Mit sich selbst verbringt man bekanntlich ja die meiste Zeit im Leben. Man sollte also meinen, sich im Laufe der Jahre eigentlich gut mit der eigenen Persönlichkeit auszukennen. Vor ein paar Wochen jedoch, habe ich auf meine alten Tage eine wirklich belustigende Entdeckung an mir gemacht. Hinsichtlich der Frage, was mich im Leben wohl so glücklich macht, im Alltag. In meinem Fall war es eine Situation vor ein paar Wochen, als eine liebe Freundin bei uns übernachtete und mich um ein paar dicke Socken bat. Scheinbar hatte ich seit Anfang dieses Jahres wohl nur auf diese Gelegenheit gewartet. Mit stolzgeschwellter Brust bat ich unseren Logiergast, mir doch bitte ins Schlafzimmer zu folgen. Dort angekommen, öffnete ich umgehend eine Schublade unserer Kommode. »Mein Sockenfach. Geil, was? Such dir was aus«, rief ich, irgendwie schon ein klein wenig irre, aus. Und unser Besuch kam aus dem Staunen gar nicht raus. Mit belegter Stimme raunte sie mir irgendwann - fast schon ehrfürchtig, wie ich meinte - zu:
»WOW. Angeberin«.
Wer hat, der kann, dachte ich nur und starrte weiterhin mit glänzenden Augen in eins meiner perfekt sortierten Sockenfächer. Jedes einzelne Paar zum kleinen Päckchen gefaltet und hochkant aufgestellt. Herrlich. Manchmal braucht man zum Glück eben nur ein aufgeräumtes Socken- oder Unterwäsche Fach.
Meine Slips habe ich Anfang des Jahres übrigens ebenfalls sortiert, nach Form und Material unterteilt, natürlich ebenfalls hochkant aufgestellt. Phantastischerweise sieht man so gleich alles auf einen Blick! Unfassbar, wie praktisch das ist! Davor ... erscheint mir meine Welt nun irgendwie "trist und anstrengend" gewesen zu sein. Wer meinen Trötgedanken gelesen hat, in dem ich mich letztes Jahr als hoffnungslose Honk-Reisende geoutet hatte, wird jetzt womöglich erleichtert aufatmen. Doch noch nicht Hopfen und Malz verloren? Womöglich wirkt sich die neue Ordnung nämlich langfristig wohlwollend auf mein Kofferpacken aus. BÄM. Nun gut, ein großes Fach gibt es noch ... wo sich in einem kreativen Allerlei die Art von Unterwäsche tummelt, nicht größer als ein kleines Fähnchen. Zu wenig "Substanz", um hochkant aufgestellt zu bleiben.
Nicht, dass ich bis Anfang dieses Jahres schlampig gewesen wäre, das nicht! Ein wenig chaotisch womöglich, grundsätzlich jedoch gut organisiert. Und mein Spitzname, den ich mir mal selbst gegeben habe, lautet ja auch:
Die reinliche Rheinische!
Anfang dieses Jahres dann, kurz nach den Feiertagen, war es deshalb mal wieder soweit, der Schrank musste (endlich) mal wieder aufgeräumt werden. Da mir so etwas trotz guten Willens jedoch immer etwas langweilig erscheint, lasse ich dabei zur Berieselung gerne etwas im Hintergrund laufen. Oder lerne über Kopfhörer Text, den ich mir vorher auf mein Handy gesprochen habe. Anfang dieses Jahres bin ich dann bei der, zu dem Zeitpunkt brandneu erschienenen, Aufräum Doku von Marie Kondo hängen geblieben. Ich ließ es im Hintergrund laufen und ertappte mich dabei, dass ich immer öfter hinschaute. Ich werde Mari Kondos "Thesen" hier bestimmt jetzt nicht (auch noch) aufzählen, da sie seit geraumer Zeit ja wirklich in aller Munde ist. Tatsächlich ist sie auch nicht die Erste, die sich diesem Thema hauptberuflich und gerade sehr erfolgreich verschrieben hat. Aber sie scheint wohl genau zur richtigen Zeit einen (wichtigen) Nerv getroffen zu haben. Und dann ... ihr Erscheinungsbild. Diese liebreizende, mädchenhafte Art. Spätestens ab der fünften Folge möchte man diesem zarten, stets perfekt gekleidetem Wesen, dann jedoch einfach nur mal kräftig durch die perfekt liegenden Haare wuscheln. Man sieht sich in der eigenen, vermeintlichen unperfekten Umgebung um und fragt sich, ob Marie Kondo wirklich ganze vierundzwanzig Stunden lang so durchs Leben schwebt. Ob sie womöglich irgendwann nicht mehr nur haucht, die Stimmlage artig gesenkt. Irgendwann, gezwungenermaßen wie ich finde, stellt man sich dann vor, wie diese bezaubernde Japanerin sich in ihren eigenen vier Wänden die Ballerinas von den Füßchen kickt, und mit einer plötzlich zwei Oktaven tieferen Stimme zu ihrem Mann sagt: »Ich geh jetzt erst mal eine Runde kacken!«
Ein bisschen Spaß muss sein.
Falls Sie Marie Kondo tatsächlich noch nicht in bewegten Bildern erlebt haben sollten, dann holen Sie das nun wohl nach. Jedenfalls hat Marie Kondo mich tatsächlich dazu gebracht, mein Sockenfach völlig auf den Kopf bzw. Hochkant zu stellen, Kleidungsstücke zu rollen oder zumindest überaus pfleglich zusammenzulegen.
Nicht, dass ich vorher unglücklicher - und nun ein wenig glücklicher wäre. Aber ich muss tatsächlich zugeben, dass es schon ein klein wenig magisch ist, meine neue Ordnung. Diese herrscht mittlerweile auch Sockenfach übergreifend vor. Was laut Marie Kondo keine Freude mehr entfacht, fliegt (endlich) raus. Natürlich habe ich schon noch so eine Art Übergangsfach, wo ich nach wie vor ein paar Kleidungsstücke zwischenlagere. Bis ich endgültig entscheide, ob sie wirklich keine "Freude mehr entfachen". Das ist ein wenig so wie mit diesem Endlos-Brexit. Eine Seite sagt, dass es nun wirklich allerhöchste Zeit sei und das Teil nun unbedingt raus muss, während die andere Seite (noch) dagegen ist. Was, wenn das Teil in ein paar Monaten plötzlich wieder in Mode käme? Das kennen wir doch alle, dass in der Mode alle zwanzig Jahre alles wieder zurückkommt. Da will man doch nicht kurz vor Schluss, also zum Beispiel im Jahr 19, aufgeben!
Wie heißt es jedoch so schön? Ordnung ist das halbe Leben!
Während ich diese Zeilen schreibe, glaube ich plötzlich zu wissen, wieso gerade Marie Kondo, aktuell solch einen Hype ausgelöst hat. In den heutigen Zeiten des Übermaßes und Überflusses nämlich, der in der Handlungskette ja immer auch auf Kosten anderer geht, kommt plötzlich dieses Feenwesen daher und besteht darauf, dass man, wenn man sich von einem Kleidungsstück trennt, sich für die gemeinsame Zeit bedanken soll. Bevor man das tut, nimmt man mit dem Kleidungsstück oder was auch immer innerlich Kontakt auf, horcht in sich hinein und fragt sich, ob diese Teil (überhaupt) noch Freude in einem entfacht? Tatsächlich nimmt man ihr das ab, der Japanerin. Denn man weiß ja, zumindest grob, um die japanische Philosophie. Beim Nachbarn um die Ecke, in meinem Fall womöglich ein Ur-Berliner, da würde man nach so einem Spruch eventuell schon mal kurz erwägen, den Notarzt zu rufen.
©jhg |
Womöglich ist es jedoch der pure Gedanke der Wertschätzung, den Marie Kondo damit in uns anspricht. Und auch die Freiheit sich zu fragen: Brauche ich das wirklich? Oder kann ich auch ohne (all) das leben? Nicht umsonst gibt es parallel dazu, bereits seit geraumer Zeit die "Minimalism Bewegung". Menschen, die sich als Wohnmöglichkeit zum Beispiel (nur) auf einen kleinen funktionalen Container runter reduzieren. Ich habe mal einen Bericht gesehen über diese zwei "Minimalism Typen", die mit ihrem Lebenskonzept und darüber verfasstem Buch, über ein Jahr lang auf Lesereise gegangen sind. Als ich gesehen habe, was einer von beiden für die ganze Zeit im Koffer hatte, ist der "Honky" in mir schier ohnmächtig geworden!
Weniger ist mehr.
Sag ich ja auch immer, solange es nicht gerade ums Packen geht ;-).
Was entfacht denn in Ihrem Leben Freude? Wovon sollten Sie sich womöglich besser verabschieden?
Ich bin der Meinung, bevor die großen Dinge einen glücklich machen, sollte man den Blick nicht für die kleinen Glücksgefühle verlieren. In meinem Fall: Ein perfekt organisiertes Sockenfach.
Einfach nur geil.
Schlafen Sie gut.
Ihre Jana Hora-Goosmann
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