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Freitag, 17. Oktober 2014

" Schlaflos in Berlin Special - Teil II "



Tauchen sie ein in die Welt von „Sie“ (Ich) und „Er“ (der weltbeste Mann).
Eine Welt, wie sie vielleicht sein könnte - wenn tatsächlich aber dann doch nicht alles so wäre, wie es eigentlich ist ...

Was zuletzt geschah:

Nachdem „Sie“ noch einen letzten Besucher durch die Galerie geführt hatte, dessen unterschwellig bedrohliches Verhalten sie schließlich zwang ihn hinaus zu komplementieren - kam es zu einer folgenschweren Begebenheit mit „Er“.

Letzter Absatz:

In dem Augenblick, als der weltbeste Mann sich zu ihm herunterbeugte, um den Puls des Besuchers zu tasten, bahnte sich bereits ein dunkelroter Rinnsal seinen Weg zur Schuhspitze einer ihrer beigefarbenen Wildlederpumps - und sog sich fest. Eine Mischung aus Hellrosa und Pink, dachte sie nur. Und, dass sich das mit den Bildern beißt.



II



Die Welt schien plötzlich still zu stehen. Das Wort, das Unbegreifliche, das sie gerade ihren Mann hatte sagen hören, schien noch ohne jeglichen Sinn durch ihren Kopf zu irren. TOT. Von links nach rechts und wieder zurück gelesen - derselbe Sinn. Unbegreiflich.



Sie sah auf den kleinen Blutsee, der sich mittlerweile um ihre Pumps herum gebildet hatte, und wusste nicht, wie sie sich jemals wieder von der Stelle wegbewegen sollte. Sie dachte an die zwei hellen Abdrücke, die von ihren Schuhen für einen Moment übrig bleiben würden, sollte sie es tatsächlich wagen, irgendwann aus der Blutlache herauszutreten.



Dann jedoch würde sie, mit den Rändern ihrer Pumps und jedem einzelnen ihrer Schritte den Holzboden stempeln. Und so blieb sie erst mal stehen.



Ihr Blick folgte der tiefroten Spur, die aus der Lache heraus zurück zum Ursprung führte, der Stelle mit dem jetzt rot eingefärbtem Haar des Besuchers, bis hin zu seinem Gesicht, mit dem offenem Mund und erstarrtem Blick.



Als sie ihren Mann die schwarzen Lederhandschuhe überstreifen sah, die er, sobald es Herbst wurde, stets bei sich trug, da hatte sie verstanden - endgültig.



Tot. Zu ihren Füßen lag ein Toter.



Für einen Moment dachte sie sich weg, vom Anblick des Besuchers und daran, was sie normalerweise vorgehabt hatte zu tun, an diesem Abend. Und jetzt stand sie hier und musste zusehen, wie ihr Leben eine neue Richtung genommen hatte.



Ich rufe die Polizei, sagte sie nun heiser und griff in die Seitentasche ihres Jacketts.



Während sie noch versuchte mit feuchten Händen das Handy zu greifen, hatte der weltbeste Mann bereits die rechte Hand des Besuchers aus der Manteltasche gezogen. Für einen Moment, starrten beide nun auf die Waffe, die zum Vorschein kam.



P1, murmelte er nun, und ganz so, als wolle er die Bezeichnung der Waffe gleich fein säuberlich in eine Liste eintragen. Während seine Hände weiter, in die Brusttasche des Besuchers, wanderten, hielt sie - es kam ihr vor wie eine Ewigkeit - endlich das Handy in der Hand.



Was machst du?, fragte der weltbeste Mann sofort und ohne seinen Blick von dem Ausweis in seiner Hand abzuwenden



Die Polizei, ich rufe jetzt die Polizei!, wiederholte sie ihr Vorhaben.



Stopp. Das machst du nicht, hörst du?



Verständnislos sah sie zu ihm. Dann war ihr als hätte sie sich verhört. Und so wischte sie mit dem Finger nun kurz von links nach rechts übers Display.



Leg das Telefon weg!, rief er nun. Dann stopfte er die Papiere in seiner Hand, die sie auf die Entfernung erst mal nicht einzuordnen wusste, wieder zurück in die abgewetzte Brieftasche des Besuchers.



Scheiße ..., flüsterte er nun, und starrte für einen Moment regungslos vor sich hin.



Du kennst den Typen? Woher?



Ich bin mir noch nicht sicher  ..., fuhr er sich nun mit der Hand übers Gesicht.



Ich rufe jetzt die Polizei!, sagte sie, und wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme plötzlich klang.



Lass das, bitte, hab ich doch gesagt!



Man konnte fast meinen, sie lächelte ihn an, als sie ihn nun ungläubig anstarrte.



Das war ein Unfall! Er hatte eine Waffe! Er hat irgendetwas im Schilde geführt und deshalb sollten wir die Polizei rufen! Was ist los mit dir?, fuhr sie ihn nun an. Unwillkürlich musste sie an all die Krimis denken, die sie in ihrem Leben gesehen hatte, und, dass es immer ein schlechtes Ende genommen hatte, sobald man versuchte, es in die eigene Hand zu nehmen.



Da ertönte von irgendwo her das Klingeln eines Handys. Da der Klingelton weder zu ihr noch zu ihm gehörte, ließ dies beide nun abrupt verstummen. Und während sie beobachtete, wie die Hände ihres Mannes erneut den Mantel des Besuchers durchsuchten, verstummte das Klingeln genau so jäh, wie es erklungen war.



Da stellte sie sich vor, draußen vor der Galerie zu stehen und hineinzusehen. Für den Fall, dass gerade jemand draußen im Regen gestanden hatte - was konnte diese Person beobachtet haben? Möglicherweise war dieser Albtraum, der sich gerade abgespielt hatte, in einer Art Toten Winkel geschehen?



Nicht einsehbar durch die, aus massivem Holz gearbeitete, Galerietür und schwer einsehbar, durch die seitliche Fensterfront des Hauptraumes. Zeit, dachte sie plötzlich, sie brauchten Zeit! Und obwohl sie ahnte, den Weg, den sie jetzt einschlagen würde, später vielleicht zu bereuen, schlüpfte sie kurz entschlossen aus ihren Schuhen und stieg auf nackten Füßen über die Blutlache. Der Boden unter ihren Füßen war feucht vom Regenwasser, das sich vom Mantel des Besuchers abgesondert hatte. Sie unterdrückte den Impuls die Nässe von den Füßen abzuschütteln, dann griff sie in ihre Hosentasche.



Was machst du?, kniete er immer noch über dem massiven Körper des Besuchers, nur, dass er nun ein fremdes Handy in der Hand hielt.



Während sie nur exakt drei Schritte brauchte um die Tür zu erreichen, zückte sie bereits den Schlüssel. Und während sie mit einer Hand die Tür abschloss, betätigte sie mit der anderen Hand bereits den Schalter für die elektrischen Rollos. Leise surrend bewegten diese sich nun nach unten.



Die Rollos waren schon längst mit einem leisen Knacken eingerastet, da starrte sie noch immer auf die Maserung der hölzernen Galerietür vor sich. Und als sie sich irgendwann wieder zu den zwei Männern hinter sich drehte, von denen der eine nach wie vor auf dem Boden lag und der andere, sich nun seltsam schwerfällig erhob - sah sie ihren Mann, für einen Wimpernschlag, mit anderen Augen. Sie ging zwei Schritte auf ihn zu und spürte, wie sich der nun plötzlich in ihr aufkommende Zweifel in ihr Herz fraß.



Sprich mit mir, flüsterte sie nun schon fast. Was ist hier passiert?



Als der Blick ihres Mannes sie traf, schien dieser durch sie hindurchzusehen.



Ich weiß es nicht., flüsterte nun auch er Irgendetwas aber sagt mir, dass wir besser nicht die Polizei rufen!



Wieso?



Ich ... keine Ahnung ..., stammelte er nun schon fast.



Die Situation erschien ihr, trotz aller Brisanz, plötzlich völlig grotesk. Sie sah zu ihren Pumps, die, inmitten des roten Blutsees, aussahen, als hätte sie sich wie Wonder Woman mit einem gekonnten Sprung in die Höhe herauskatapultiert.



Ich denke ... was hier gerade passiert ist, das ist nicht ohne Grund passiert, suchte er nun nach Worten.



Was heißt das?, drängte sie nun leise Das ist doch sonst nicht deine Art! Also kennst du den Mann?



Ich kann es dir nicht sagen, noch nicht! Ich weiß nur ...



Ja?, sah sie ihn nun herausfordernd an.



Egal was es ist ... beruflich ... ganz schlecht für mich!



Sie ließ den Blick über das Jackett ihres Mannes schweifen und dachte an seinen Job in der Botschaft.



Du meinst, es hat vielleicht etwas damit zu tun?, kam ihr plötzlich in den Sinn.



Vertraust du mir?, hallte seine Stimme nun unvermittelt laut durch den Raum. Und als, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, er mit seinen Lederhandschuhen nun nach ihren Händen griff, da blitzte in seinen Augen etwas auf, das sie zuvor noch nie gesehen hatte.



Für einen Moment standen sie einfach nur so da - er, wie er ihre Hände umklammert hielt und sie, wie sie versuchte, sich in sich selbst zurechtzufinden.



Zieh bitte die Handschuhe aus. Du weißt, ich mag das auch sonst schon nicht...!



Die brauch ich noch, und du auch ..., ließ er nun von ihren Händen ab.



Hast du dich, seit wir uns kennen, auch nur ein einziges Mal nicht auf mich verlassen können?, erreichten seine Worte nun langsam wieder ihr Herz.



Und so blickte sie nun direkt in das von ihr geliebte Gesicht dann begann sie langsam den Kopf zu schütteln.



Vertrau mir, bitte! Auch wenn jetzt noch nichts einen Sinn zu ergeben scheint. Kannst du das?



In seiner Stimme schwang nun wieder etwas Vertrautes, Liebevolles mit. Für einen Moment hielt sie den Atem an. Dann nickte sie.



Okay, sagte sie, mehr nicht.



Dann: Was jetzt ...?



Wir müssen ihn rausschaffen! Wo sind hier die Kameras?, zählte er nun auf.



Da spürte sie - als hätte sie plötzlich alle Macht über ihren Körper abgegeben - ein gurgelndes Lachen in sich aufsteigen.



Was? starrte er sie nun an.



Die ...! schaffte sie gerade nur zu sagen, da brach es auch schon, wenngleich auch leise, hysterisch gackernd aus ihr heraus.



Die Kameras ...! Also, die Anlage ...!, bog sie sich nun, bemüht die Kontrolle wieder zu erlangen, mit verzerrtem Gesicht zur Seite.



 Funktioniert alles nicht, seit einer Woche nicht ... Wahnsinn, oder?



Dann meinte sie, an ihrem Lachen zu ersticken.



Was ist passiert?, fragte er, und sein Blick verhieß nichts Gutes.



Die neue Putzfrau hat Mist gebaut, gleich am ersten Tag! Ist sofort gefeuert worden! Jedenfalls ... funktioniert hier gerade gar nichts mehr, keine Kameras! Das durfte natürlich keiner wissen, wegen der Versicherung und auch, dass der Termin mit der Firma erst in drei Tagen ist, gelang es ihr nun und schon bedeutend ruhiger zu sprechen. Dann erschrak sie.



Beide sahen nun im Blick des anderen, dass sie möglicherweise gerade das erste Puzzleteil entdeckt hatten.



Meinst du, das war ...?, bebte ihre Stimme nun.



Geplant, ja!, vollendete er knapp ihren Satz.



Während die Tragweite seiner Antwort noch tröpfelnd in ihr Bewusstsein drang, nahm er bereits das Handy und die Papiere des Besuchers, die er zuvor wieder in dessen Manteltasche verstaut hatte, erneut an sich.



Durch ihren Körper ging ein Ruck der ihr Herz zum Stolpern brachte.



Ich besorge mir Handschuhe, murmelte sie, nur einen Augenblick später.



Und als sie sich, auf nackten Füßen, den Weg an ihm und dem Besucher vorbei zur Kaffee Küche bahnte, da sah sie ihn, aus den Augenwinkeln, mit schnellen Bewegungen die Rückseite des fremden Handys öffnen und den Akku entnehmen.



Kurze Zeit später, nachdem sie in der kleinen Kaffeeküche mit zitternden Händen nach den pinkfarbenen Gummihandschuhen über der Spüle griff, trug sie bereits ihre bunten Sneakers in die sie meist, nach einem langen Galerietag auf hohen Schuhen, für den Heimweg zu schlüpfen pflegte.



Unten im Keller liegt noch eine große Malerplane, die hole ich jetzt!, sprach sie den Gedanken, der ihr in der Kaffeeküche gekommen war als sie nach ein paar Putzmitteln griff, nun laut aus.



Gute Idee, nickte er. Dann schauten beide, über den Körper des Besuchers hinweg, einander an - und Ihre Blicke schienen einen Pakt zu schließen.



Ab da schien die Zeit wie in einem Albtraumartigen-Rausch an ihr vorbeizurasen.



Nachdem sie die Luke im Boden geöffnet hatte, stieg sie nun hinab in den kleinen Keller. Und als die Plane, wieder auf dem Weg nach oben, unter ihrer schweißnassen Achsel steckte, dachte sie, das Blut des Besuchers würde sich perfekt in die willkürlich-farbenfrohe Landschaft der Farbkleckse einfügen.



Bevor sie den Besucher gemeinsam auf die Plane hoben, durchsuchten sie ihn erneut - und nun auch die Gesäßtaschen. Ihre Ausbeute: Ein Schlüsselbund mit 4 Schlüsseln und ein Nitroglyzerin Spray.



Ein Unfall, siehst du?, sagte sie nun und fast schon beschwörend, da ließ er beides bereits in der Seitentasche seines Jacketts verschwinden.



Passt dein Schlüssel auch für die Hintertür? sah er sie nun an, und sie nickte.



Ich hole den Wagen, okay? schob er noch hinterher, und sie nickte erneut.



Als seine Schritte sich leise auf dem Holzboden entfernten, blieb sie, für ein paar Atemzüge, kauernd auf dem Boden zurück. Dann griff sie nach der Plastiktüte neben sich. Vorsichtig und ohne weitere Blutflecken zu produzieren, verstaute sie darin nun ihre Pumps. Nie wieder, dachte sie, würde sie sich jemals wieder Pumps in dieser Farbe und Beschaffenheit kaufen.



Dann machte sie sich akribisch genau daran, den Boden zu säubern. Je mehr sich das Putzwasser im Eimer vor ihr anfing rötlich zu verfärben, desto mehr fürchtete sie, ihr starr auf den Boden gerichteter Blick, könne plötzlich unkontrolliert abschweifen. Zum Besucher neben ihr. Der nun verhüllt war, wie ein kostbares Kunstwerk. In einer bunt-besprenkelten Plane.



Als sie plötzlich Schritte aus dem hinteren Bereich der Galerie auf sie zukommen hörte, dachte sie, ihr Herz würde stehen bleiben.



Fertig?, wisperte ihr Mann nun, und strich sich eine gelöste Haarsträhne aus dem Gesicht. Wie ein Fremdkörper wippte diese nun auf dem Rest der nach wie vor perfekt gegelten Frisur.



Den Rest mache ich, wenn wir am Wagen waren ... richtete sie sich nun auf.



Einen Moment später dachte sie, dass der Besucher, das Schwerste war, das sie jemals in ihrem Leben getragen hatte. Nicht, dass sie keine Kraft gehabt hätte.



Ihr war aber so als würde sich, mit jedem Schritt, den ihr Mann und sie nun auf den Wagen und dessen geöffnete Heckklappe zugingen bündig zum hinteren Türeingang geparkt und zum Beladen bereit als hätte sich nun, plötzlich und mahnend, eine letzte, unsichtbare Grenze vor ihnen aufgebaut.



Eine Grenze, die Sie und Er, das Ehepaar, die Geliebten und die Freunde, nun gemeinsam im Begriff waren endgültig zu überschreiten. Und zum ersten Mal seit dem Moment als beide sich vor ein paar Jahren gefunden und einander erkannt hatten - hatte sie Angst, sie könnten es vielleicht nicht schaffen. Einander so in Erinnerung zu behalten, wie sie mal gewesen waren.









To be continued.



Teil III nächsten Freitag.









Schlafen Sie gut! ;-)



Ihre



Jana Hora-Goosmann

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