - und nun auch die Gesäßtaschen.
Ihre Ausbeute: Ein Schlüsselbund mit 4
Schlüsseln und ein
Nitroglyzerin Spray.
„Ein Unfall,
siehst du?“, sagte sie nun
und fast schon beschwörend, da ließ er beides bereits in der Seitentasche seines Jacketts verschwinden.
„Passt dein Schlüssel auch für
die Hintertür?“ sah er sie nun an, und sie nickte.
„Ich hole den
Wagen, okay?“ schob er noch
hinterher, und sie nickte erneut.
Als seine Schritte sich leise auf dem Holzboden entfernten,
blieb sie, für ein paar Atemzüge, kauernd auf dem Boden zurück.
Dann griff sie nach der Plastiktüte
neben sich. Vorsichtig und ohne weitere Blutflecken zu produzieren, verstaute
sie darin nun ihre Pumps. Nie wieder, dachte sie, würde sie sich jemals wieder Pumps in dieser Farbe und
Beschaffenheit kaufen.
Dann machte sie sich akribisch genau daran, den Boden zu säubern. Je mehr sich das Putzwasser im Eimer vor ihr anfing rötlich zu verfärben,
desto mehr fürchtete sie, ihr
starr auf den Boden gerichteter Blick, könne
plötzlich
unkontrolliert abschweifen. Zum Besucher neben ihr. Der nun verhüllt war, wie ein kostbares Kunstwerk. In einer bunt-besprenkelten
Plane.
Als sie plötzlich
Schritte aus dem hinteren Bereich der Galerie auf sie zukommen hörte, dachte sie, ihr Herz würde
stehen bleiben.
„Fertig?“, wisperte ihr Mann nun, und strich sich eine gelöste Haarsträhne
aus dem Gesicht. Wie ein Fremdkörper
wippte diese nun auf dem Rest der nach wie vor perfekt gegelten Frisur.
„Den Rest mache
ich, wenn wir am Wagen waren ...“
richtete sie sich nun auf.
Einen Moment später
dachte sie, dass der Besucher, das Schwerste war, das sie jemals in ihrem Leben
getragen hatte. Nicht, dass sie keine Kraft gehabt hätte.
Ihr war aber so als würde
sich, mit jedem Schritt, den ihr Mann und sie nun auf den Wagen und dessen geöffnete Heckklappe zugingen –
bündig zum hinteren
Türeingang geparkt
und zum Beladen bereit – als hätte sich nun, plötzlich
und mahnend, eine letzte, unsichtbare Grenze vor ihnen aufgebaut.
Eine Grenze, die Sie und Er, das Ehepaar, die Geliebten und
die Freunde, nun gemeinsam im Begriff waren endgültig
zu überschreiten. Und
zum ersten Mal seit dem Moment als beide sich vor ein paar Jahren gefunden und
einander erkannt hatten - hatte sie Angst, sie könnten
es vielleicht nicht schaffen. Einander so in Erinnerung zu behalten, wie sie
mal gewesen waren.
To be continued.
Teil III nächsten
Freitag.
Schlafen Sie gut! ;-)
Ihre
Jana Hora-Goosmann
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