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Freitag, 27. März 2015

Von " Deeh bis Haah Ell "




Wenn Sie den Begriff Nachbar oder Nachbarschaft hören, wie viele Schritte verbinden Sie damit?

Nur mal kurz über den Flur huschen, vier, fünf Schritte und zack, klebt der Finger schon an der Klingel?

Oder vielleicht die Flurtreppe runter, in den Hinterhof zu irgendeinem Seitenflügel nach links oder rechts abbiegen, Treppe wieder hoch und zack- prescht der Finger bereits in Richtung Klingel?

Vielleicht sogar (noch) leichtfüßig die Treppe runter und auf die Straße hinaus hasten, dann im Eingang des Nebenhauses verschwinden, und zack – ach ne, wo war sie denn, die Benachrichtigungskarte ... ach hier, ausnahmsweise hatte man ja mal Glück gehabt und tatsächlich eine dieser Karten erhalten – und zack, drückt der Finger bereits schon auf die Klingel.

Für ein großes weltweit bekanntes Deutsches-Paket-Unternehmen, ist der Begriff "Nachbarschaft" allerdings ein wahrlich dehnbarer Begriff.

Laut Geschäftsbedingungen nämlich rund 2,5 km. Wie der weltbeste Mann und ich nun wissen.

Wollte man sein Päckchen also mal wieder in der Nachbarschaft abholen, denn sein Päckchen zu Hause in Empfang nehmen zu können, scheint heutzutage ja irgendwie "out" zu sein (obwohl man sogar zugegen ist), dann kann das, wie in unserem Fall, auch schon mal so aussehen:

Treppe runter und durch den Hof auf die Straße, kurz mal orientieren, wenn nicht sogar eine App zu Rate ziehen - und dann ... erst mal ganze 45 (!) Hausnummern die Straße entlang dackeln - schließlich sogar (auch) noch in eine Nebenstraße einbiegen, bis man dann endlich "vor seinem Nachbarn" steht. Diesmal aber den (Mittel)-Finger gedanklich gen Himmel gerichtet, während die Hand in der Manteltasche sich zur Faust ballt.

Und nein, man wollte in diesem Laden, von dem man bis dato in der Tat noch nie etwas gehört oder gesehen hatte, nun wirklich nichts kaufen oder dergleichen. Und ja, war ja alles „schön“, dann kannte man den Laden jetzt (eben) auch. Ein Schelm, der Böses dabei denkt – war man gerade womöglich Opfer geschäftlichen Kalküls geworden?

Man wollte doch einfach nur sein Päckchen auspacken! Das Geburtstagspäckchen von der Mutter des weltbesten Mannes an Selbigen. Das schon unzählige Tage auf dem Weg gen Osten auf Reisen gewesen war, um schließlich, überfällig wie eine trotzig ausbleibende Periode, ganze 45 Hausnummern entfernt in einem scheinbar eigens dafür leer geräumten Regal zu versauern - zusammen mit noch einigen anderen Päckchen - und somit den eigentlichen Ehrentag des weltbesten Mannes haushoch zu verpassen!

Aber wie schon gesagt, 2,5 km sind (ja wohl) drin, laut Geschäftsbedingungen.
Für diese Info sind der weltbeste Mann und ich übrigens aufrichtig dankbar. Beinahe nämlich wäre uns diese Belehrung von einem Mitarbeiter des Paket-Unternehmens am Telefon doch fast unterschlagen worden. Stellen Sie sich das mal vor! Nicht auszudenken, wir wären dahin gehend irgendwann doof gestorben.

Dabei schien besagte Information - die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglicherweise oder sogar ziemlich wahrscheinlich in Schriftgröße 1. wenn nicht sogar mit „Zaubertinte“ verfasst ist - ja noch eine Information zu sein, die der Mitarbeiter im Gespräch mit dem weltbesten Mann noch allzu gerne loszuwerden schien.

Danach wurde es jedoch schon bedeutend schwieriger, mit der „Serviceleistung“.

Immerhin hatte man dem weltbesten Mann doch schon die Adresse des, 45 Hausnummern entfernten, „Nachbarn“ genannt! Was wollte er da noch mehr?

Denn, eine Benachrichtigung im Briefkasten? Fehlanzeige! Da ließ der weltbeste Mann sich von seiner Mutter die Trackingnummer durchgeben. Vom verschollenen Päckchen, das zu diesem Zeitpunkt wohl schon längst in der, 45 Hausnummern entfernten, Nachbarschaft lag - gegen seinen Willen und ohne Lösegeldforderung in unserem Briefkasten. Der Geburtstag des weltbesten Mannes war, wie schon gesagt, längst vorübergegangen.

Und somit kam es zu einem Telefongespräch, in dem der weltbeste Mann, noch Stunden später, als er davon erzählte, die Ohren ganz eng anzulegen schien, während seine Nase von jetzt auf eben ganz spitz wurde! Wie ein schnittiger Windhund stand er nun vor mir und gab das immer unerquicklicher werdende Telefongespräch wieder, das schließlich wie folgt (abrupt) endete:

Er: „Dann möchte ich jetzt gerne Ihren Vorgesetzten sprechen!“

Mitarbeiter: „Den gebe ich Ihnen nicht. Wir haben ja alles besprochen!“

Pause.

„Er“ fletscht bereits die Zähne.

Er: „Dann geben Sie mir jetzt bitte Ihren Namen!“

Mitarbeiter: „Nein.“

Und dann legt der Mitarbeiter (einfach) auf.

Falls Sie in Berlin leben sollten - nein, Ende Februar diesen Jahres gab es nicht Dreharbeiten zu einem Remake des Incredible Hulks – es war nur das fluchende Jaulen eines schnittigen Windhundes. Der weltbeste Mann eben.

Auch „Formerly Known“ als „Muzelfugu“ (Tröt-Archiv: Nr. 10 / 01.08.2014 / Von Kugelfisch bis Badezimmerspiegelschrank).

Am nächsten Tag, ich legte mit dem Rad gerade wieder die 45 Hausnummern „Stadteinwärts“ zurück, musste ich plötzlich, ich konnte einfach nicht anders, auch an die Vorteile denken, die solch eine – sich seit dem letzten Jahr dramatisch zuspitzende Paketzustellungsproblematik, wie ich fand - auch durchaus beinhielt.

Da war zum Beispiel diese nette Nachbarin, 14 Hausnummern entfernt, bei der ich in der Adventszeit Ende letzten Jahres ein Päckchen abgeholt hatte.

Als ich die letzten Stufen bis zu ihrer Haustür erklommen hatte, blickte ich mich verwundert um. Päckchen in diversen Größen stapelten sich von ihrer Haustür bis hin zu den ersten Stufen des Treppenabsatzes.

Meine Nachbarin, 14 Hausnummern entfernt, lächelte ein breites Lächeln der Verzweiflung. Dann machte sie sich an die Arbeit, mein Päckchen unter all den anderen herauszufischen.

„Na ja, wenigstens lernt man so seine Nachbarn kennen“, wollte sie mir gerade mein Päckchen übergeben, da fiel ihr Blick auf unsere Hausnummer.

„Also ... auch die Nachbarn, die man sonst vielleicht nie kennenlernen würde!“ grinste sie nun unverhohlen. Ich gönnte ihr die ironische Spitze, denn ich war der Meinung, das hatte sie sich wahrlich verdient, bei all der Päckchen Plackerei!

„Tja, hier liegt ja wirklich so einiges rum“, murmelte ich, noch immer ungläubig in Richtung des putzigen Paket Gebirges starrend.

„Früher hatte ich die alle ja noch in der Wohnung“, rief sie mir noch fröhlich zu, bevor ihr Kopf wieder hinter einer Paketschneise verschwand.

Puuuh, dachte ich nun, Nachbarzusammenführung inklusive, während ich, wieder zu Hause angekommen, das Päckchen für den weltbesten Mann aus meinem Rucksack fischte, und mich gleichzeitig selbst ermahnte:

Jetzt hab Dich mal nicht so, die 45 Hausnummern, beim Joggen macht dir das auch nix aus, im Gegenteil, und überhaupt, was sollen denn eigentlich die zwei Mädels aus der Nachbarschaft sagen, 22 Hausnummern weiter, die letztes Jahr eine ganze Spüle aus unserem Flur abge(hievt)holt hatten?

Ach ja ... und dass dieser riesige Karton über eine Woche unseren Flur versperrt hatte? Geschenkt! Dass der weltbeste Mann im Kleingedruckten an der Seite, für mich ohne Brille überhaupt nicht zu entziffern, irgendwann (endlich) den Namen des Adressaten enteckte, und wir fortan abwechselnd auf dem Weg zu diversen Erledigungen oder beim nach Hause kommen, an dessen Tür klingelten, niemanden antrafen, und schließlich selbst eine Karte mit dem Hinweis einwarfen, doch (jetzt) bitte (endlich) den Karton abzuholen? Doppelt geschenkt!

Dass sich die zwei Mädels, die sagten „Wir hatten keinen Zettel vom Paketdienst und haben uns schon gewundert, wieso das so lang dauert ...!“, sich das ursprünglich wohl auch anders gedacht hatten, als sie ihre Spüle schließlich 22 Hausnummern die Straße entlang schleppen mussten - gesch ...pah, die sollen sich (auch) mal nicht so haben!
Heißt es nicht immer, die Deutschen würden sich zu wenig bewegen? Ob man jetzt Hanteln stemmte oder eine Spüle die Treppe runter hievte, 22 Hausnummern die Straße entlang trug, und die nächste Treppe wieder rauf schleppte ... Sie ahnen es schon - gescheeeehheeeenkt! Finden Sie etwa nicht?

Für einen winzig kleinen Moment braute sich in meinem Kopf eine perfide Verschwörungstheorie zusammen: Der Paketdienst und alle Krankenkassen dieser Welt machten gemeinsame Sache! Nur, dass die Bonus Punkte einzig und allein aufs Konto des Paketdienstes gingen. Dafür, dass diese uns so auf Trab hielten, uns unerwartet neue Kontakte bescherten, die wiederum möglicherweise zu einem plötzlichen, heftigen Hormonanstieg führen konnten, zu einer Horde Schmetterlinge im Bauch, die lästige Pfündchen fortan mit Leichtigkeit purzeln ließen. Und sogar latent vorherrschende depressive Zustände würden am glucksenden Gekicher zweier Turteltauben regelrecht zerschellen – von einer langfristig verstärkten körperlichen Betätigung gar nicht zu reden!

Heutzutage gilt dann wohl nicht mehr "Wenn der Postbote zweimal klingelt", sondern "Wenn der Nachbar sein Paket abholt!" 

Holla, die Waldfee!

Hhhhmmmm, was aber, wenn alles wieder in die Brüche geht? Oder erst gar nicht so richtig in Schwung kommen mag? Liebeskummer, Depression, erst keinen Hunger dann vielleicht Fressanfälle, und schließlich, was soll’s, den Schmerz in Hochprozentigem ertränken, nachts im Regen vor dem Fenster des Angebeteten stehen und sich vielleicht noch eine Lungenentzündung holen ... bevor in Fatal Attraction Manier gar vielleicht sogar noch Blut fließt?

Also ... langfristig und genauer betrachtet, diese Allianz scheidet, glaube ich, aus. Oder?

Ich hatte das Päckchen gerade auf dem Schreibtisch des weltbesten Mannes deponiert, da fiel es mir wieder ein. Das kurze Gespräch mit dem Angestellten des Paketdienstes, im Herbst letzten Jahres das ich, während ich mal wieder ein paar Päckchen für meine Nachbarn angenommen hatte, freundlich aber bestimmt geführt hatte.

Verständnisvoll und pädagogisch wertvoll, wie ich fand, gab ich mein Wissen um den Zeitdruck des Paketdienstangestellten zum Ausdruck. Und natürlich war ich auch gerne weiterhin bereit für meine Nachbarn ein Päckchen anzunehmen – sofern ich denn nun da wäre, nur bitte, doch nicht für die komplette Straße!?

Quatsch, fiel ich mir gedanklich nun selbst ins Wort - die Anlaufstelle für die komplette Straße, das war ja wohl eher diese eine nette Nachbarin, 14 Hausnummern entfernt. Sie erinnern sich?

Nun ja, seitdem haben der weltbeste Mann und ich jedenfalls nie wieder ein Paket persönlich zugestellt bekommen. Selbst wenn wir zu dem Zeitpunkt sogar zu Hause gewesen sein sollten. Ich weiß nicht ... ob es da wohl einen Zusammenhang gibt?

Während ich diese Zeilen nochmals überfliege, liegt der weltbeste Mann im Bett neben mir und grinst plötzlich ganz schön frech.

Ich: „Was denn? Ich hab das damals wirklich ganz nett gesagt ... nett aber natürlich bestimmt ... also, es hat sich wohl die Waage gehalten ... denke ich.

Er (grinst): „Hmmm, ich kann mir schon vorstellen, wie das ablief.“

Ich (spitz): „Wie meinst du das? Und selbst wenn! Was wollen die denn noch alles sein? Fitnesscoach, Dating-Portal, Ethik-Polizei? Was denn noch? Um die Ecke gibt es doch diesen Späti, der hat 24 Stunden geöffnet, wieso geben die das denn nicht dort ab?"

Er: “Ich für meinen Teil, werde jedenfalls nie wieder etwas mit denen verschicken, nie wieder! Vorher beschwere ich mich noch, schriftlich, dann kann wenigstens keiner auflegen! Oder noch besser, ich schick die Beschwerde einfach mit einem Paket- vielleicht wird das ja auch woanders abgegeben!"

Ich: „Du siehst schon wieder ganz windschnittig aus ... sexy!“


Schlafen Sie gut!

Ihre

Jana Hora-Goosmann

Zackiger Versand per Mail an: troetgedanken@web.de

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