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Freitag, 28. November 2014

Von " Weihnachts-Karpfen bis Heinrich Böll "






Seit letztem Montag, als es „plötzlich nur noch“ und exakt einen Monat bis Weihnachten war, schreiten wir alle, mit Riesenschritten, auf Heiligabend zu!



Bei uns gibt es an Heiligabend übrigens Karpfen. Karpfen mit Kartoffelsalat. Serviert auf Zwiebelmuster-Geschirr. Alte Hora-Familientradition.



Er: "Können wir die Tradition nicht einfach ändern?"



Ich: "Eine Tradition ist ja deshalb eine Tradition, weil man sie eben nicht ändert! Außerdem ist es UNSERE Familientradition!"



Er: "Aber so richtig schmeckt der Karpfen (an sich) ja nicht wirklich ..."



Ich: "Also ... so kannst du das nun auch nicht sagen! Ich finde, man gewöhnt sich dran, so mit den Jahren!"



Er: "Na, toll!"



Ich: "Familientradition."



Er: "Panierter Karpfen ..."



Ich: "Also weißt du ... letztes Jahr hast du es doch tatsächlich - und das hat vor dir noch kein anderer „externer Mann“ gewagt - geschweige denn wagen dürfen - den Karpfen mal völlig anders zubereitet! Und das war ja wohl ziemlich lecker, oder?"



Er (grinst): "Tja, da musste eben erst der weltbeste Mann kommen! Was heißt denn hier eigentlich als Einziger ... bist du etwa nicht als Jungfrau in die Ehe gegangen, nein?"



Ich: "Ist klar, Schatz, natürlich! So wie du ...





Aber zurück zum Karpfen. Dessen Eigengeschmack ist nun wahrlich, das muss ich schon zugeben, meilenweit von einer ekstatischen Geschmacksexplosion entfernt.



Die Vorliebe des Karpfens für ein bodenorientiertes Dasein, vornehmlich in langsam fließenden, stehenden Gewässern, kann man nämlich je nach Zubereitung mal mehr, mal weniger, herausschmecken.



Und hat man mal so richtig Pech gehabt, kann es man beim Verzehr des Karpfens schon mal vorkommen, dass man von dem Gefühl beschlichen wird, statt des Paniermehls für die Panade die Packung der Heilerde vom letzten Beautytag gegriffen zu haben ... die weiblichen Leserinnen wissen jetzt ganz genau, was ich damit meine! ;-)



An einem anderen Tag als zu Weihnachten würde mir tatsächlich dann auch im Leben nicht einfallen, Karpfen zu essen!



Und als Pescetarierin, deren Mengen von verzehrtem Pesce im Alltag tatsächlich nun wirklich völlig überschaubar sind, schon mal gar nicht!

(„Fleischlos bis Prager Schinken“ (Tröt-Archiv: Nr.17 / 19.09.2014)



Aber zurück zu unserer Familientradition.



Und dazu fand ich bei Wikipedia eine ziemlich treffende Zusammenfassung, wie ich finde:



"Der Karpfen ist vor allem in Böhmen und dem angrenzenden österreichischen Waldviertel, besonders zu Weihnachten ein begehrter Speisefisch (Weihnachts-Karpfen). Für manche Tschechen ist eine Weihnacht ohne Karpfenessen nach wie vor undenkbar. Er wird in der Regel lebend verkauft, erst zu Hause geschlachtet und meist paniert (mit viel Zitrone) serviert. Es sind aber auf den Speisekarten tschechischer Gasthäuser meist fünf bis zehn verschiedene Zubereitungen angeboten, zum Beispiel gekocht in Gewürzsud, gegrillt, scharf mit Paprikagemüse etc."



Okay, das mit dem Schlachten, das machen wir (natürlich) nicht. Und mit Grausen erinnere ich mich noch an die Geschichten meiner tschechischen Oma, die davon handelten, wie in ihrer Kindheit ein kopfloser Karpfen durch die Wohnstube "tanzte" ...



Da der Karpfen relativ viele Gräten hat, ist an Heiligabend in tschechischen Krankenhäusern die verschluckte, quer liegende oder den Karpfen-Verzehrer sonst wie malträtierende Gräte dann auch der Notfall Nr.1!



Der weltbeste Mann schafft das übrigens auch ohne Karpfen. Und an einem schnöden Sonntagabend mitten im Jahr. Bereits nach dem ersten Bissen und zwei Minuten vor dem obligatorischen Tatort ...:-)



Da hilft es dann auch nicht, dass der Arzt in der Notaufnahme des Krankenhauses, und eigentlich aus Hamburg stammend, am Anfang der wirklich langen und selbstredend ohne Betäubung durchgeführten Stocher-Suche noch damit „geprahlt“ hatte, doch aus der Stadt der Fischbrötchen zu stammen:



„So etwas habe ich früher in Hamburg in der Mittagspause gemacht ... und ich hab sie alle bekommen!“



Die Gräte im Hals des weltbesten Mannes jedenfalls ward niemals gefunden ...



Und natürlich war sein Hals von der „Suche nach dem heiligen Gral“ mittlerweile dann bis auf Erstickungsgefahr hin angeschwollen! Man könnte aber auch sagen: „ER hatte sooooo einen Hals!“



Okay, vielleicht lag es auch daran, dass besagter Arzt schon 16 Stunden Dienst hinter sich hatte. Aber ich frage Sie - möchte man als Patient in dieser Situation tatsächlich so etwas hören?



Bei allem Respekt- nicht wirklich!



„Ich“ sieht nun zu „Er“ und bemerkt, da ist was im Gange!



Er: „Ich sag meinem Cousin einfach er soll einen Lachs vorbeibringen und sagen, es sei Karpfen!“



Ich (seufzt): „Familientradition!“



Er (hat plötzlich ganz glänzende Augen bekommen): „Oder noch besser, ich sag ihm, für die Zukunft, da soll er doch „einfach“ mal eine neue Karpfenart züchten! Die sieht dann zwar aus wie Karpfen, schmeckt aber wie Lachs, zum Beispiel!



Zur Erklärung sei kurz erwähnt:



Der „Cousinmütterlicherdasheißtitalienischerseitsvomweltbestenmann“, macht seit vielen Jahren - in Kombi mit Fischteichen- in Fischen und Fischzucht.



Seit ich verheiratet bin, wird die „Tschechische-Traditions-Karpfenbeschaffung“ also von der italienischen „Famiglia“ erledigt.



(Wieso liest sich das gerade eigentlich so herrlich skurril? Haha!)



Er (holt mal wieder tief Luft): „Wieso ...“



Ich (laut): „Faaaamilientraditiiooooooon! Genau so wie der Umstand, dass wir als Weihnachtsbaum immer nur eine Kiefer und keinen Tannenbaum haben! Und dass die Kiefer jedes Jahr natürlich besonders schief und / oder irgendwie seltsam gewachsen aber gleichzeitig, und ohne Ausnahme, immer die Schönste von allen Vorangegangenen ist! Tradition!“



Er:“Hhhmmm.“



Ich:“ Sonst bist Du solch ein großer Verfechter von Tradition! Zwing mich nicht, das Thema auszuweiten ... bei UNS ist wenigstens „EINE Zutat“ warm!

(Tröt-Archiv:Nr.26 / 21.11.2014) und (Tröt-Archiv: Nr.10 / 01.08.2014)



Da kann der weltbeste Mann sich das breite Grinsen nicht verkneifen.



Er: „Wieso, der Toast zum Käse ist doch warm!“



Ich (verdreht die Augen): „Haha!“



Er: „Ich freu mich doch schon seit Monaten auf unser gemeinsames (Karpfen)- Weihnacht(en)!“



Ich: „Ich weiß ... dann gibt’s auch wieder neue Schuppen!“



Nein, damit sind nicht die Schuppen von einem Familienmitglied gemeint!:-)



Aber eine weitere tschechische Weihnachtstradition sieht tatsächlich so aus, dass alle Familienmitglieder vor dem nach Hause gehen noch ein kleines, etwa Briefmarken großes Päckchen aus Alufolie zugesteckt bekommen. Darin befinden sich dann ein paar getrocknete Schuppen des Karpfens, den man an Heiligabend gemeinsam verzehrt hat.



Diese trägt man dann das ganze Jahr über als Glücksbringer, Geldfänger oder was auch immer, in der Brieftasche bei sich. Ob das funktioniert?



Sagen wir mal so ... auch hier kommt es mal wieder auf die Perspektive an.



Die einen sagen so, die anderen so ;-!



In jedem Fall, und mit meinen fortschreitenden Jahren, ein schöner Brauch, wie ich finde.



Letztens, während eines Gesprächs, kam es bei meinem Gegenüber übrigens zu folgendem Ausspruch: „Bei meiner Tochter (ganz junger Teenager), haben letztens 6 Freundinnen übernachtet. Und als ich später am Abend ins Wohnzimmer kam, lagen da „6 Apfel-Handys“ auf dem Tisch ... (meine werbefreie Übersetzung) Was soll man so einem jungen Menschen denn noch schenken?“



In besagtem Gespräch hatten wir kurz das Thema Weihnachten und Geschenke im Allgemeinen angerissen.



Der weltbeste Mann und ich, wir schenken uns zu Weihnachten übrigens nichts.



Obwohl wir beide übrigens sehr gerne etwas (ver)schenken. Aber wir machen das nicht (wirklich / nur) an einem Datum fest. Unsere Entscheidung. Gerne legen wir aber eine Kleinigkeit für andere Familienmitglieder unter „die Kiefer“.



Aber jetzt mal ganz ehrlich, und grundsätzlich - was soll denn dieser ganze ... Weihnachts-Konsum?



Übrigens, während ich diese Zeilen schreibe, trötet der weltbeste Mann mal wieder im Bett neben mir „fröhlich“ vor sich hin.



Heute Nacht macht mir das irgendwie (noch) mehr zu schaffen als sonst. Nach einer fiebrigen Woche, infolge eines wirklich fiesen grippalen Infekts, scheine ich wohl ziemlich dünnhäutig geworden zu sein, hui!



Bis morgen früh, so schätze ich, wird sich dann auch ein beachtlicher Berg an benutzen Papiertüchern auf dem Boden neben meinem Bett angesammelt haben.



Mittlerweile nämlich - ich gebe es zu - pfeffere ich die Tücher heute Abend einfach nur noch genervt und entkräftet auf den Boden. Mit Grausen denke ich schon wieder an die Ohrstöpsel, die mich (wohl) gleich wieder erwarten werden - meinen schmerzenden Ohren zum Trotz.



Das ist Liebe ... !!! Denke ich seufzend. Und schnäuze mich erneut. Bevor ich das zerknüllte Papier - ZACK - wieder auf den Boden neben mich pfeffere, überkommt mich, wie ein kleiner aufmunternder Stupser von der Seite, aber mal wieder die unerschütterliche Gewissheit, dass, „trotz alledem“, zwischen den weltbesten Mann und mich definitiv kein – wie auch immer und noch so dünn geartetes - (schnarchendes) Papier passt!



Unbezahlbar ...



Und dann, nachdem ich vielleicht doch „ein ganz kleines bisschen ruppig“ an der Schulter des weltbesten Mannes gerüttelt habe, fällt mir plötzlich eine Erzählung von Heinrich Böll ein:



„Nicht nur zur Weihnachtszeit“



Ein Paradebeispiel dafür, dass man es mit der Tradition durchaus auch mal übertreiben kann!



Die Hauptfigur, „Tante Milla“, will sich nach Weihnachten partout und mit kontinuierlich immer größer werdendem Geschrei, nicht vom Weihnachtsbaum trennen! Als auch hinzugezogene Ärzte schließlich ratlos wieder von dannen ziehen müssen, wird Tante Milla von der Verwandtschaft schließlich eine sogenannte „Tannenbaumtherapie“ verordnet.



Fortan wird also, für die nächsten zwei Jahre, und mit allem Drum und Dran, jeden Abend – Sommers wie Winters – Weihnachten gefeiert!



Die einzige Person, der die allabendliche Weihnachtsfeier auf eine stoische Art ausnehmend gut zu bekommen scheint, ist Tante Milla selbst.



Der Rest der Verwandtschaft, zerstreitet sich irgendwann, wandert aus, und noch vieles mehr, bis jeder Einzelne sich nach und nach von arbeitslosen Schauspielern ersetzen lässt – bis diese wiederum schließlich irgendwann sogar durch Wachspuppen ersetzt werden.



Mich hat diese Erzählung durch meine Jugend hindurch begleitet.

Und jetzt, viele Jahre später und unabhängig davon, dass die meisten Familienkräche übrigens wohl an Heiligabend und im Urlaub geschehen (sollen), fallen mir – auch hinsichtlich des aktuell politischen Weltgeschehens - unweigerlich wieder die einzigen drei Worte der, ebenfalls en suite auftretenden, Figur des Weihnachtsengels ein ...



Und der Weihnachtsengel flüsterte: „Frieden, Frieden, Frieden.“







Schnarch ... ähm ... Schlafen Sie gut!





Ihre



Jana Hora-Goosmann

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