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Freitag, 1. Mai 2020

Nr. 196 Corona Storys "Luisa lässt die Welt herein"



So war das schon immer gewesen, mit Luisa. Von Kindesbeinen an, war sie lieber alleine gewesen, als unter Menschen. Sobald es ihr möglich war, hatte sie sich seit jeher hinter einem schweren Buchdeckel verkrochen, um in die Abenteuerwelt des jeweiligen Romans einzutauchen. Dass sie viele Jahre später dann Lektorin geworden war, rief deshalb allseits nur ein müdes Achselzucken hervor. Nicht, dass Luisa einsam gewesen wäre, mitnichten. Im Land der Poesie und Abenteuer lebte sie nämlich unzählige Leben, traf die interessantesten oder auch wundersamsten Weggefährten und erlebte die schönsten Liebesgeschichten oder auch skurrilsten Dinge. Im wahren Leben jedoch, verhielt Luisa sich hochgradig asozial, wollte man ihrer Mutter, einer Psychologin, Glauben schenken. Diese hatte sich schon vor vielen Jahren abgewöhnt, den Kopf über ihre seltsam geratene Tochter zu schütteln, und beließ es seitdem bei einem, wenngleich auch aus tiefstem Herzen kommenden, resignierten Seufzer. Vor ein paar Wochen dann, nachdem das Leben der meisten Menschen in die Corona Quarantäne gezwungen worden war, verfiel Luisas Mutter dann vollends dem Sarkasmus. »Schade, dann kannst du uns diesen Monat ja gar nicht besuchen«, sagte sie, mit leicht schleppender Zunge, während Luisas Vater im Hintergrund in wieherndes Lachen verfallen war. »Ach, warte mal, das hattest du eh nicht vorgehabt, Schatz, oder?«, hatte nun auch Luisas Mutter losgeprustet. »Na, ist mal wieder Gin Tonic Zeit?«, entgegnete Luisa daraufhin murmelnd und rührte mit einem Löffel im Milchschaum einer monströsen Milchkaffee Tasse. »Jetzt hab dich mal nicht so, Schatz, es ist Wochenende, und ab heute dauert das die ganzen nächsten Wochen«, gluckste ihre Mutter weiter vor sich hin, fast klang es schon wie eine Art Schluckauf, während Luisa am anderen Ende der Leitung das gefrorene Eis in den Gläsern klimpern hörte. Wie schon gesagt, das war vor ein paar Wochen gewesen. Und während Luisas Mitmenschen im Laufe der Zeit scheinbar immer gereizter auf den Lockdown zu reagieren schienen, fühlte Luisa sich von Tag zu Tag besser, regelrecht blendend. Zum ersten Mal in Luisas Leben nämlich, musste sie sich nicht dafür entschuldigen, dass sie sich lieber zu Hause und in ihrer ganz eigenen Welt verkroch. Fürs ungeübte Auge zählte sie neuerdings sogar zur absolut vorbildlich handelnden Bevölkerungsschicht, im Kampf gegen das Virus und zum Schutz der gefährdeten Gruppen. Nichtsdestotrotz hatte natürlich auch Luisa nicht die geringste Lust, sich mit Covid-19 anzustecken, sodass, wenn sie dann doch mal zum Einkaufen das Haus verlassen musste, es schon mal ein größeres Unterfangen werden konnte. Sobald sie nämlich in voller Montur mit Handschuhen, Brille und Mundschutz nach dem Einkauf wieder die Wohnung betrat, stoppte sie vor einer imaginären Dekontaminierungs- Schranke, indem sie erst die Schuhe abstreifte und dann die Handschuhe, woraufhin sie erst mal barfuß ins Bad tapste, um sich zum ersten von vielen weiteren Malen, die Hände zu waschen. Das tat sie dann äußerst akribisch, ganz so wie der Protagonist des neuen Manuskripts, das sie gerade lektorierte, und was die Romanfigur vor einer Giftattacke gerettet hatte. Bewaffnet mit Desinfektionstüchern tapste Luisa anschließend wieder zurück in den Flur, um nun alle Einkäufe, die Einkaufstaschen und auch ihre Schuhsohlen damit abzureiben. Danach ging es erneut ins Bad, wo sie sich aufs Neue die Hände wusch, inklusive dem Haustürschlüssel, den sie ebenso akribisch einseifte und abrieb. Entgegen der landläufigen Empfehlung während des Händewaschens zweimal HAPPY BIRTHDAY zu denken, sang Luisa in Gedanken lieber zweimal den Refrain des Liedes SPIEL NICHT MIT DEN SCHMUDDELKINDERN. Sie wusste auch nicht weshalb. Ihre Mutter hätte auf diese Frage höchstwahrscheinlich geantwortet, dass sie als Mutter jetzt wohl daran bestimmt auch noch schuld sei, dachte Luisa grinsend. Für eine Psychologin war ihre Mutter einfach erschreckend schnell zu durchschauen, was das Miteinander oftmals zu einem langwierig zermürbenden Kampf machte.

Trotz der Quarantäne konnte Luisa ihrem Beruf nachgehen, denn Texte zu redigieren oder ausländische Bücher für den deutschen Buchmarkt zu entdecken, das konnte sie auch von zu Hause aus. Und Video Konferenzen lagen ihr, denn es machte Spaß, sich an Tagen, an denen sie mal nicht einkaufen gehen musste, wenigstens für eine Stunde des Tages zurechtzumachen und so zu tun, als würde man gleich noch etwas wahnsinnig Wichtiges vorhaben, selbst in diesen Zeiten. Als würde man sich im Anschluss an das Gespräch nicht sofort wieder die Schminke abwaschen, die frisch ondulierten Haare zu einem Dutt hochbinden und das elegant-sportliche Kleid nicht gegen eine zerschlissene Jogginghose tauschen. Zuvor würde Luisa jedoch stets noch mal auf den Balkon heraustreten, um sich eine Zigarette mit Zigarettenspitze anzustecken. Eine pro Tag. Ein mildes Laster, dem sie in diesen Zeiten noch weitaus verlässlicher frönte, zumal sie auf diese Weise den neugierigen Nachbarn signalisierte, dass sie sich nicht gehen ließ, schon gar nicht jetzt. Dass sie zwar zurückgezogen aber auch irgendwie geheimnisvoll lebte, und es demnach bei ihr womöglich etwas zu entdecken, gar herauszufinden galt, was jedoch
niemand jemals herauszufinden wagen würde. Außerdem fühlte sie sich dann wie eine Protagonistin in Dorothy Parkers NEW YORKER GESCHICHTEN. Ein Buch mit Kurzgeschichten, das Luisa natürlich nicht lektoriert hatte, denn damals war sie noch weit davon entfernt gewesen, das Licht der Welt zu erblicken. So malte sie sich jedoch aus, wie es womöglich gewesen wäre, auf einer der legendären Cocktailpartys von damals zu stehen, von Dorothy Parker so virtuos mit »Noch ein Drink, und ich lieg unter dem Gastgeber«, beschrieben. Manchmal fragte Luisa sich auch, wie Dorothy Parker wohl in dieser oder jener Situation reagieren würde. Immer wenn sie es sich vornahm und die Augen schloss, dann meinte Luisa die Fähigkeit zu besitzen, in andere Leben zu schlüpfen. Und manchmal dachte sie deren Leben einfach weiter. Zuweilen sah sie auch die Protagonisten all ihrer Lieblingsbücher einander im unerhörten Genre Mix begegnen und somit völlig neue Abenteuer erleben. Nachdem die Zigarette jedoch geraucht war, igelte Luisa sich ganz selbstverständlich wieder ein, in die wohlig warme Höhle ihrer schwarz auf weiß geschrieben Bücher.

Vor ein paar Jahren, da war Luisas Leben für ein paar Monate mal anders gewesen. Eine in der Magengrube entfachte Leichtigkeit von abertausenden Schmetterlingen, so hatte sich das Leben damals plötzlich angefühlt. Ein Mann, der Luisas Romanhelden von Habitus und Erscheinungsbild erschreckend nahe gekommen war, hatte einfach nicht aufgeben wollen, Luisa zu umwerben. Bis Luisa schließlich nachgegeben hatte, sich fast schon regelrecht unterwarf, wie ein verletztes Wild. Woraufhin er, alsbald und von einem Tag auf den anderen, das Interesse an ihr verloren hatte. Der Klassiker, hatte Luisas Mutter damals sofort empört gemurmelt und ihre Hilfe angeboten. Vergeblich natürlich. »Ich kenne dich zu gut, Mama, bring erst mal dein eigenes Leben in Ordnung«, hatte sie erwidert und aufgelegt. Daraufhin hatte sich Luisa erst mal, so schlimm hatte es tatsächlich um ihr gekränktes Herz gestanden, keinen Roman zuführen können. Die Nahrung, die sie seit Kindesbeinen an innerlich gewärmt und satt gemacht hatte, war plötzlich zu einer seltsamen Bedrohung geworden. Bei jeder amourösen Annäherung in einem Roman war ihr daher so gewesen, als würden die Buchstaben sich plötzlich zu einer, alles um sich herum verschlingenden, dunklen Kugel formieren, die irgendwann verlässlich anfing, Luisa zu beleidigen: DU WIRST NIE MIT JEMANDEM GLÜCKLICH WERDEN. DU HAST ALLES VERWIRKT. HEUL DOCH. Aber glücklicherweise schien die Zeit tatsächlich Wunden heilen zu können und irgendwann, nachdem Luisa sich im Verlag eine Zeit lang nur mit Büchern über Gartenbau und Kochen für Anfänger beschäftigt hatte, war die Enttäuschung sukzessive einer neuen Zuversicht gewichen, sodass sie sich, nicht nur beruflich, wieder der Belletristik zugewandt hatte.

Aber wie schon gesagt, das war schon viele Bücherherbste her. Heutzutage, inmitten der Corona Krise, dachte Luisa nur noch sehr selten an diese Zeit zurück. Damals hatte sie sich noch in manch dunkler Stunde geschworen, sich irgendwann, stellvertretend für ihr gebrochenes Herz, an einem anderen Herzen zu rächen. Wenn sie heute wieder öfter an diese Phase ihres Lebens zurückdachte, dann mochte das wohl nur an ihrem neuen Nachbarn liegen. Ein Schwerenöter par excellence, aufgeregtes Frauengekicher zu vorgerückter Stunde inklusive. Immer wenn Luisa ihre tägliche Zigarette auf dem Balkon zelebrierte, stand der Neue plötzlich verlässlich ebenfalls da, lässig grüßend. Seine Balkontür schien zu jeder Tages und Nachtzeit geöffnet zu sein, was das Mitanhören diverser Kommunikation, ob nun verbal oder körperlich, fast schon regelrecht zwingend mit sich zog. Und auch heute schien er sich gerade wieder von einem weiblichen Gast im Flur zu verabschieden, Social Distancing schien für ihn wohl nicht zu gelten, sodass Luisa einem ungewohnt frechen Impuls standhalten musste, nicht plötzlich irgendetwas in den Flur hinaus zu schreien. Selbstredend, dass sie das unterließ, dazu war sie dann eben doch nicht asozial genug. Sie hörte eine Haustür mit Karacho ins Schloss fallen und irgendwann aufgeregtes Gemurmel, bis schließlich, schrill und weiblich spitz, ARSCHLOCH durch den Korridor hallte. Unmerklich hatte Luisa daraufhin genickt und gegrinst, dann war sie zum Sofa geschlendert und hatte sich in die dicken Kissen fallen lassen. Wie schon so oft dankte sie wem auch immer dafür, dass sie fürs Lesen tatsächlich auch noch Geld bekam, für ihren guten Riecher bezüglich neuer Stoffe, einfach für ihr Leben, das ihr, in diesem einen Moment so unverhofft perfekt wie selten vorkam. Sie nahm sich einen dicken Wälzer vom Stapel und steckte die Nase ins aufgeklappte Buch, nahm einen tiefen Atemzug Papieraroma und Druckerschwärze, als es, sachte aber auch irgendwie fordernd, plötzlich an ihrer Tür klopfte. Luisa hielt erschrocken die Luft an und starrte ungläubig zu ihrer Wohnungstür, als wäre noch nie jemand anderer als nur sie selbst, durch diese Tür hineingekommen. Da klopfte es erneut.

»Hey, Nachbarin, ich weiß, du bist da ... sorry, könntest du bitte mal öffnen?«, hörte Luisa nun die Stimme ihres Nachbarn, eine Mischung aus Flüstern und verzweifeltem Bitten, jedenfalls etwas, worauf sie so überhaupt nicht vorbereitet war. »BITTE!«, vernahm sie nun den Menschen, der ihr in den letzten Monaten so manch eine geruhsame Nacht vermiest hatte, mit Lärm diverser Art. »Moment!«, war Luisa mehr aus Reflex vom Sofa aufgesprungen und ein paar Schritte gegangen. Als sie kurz an sich hinunter sah, wurde ihr unangenehm bewusst, dass sie bereits in ihrem verschlissenen Hausanzug steckte, sodass sie abrupt stehen blieb. »Es ist dringend, bitte!«, hörte sie ihren Nachbarn nun flehen. Kurze Zeit später blickte Luisa durch den Spion und erschrak. Bis auf Boxershorts schien ihr Nachbar nämlich ansonsten nackt vor ihrer Haustür zu stehen.
»Ähm ... Social Distancing? Was soll das?«, stotterte Luisa deshalb durch die geschlossene Tür. »Ich weiß, aber ... ich hab mich ausgeschlossen und dachte, ich könnte mal schnell von deinem Balkon auf meinen Balkon klettern. Bitte, geht das?«, ratterte Luisas Nachbar hastig runter und schien zu frieren, da er sich mit beiden Händen über die Oberarme rieb. »Ist nicht dein Ernst, oder?«, nichts anderes war ihr zu entgegnen eingefallen, noch immer durch den Spion starrend. »Machst du jetzt auf oder nicht? Ich krieg doch in dieser Kack-Corona-Krise niemals einen Schlüsseldienst und überhaupt, ich trag ja auch kein Handy bei mir, also bitte!« Luisa hatte sich auf die Zehenspitzen stellen müssen um durch zu den Spion zu spinksen, sodass sie ihre Fersen in den dicken Socken nun wieder zurück auf den Boden fallen ließ. »Bist wohl kein Menschenfreund«, murmelte der Nachbar nun, was Luisa für einen Moment wütend machte. »Moment«, rief sie deshalb und wandte sich schnaubend von der Tür ab um in die Küche zu stapfen, wo sie sofort diverse Küchenschränke öffnete und Dinge an sich nahm. Als sie wenige Augenblicke später ihre Wohnungstür aufschloss, hielt sie zwei Plastiktüten, zwei Einmalhandschuhe und ein Stück Küchenrolle in der Hand. »Anderthalb Meter Abstand, du ziehst diese Einmalhandschuhe an, stülpst dir jeweils eine Plastiktüte über den Fuß und klebst das Tape drum, dann hältst du dir das Papier vor Mund und Nase, du fasst hier nichts an und durchquerst zügig meine Wohnung, alles klar?«, stieß sie atemlos durch ihren, zwischendurch schnell noch angelegten Mundschutz hindurch.
»Ist nicht dein Ernst, oder?«
»Doch lieber Schlüsseldienst?«, klang Luisas Ton provokant, während sie widerwillig zugeben musste, dass der Körper ihres Nachbarn unfassbar durchtrainiert war.
»Also, hopp oder top?«, murmelte Luisa.
»Gib schon her«, seufzte der Nachbar und Luisa schmiss ihm die Sachen vor die Füße. »Klopf, wenn du fertig bist«, sagte sie und schloss die Tür, was ihrem Nachbarn ein genervtes Gemurmel entlockte, das sie nicht verstand. An die Tür gelehnt konnte sie sich das Grinsen nun nicht mehr verkneifen, es war wie in dem letzten Romanmanuskript, das sie lektoriert hatte. Nur war es da um so eine Art Alien gegangen, also ungefähr eine ähnliche Begegnung wie mit einem Nachbarn, oder? Nachdem es irgendwann erneut an der Tür klopfte, öffnete sie alsbald und hielt nun ein Desinfektionsspray in der Hand, das sie wie eine gefährliche Waffe auf den Mann richtete, der gerade mit Plastiktüten an den Füßen in ihre Wohnung schlurfte. »Ganz knusper bist du aber nicht, oder?«, murmelte er durch das Stück Papier, das er sich, wie von Luisa gewünscht, vor Mund und Nase hielt. »Schon mal was von Corona gehört? Pandemie, Ansteckungsgefahr, Todesfälle ...«, sagte Luisa und schloss schnell die Tür. »Ja, ist schon klar, jeder wie er meint«, entgegnete er, weiter durch den Raum schlurfend. »So viel Besuch wie du trotz der Quarantäne bekommst, da weiß man ja nie«, rief Luisa ihm in den nackten Rücken, was er nur mit einem Kopfschütteln quittierte. Und dann plötzlich ... war es passiert. Aus heiterem Himmel war er mit seinen in Plastiktüten gehüllten Füßen ausgerutscht, ungestüm wie auf einer frisch vereisten Straße. Das Tuch vor seinem Mund war ihm aus der behandschuhten Hand auf den Boden gefallen, kurz bevor sein Rücken und Kopf auf dem Boden aufgeschlagen waren,
deutlich hörbar. Und während sich daraufhin eine unfassbare Stille über die Szenerie legte, konnte Luisa nur denken, wie sie den Boden und womöglich noch vieles andere, jemals dekontaminiert und wieder septisch rein bekäme. Dann war ihr plötzlich die Fußbutter vom Vorabend wieder eingefallen, die sie vor dem Zubettgehen einmassiert und anschließend, mit blanken cremigen Füßen, noch mal das Wohnzimmer durchquert hatte. »Scheiße, meine Bandscheibe«, stöhnte Luisas Nachbar nun vor Schmerz auf. »Was heißt das ... also ... alles okay? Aber kannst du jetzt nicht aufstehen, oder wie?«, stammelte Luisa und trippelte einmal im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand um ihn herum, erleichtert und wieder nicht. »Sieht erst mal so aus, ja. Ich kenn das schon, leider«, zischte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. Luisa, die zuvor noch hellwach und in Aufruhr gewesen war, verspürte plötzlich eine bleierne Müdigkeit. Sie starrte auf die Silhouette ihres am Boden liegenden Nachbarn und zeichnete in Gedanken mit Kreide dessen Umrisse nach, wie bei der Leiche in dem Text für einen Krimi, den sie erst letztes Jahr lektoriert hatte. Sie lief ins Bad und griff im Stapel Handtücher nach dem ältesten das sie besaß, fest entschlossen, es sofort wegzuschmeißen, wenn all dies hier beendet sein würde. Zurück im Wohnzimmer legte sie es über den Nachbarn wie eine zu dünn geratene Decke, während dieser angestrengt nach Luft schnappte, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Für einen winzigen Moment war sie plötzlich amüsiert, wie ausgeliefert der Nachbar ihr nun war. Da fiel Luisa mal wieder ein Roman ein, dessen Manuskript sie leider auch nicht lektoriert hatte: MISERY.

»Wo wir schon mal so unverhofft zusammengekommen sind, wie heißt du eigentlich?«, klang Luisas Stimme durch den Mundschutz wie durch Watte, irgendwie gedämpft. Sie war froh um die offene Balkontür, damit ein mögliches Virus in Richtung frischer Luft auf den Balkon entweichen könnte. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

»Paul«, schaffte er gerade so, zu antworten.

»Was für ein Zufall ...«, antwortete Luisa und schloss die Augen. Und plötzlich meinte sie, sich ganz genau so zu fühlen wie Annie es getan haben musste, in MISERY.

»Mal sehen, was ich für dich tun kann«, sagte sie nun leise, und konnte plötzlich nur noch drei Worte denken: HERZ FÜR HERZ.

ENDE.


Schlafen Sie gut ... und bleiben Sie gesund!

Ihre



Jana Hora-Goosmann



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