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Freitag, 18. September 2015

Nr.50 Von " Thomas Höpker ... bis Berlin by night "





Letzten Freitag, am 11. September 2015, besuchten der weltbeste Mann und ich eine Vernissage, in der von uns geschätzten Galerie Johanna Breede in Berlin.
Künstler: Thomas Höpker.
 
Link zu Galerie / Ausstellung:

www.johanna-breede.com
 
Falls Ihnen der Name Thomas Höpker im ersten Moment nichts sagen mag, garantiert jedoch das ein oder andere Foto. Anlässlich des elften Septembers zum Beispiel, ist auch besagtes Motiv von 2001 ausgestellt, auf dem eine Gruppe von Menschen am Ufer von Williamsburg vor der Skyline Manhattans beisammensitzen, während im Hintergrund die Türme des World Trade Centers brennen. Thomas Höpker, am Abend zugegen, erzählte mittels eines Conférenciers aus seinem Leben. Man sprach über das Motiv vom 11.September vor 14 Jahren - dies hatte Höpker tatsächlich erst vier Jahre später veröffentlicht - und darüber, dass die auf dem Foto abgebildete Gruppe sich daraufhin einer gewaltigen Hetzkampagne ausgesetzt sah.

Laut der öffentlichen Meinung schienen die abgebildeten Menschen nämlich zu entspannt, unbeteiligt oder sogar hämisch zu wirken, was diese im Laufe der Zeit mittels vereinzelter Statements zu widerlegen bzw. zu erklären versucht hatten.Daraufhin brachte der Interviewer das Thema auf die Macht der Bilder, indem er einen Bogen zum aktuellen Weltgeschehen schlug und das Foto des kleinen Ailan erwähnte, das weltweit zum Symbol der Flüchtlingskatastrophe geworden ist. Und dann kam es zu der - mich erstaunenden - Tatsache, dass, der Fotograf Thomas Höpker, besagte Abbildung gar nicht kannte.

Verständlicherweise sah der Interviewer sich nun gezwungen, besagtes Foto - das ich, seit ich es zum ersten Mal gesehen hatte, vergeblich versuchte zu vergessen - in allen Einzelheiten zu beschreiben ...
 
Um dann die Frage zu stellen:

»Hättest du auch abgedrückt?«
 
»Ja, natürlich hätte ich erst mal abgedrückt, was man letztendlich dann mit dem Motiv  macht, ist eine andere Frage«, antwortete Thomas Höpker.
 
Daraufhin sahen der weltbeste Mann, die üblichen »Freitags-Verdächtigen« und ich, uns besagte Ausstellung an - die mir gefallen hat.

Trotzdem fühlte ich mich seltsam verstimmt. Ich ertappte mich dabei, beim Betrachten der Bilder die meiste Zeit nur über eine einzige Frage nachzugrübeln. Diese schien mich in der Gesamtbetrachtung des Künstlers dann auch irgendwie »abzuturnen«:
 
Wieso kennt ein Fotograf dieses Bild nicht?
 
Ab und an blickte ich zu dem sympathisch wirkenden Fotografen, schmunzelte über die ein oder andere Skurrilität seiner Motive - und trotzdem, die Frage ließ mich nicht los. Nun könnte man natürlich sagen, dass es in den letzten Wochen (leider) eine regelrechte Flut an Fotos gegeben hatte, die einem unter die Haut und ans Herz gegangen waren. Da könnte man - so unglücklich formuliert das auch klingen mag - möglicherweise den Überblick verlieren ...
 
Im weiteren Verlauf des Abends, mittlerweile hatten wir einen Ortswechsel vollzogen und uns alle an einer uns vertrauten Theke wiedergefunden, brandete das Thema unter uns dann »laut gedacht« auf:
 
»Aber er lebt doch seit vielen Jahren bereits in Amerika, vielleicht deshalb?«
 
»Das ist doch kein Argument! Dieses Bild - von dem ich übrigens selbst wünschte, ich hätte es nicht gesehen - ging doch um die Welt!«
 
»Jetzt ist er aber auch schon 79 Jahre alt ...«
 
»Also bitte ... das ist ja nun wirklich kein Argument! Ich kenne Menschen in diesem Alter, die sind aber so was von informiert!
 
»Ja. Aber das Bild war, denke ich, nur online zu sehen. Die "seriösen" Zeitungen haben sich geweigert, es abzudrucken. Zumindest das Foto, auf dem Ailan alleine am Strand liegend zu sehen war.«
 
»Ah, okay. Darüber kann man mal nachdenken, dass ältere Menschen möglicherweise Nachrichten nicht grundsätzlich auch online konsumieren. Aber trotzdem - wenngleich auch ohne Bilder - haben die Zeitungen sich mit Ailan Kurdi beschäftigt. Dieses Bild hat bei einigen Menschen das Bewusstsein für die Flüchtlingssituation überhaupt erst geschürt, wenn nicht sogar verändert. Von einem Fotografen mit solch einem Background erwarte ich unterbewusst schon, dass er um einen solchen Umstand weiß. Er war früher in Afrika und hat das Sterben dokumentiert. Aktuell stellt er aus, ist demnach also noch mitten im Tagesgeschäft, oder?«
 
»Ich bin der Meinung, es wird eh zu viel gezeigt, zu schamlos draufgehalten. Das wäre nicht immer nötig, wenn überhaupt.«
 
»Genau! Wenn ich Nachrichten online über Newsreader lese - ohne Bilder - bin ich genauso gut informiert. Ich brauche nicht immer ein Bild, um mir vorstellen zu können, was da gerade passiert ist.«
 
»Hhhhmm, manche Bilder erreichen die Menschen aber möglicherweise direkter und schneller als ein geschriebener Text.«

»Im Falle der ungarischen Kamerafrau jedoch, die ein Flüchtlingskind getreten und einem Vater mit Kind ein Bein gestellt hatte, war es natürlich wiederum gut, dass jemand draufgehalten hat.«

»Hat diese Frau nicht erzählt, sie hätte sich von der Masse bedroht gefühlt?« 

(Empörung)

»Ich bitte dich, der Nachrichtensender N1TV, für den sie gearbeitet hat, soll einer ausländerfeindlichen Partei nahestehen,und verbreitet deren rechtsradikales Gedankengut!«

»So oder so werden wir von den Medien grundsätzlich manipuliert.«
 
»Selbst wenn man es in den online Nachrichten aber sogar noch geschafft hat zu selektieren, dann wird man beim unbedarften Runterscrollen in den sozialen Medien möglicherweise doch noch eiskalt erwischt.Schwierig.«

»Vielleicht ist Europa in Amerika einfach zu weit weg ...«

»Als Fotograf agiert man als Zeitzeuge, man bildet Geschichte ab.«

»Ja. Wieso kennt ein Fotograf dann dieses Bild nicht?«

»Man kann ... und muss wohl nicht jedes Foto auf dieser Welt kennen ...«
 
Auf dem Nachhauseweg, der weltbeste Mann kutschierte uns gemächlich durch die Lichter der Nacht, dachte ich darüber nach, wie gerne ich selbst fotografiere. Manchmal kann ich einfach nicht anders als einen Moment digital festzuhalten. Dann, während wir gemütlich auf eine rote Ampel zurollten, spürte ich aus den Augenwinkeln heraus plötzlich eine Art Verdunkelung zu meiner rechten. Irritiert schnellte mein Kopf zur Seite, da wurde der weltbeste Mann bereits von Lachen geschüttelt. Und noch während ich dachte, meinen Augen nicht trauen zu können, kramte ich bereits in meiner Tasche, entsperrte mein Handy und schoss ein Foto - ich konnte einfach nicht anders. Ein Foto, das man nicht kennen muss. So unscharf und perfekt »gestellt«, dass ich mit der Veröffentlichung wohl niemandem zu nahe trete. In seiner Gesamtkomposition jedoch irgendwie perfekt und einmalig ... Berlin by night!
 
Zoom in ... if you dare! ;-)
 
Schlafen Sie gut!
 
Ihre 

Jana Hora-Goosmann





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