Letzten Donnerstag klingelte es an unserer Tür, und als ich öffnete, stand unsere Nachbarin vor mir.
Monica, eine
zugereiste Amerikanerin, und die andere Hälfte des herzerfrischenden WG-Duos vom
Flur gegenüber, lächelte verschmitzt.
"Happy
Katie Fisher Day", sagte sie, und streckte mir eine Dose entgegen.
„Selbst gebacken“,
strahlte sie unverwandt weiter.
Ich musste an
Cathy Fischer denken, Sie wissen schon, die Verlobte von Mats Hummels, dem Fußballer, und deshalb
wusste ich spontan nicht so recht, was ich denn nun (auch) noch von einem „Happy
Cathy Fischer Day“ zu halten hatte ...
Als Monica meinen
erfreuten aber auch etwas verständnislosen Blick sah, klärte sie mich sogleich auf:
„Katie Fisher war über viele Jahre hinweg
meine beste Freundin, und eine Zeit lang haben wir in Baltimore auch zusammengelebt."
„Aaaahhh ...!“ entfuhr es mir, und schon wich meine kurzzeitige Erleichterung der
Neugierde.
Und während ich nun
die mit einer Schleife verzierte Kaffeedose an mich nahm, sprudelte es aus
Monica auch schon heraus:
"Katie
war eine Seele von einem Mensch! Irgendwie hat sie es tatsächlich immer geschafft,
den Menschen in ihrer Umgebung ein gutes Gefühl zu geben ...“
„Sie war ...?“,
warf ich zaghaft ein, und Monica nickte.
„Katie ist im
Juni 2010 bei einem Verkehrsunfall gestorben, da war sie 24 Jahre alt!“
Bestürzt
starrte ich einen Moment lang in Monicas große Augen und dann auf die Dose in
meiner Hand.
Ich hob den Blick
und fragte mich, inwieweit dieser viel zu frühe Tod denn nun wohl mit den
selbst gebackenen Keksen zusammenhing.
„Katie hatte
schon immer ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Bruder Matt“, sprach
Monica weiter, „ ... und als dieser irgendwann auszog, um am College zu
studieren, da schickte Katie ihrem großen Bruder vier Jahre lang jedes
Wochenende selbst gebackene Kekse! Matt nannte sie auch Glückskekse, und Katie
hat tatsächlich kein einziges Wochenende versäumt, mit ihren Plätzchen ein
Lächeln auf die Lippen ihres Bruders zu zaubern.
Am 19. Juni 2010
dann - Katie hatte zuvor an einem Baltimore Stadt-Lauf teilgenommen, und befand
sich gerade auf dem Weg durch die Stadt, um einem Freund beim Umzug zu helfen –
kam sie in ihrem Wagen um.“
Für einen
Moment schien es mir, als wollte ich in meinem Kopf eine Erklärung dafür
finden, was unwiederbringlich zu früh passiert war - und so sinnlos erschien.
„Der Fahrer
des anderen Wagens hatte eine rote Ampel überfahren“, erzählte mir Monica, und
ich nickte betroffen.
„Zwei Jahre
später in 2012“, fuhr sie fort, „reifte in Matt und seinen Freunden
schließlich der Gedanke heran, dass sie gerne einen Weg finden würden, sich jedes
Jahr auf eine besondere Art und Weise an Katie, ihr Mitgefühl, die Freude und
die Liebe, die sie den Menschen in ihrer Umgebung stets entgegengebracht hatte,
zu erinnern.“
Und so
ernannten sie den 12 März, Katies Geburtstag, zum Tag des Cookie–Sharings, kurzum:
„Katie Fisher
Day!“
"Und ... man zelebriert den Tag mit Keksen?", lächelte ich sie an.
"Ja, ganz genau!", erwiderte sie.
"Ja, ganz genau!", erwiderte sie.
„Man entscheidet sich für eine Person oder auch mehrere, denen man am 12. März gerne sagen würde, dass man an sie denkt, dass sie wichtig für einen sind, man sie liebt oder mag. Dann backt man Plätzchen, egal was für welche - und entweder verschickt man sie anschließend oder bringt sie persönlich vorbei.“
Bake. Send. Love.
Katie Fisher Day.
"Wow!"
entfuhr es mir, während ein Schwall Gänsehaut über meinen Körper huschte.
„Danke!“ flüsterte
ich, beugte mich zu ihr und wir umarmten uns.
„Mittlerweile
gibt es sogar schon eine ganze Katie Fisher Community!“ blitzten Monicas Augen
erneut fröhlich auf.
Meine Hände
umschlossen behutsam die Dose mit den Plätzchen, und nachdem wir noch ein paar
Minuten gesprochen hatten, kehrte ich schließlich alleine wieder in unsere
Küche zurück. Ich öffnete die Keksdose und entnahm einen saftigen, doppelten
Schokoladenkeks mit heller Cremefüllung. Während der Keks langsam anfing auf
meiner Zunge zu schmelzen, dachte ich an Katie Fisher.
Und ohne sie
jemals kennengelernt zu haben, fühlte ich mich ihr in diesem Moment seltsam
verbunden.
Was für ein
schöner Akt des Gedenkens, wie ich fand.
Und ich nahm mir
vor im nächsten Jahr zum 12. März hin Kekse zu backen und von Herzen weiter zu
geben.
Während ich weiter
so vor mich hin naschte – dabei ermahnte ich mich, dem weltbesten Mann
unbedingt die Hälfte der Kekse übrig zu lassen - dachte ich daran, was Monica
sonst noch gesagt hatte: Dass Katie sie motiviert hätte aktiv zu sein und das
Leben und die Jugend zu genießen ...
Tja, sofern wir gesund sind und erst mal
nichts darauf hindeutet, dass der Sensenmann vor der Tür steht ... philosophierte
ich vor mich hin - keiner von uns weiß, wann es für jeden Einzelnen vorbei sein
wird – unser Besuch auf diesem Planeten hier.
Ich dachte an die Familie von Katie und
auch an den Menschen, dem sie beim Umzug helfen wollte und dessen Umzugstag
somit irgendwie verflucht zu sein schien.
Aus eigener
Erfahrung kann ich sagen, dass der Nachhall existenzieller Erfahrungen, wie zum
Beispiel Tod im Familienkreis oder auch die Kenntnis einer bedrohlichen
Krankheit - glücklicherweise - nicht bis in alle Ewigkeiten anhalten.
Während eines
schweren Schicksalsschlages erlangt man gezwungenermaßen unerbittliche Klarheit
für die Proportionen des eigenen Lebens.
Man hatte sich
bis dato über Dieses oder Jenes geärgert? Unbedeutend.
Erschreckend
aber, wie die alltäglichen Banalitäten einen irgendwann wieder am Wickel haben.
Man ertappt sich dabei, dass man sich ja doch schon wieder über die
unfreundliche Bedienung im Café ärgert, zum Beispiel, oder noch überflüssiger, die
doch eigentlich längst schon lieb gewonnenen Marotten des Partners oder aber
auch, und das ist ja fast noch das Schlimmste ... man schafft es sogar sich selber
auf die Nerven zu gehen!
In solchen
Augenblicken fällt mir - nach all den Jahren – ab und an immer noch ein Nachbar
aus meiner Kölner Zeit ein.
Besagter
Nachbar litt bereits seit einigen Jahren an der Krankheit Mukoviszidose, was
ihn aber nicht minder aktiv scheinen ließ.
Er war ein
lustiger und freundlicher Mensch, dem ich ab und an auf einer Party im Haus
begegnet war, wo er sich - ohne zu urteilen- geschickt vom Raucherbereich fern
hielt. Stets hatte er Ziele, brachte sein Studium erfolgreich zu Ende, schickte
sich an zu arbeiten - und gab sich nicht auf. Zu diesem Zeitpunkt zog er aus und
wir verloren uns aus den Augen. Ich traute ihm einfach alles zu. Obwohl diese
Krankheit per se keine allzu hohe Lebenserwartung in sich birgt.
Irgendwann,
ein paar Jahre später, erfuhr ich durch Zufall und über ein paar Ecken, dass er
verstorben war.
Das traf mich,
tatsächlich sehr. Und irgendwie schämte ich mich fast ein wenig, dass ich mich
manchmal so anstellte, wie ich fand. Obwohl es Menschen gab, die mit der Härte
des eigenen Schicksals so unerbittlich „ignorant“ oder - zumindest nach außen
hin - so verdammt positiv umgingen.
Deshalb, wenn ich alle Jahre wieder mal plötzlich
an ihn denken muss, während mein eigenes Leben mir gerade irgendwie verworren,
kompliziert oder einfach nur anstrengend vorkommt - dann ermahne ich mich.
Auf Kölsch und in schönster Bläck-Fööss
Manier:
Stellll Disch nitte sooo aaaannnn .....!
(Aus dem Lied: Drink doch ene met) ;-)
Ja, ich weiß, Dialekte und ich ... ich
kann es (wohl tatsächlich) nicht – werde es aber trotzdem immer wieder
probieren! (Tröt-Archiv: Nr.19/ Von Dialekt bis Ohrwurm / 03.10.2014)
Während ich
diese Zeilen schreibe, veranstaltet der weltbeste Mann - oh Wunder – tatsächlich
und glücklicherweise noch kein Schnarch-Pust-Pfeifkonzert in e-Moll! Im Gegenteil.
Neugierig lugt er mir jetzt über die Schulter.
Er: "Was
meinst du denn DAMIT? Was denn für Marotten??"
Ich (grinst
ertappt): „Das war doch nur ein Beispiel!“
Er: „Was für
Marotten, hhmmmm? Und wo sind die Kekse?“
Ich: „Haha! Sehr witzig, wirklich ...“
Ich gab dem
weltbesten Mann einen Kuss und dachte an (die) Liebe, die bleibt und unsere
Erinnerungen erhellt, Menschen in unseren Herzen unsterblich werden lässt, uns
verzeihen lässt, heilt, Hoffnung gibt und beseelt, und ... puuuhhhh ... da ging
es neben mir dann auch schon wieder und altbewährt los, mit dem Schnarchen!
Wie machen Männer
das eigentlich? Das mit dem "Eins, Zwei, Drei und Weg-Schlaf?"
Und von wegen,
der Preis sei ein schlechter und extremst leichter Schlaf, wie der weltbeste
Mann, in solchen Momenten dann so was von überhaupt nicht müde, stets zu
behaupten pflegt!
Letztens hatte
ich neben ihm liegend und schon wirklich sehr spät am Abend sogar ein langes
Telefongespräch geführt. Glauben Sie etwa, der weltbeste Mann hätte auch nur
das kleinste Etwas mitbekommen? Wie geht so etwas?
OOOOooooohhhhhmmmmm
... hallte es nun flehentlich durch meinen Kopf, während ich versuchte mich
wieder auf mein Posting zu konzentrieren.
Aber da mein
Blog ja Trötgedanken heißt, und nicht so etwas wie „Buddhistische Gedanken aus
der Ruhe kommend“, ließ ich meinen Blick tapfer und auf der Suche nach
Inspiration durch unser Schlafzimmer schweifen.
Da fiel mir plötzlich
die Schauspielerin Teri Hatcher ein.
Diese hatte in
einem Interview nämlich mal gesagt, dass sie, wenn sie sich Sorgen machte,
nervös sei, Lampenfieber hätte oder sich einer Situation einfach nicht
gewachsen fühle, sich dann stets folgende Frage stellt:
Wäre dieses
Problem, dieser Umstand oder diese Situation auch dann noch rückblickend
wichtig für mich, wenn ich auf dem Totenbett liege und mein Leben Revue
passieren lasse?
Als ich das vor
längerer Zeit gelesen hatte, dachte ich erst mal ... puuuuhhh, was für eine
globalneurotische Denkweise und gleichzeitig irgendwie banal.
Aber der
Gedanke daran kehrte beharrlich und über längere Zeit zu mir zurück.
Und heute muss
ich sagen, ja! Wer will, der kann ... das tatsächlich so sehen.
Auf eine
skurrile Art und Weise hilft es, wenn
man mag, die Proportionen ein wenig zu richten.
Auf der anderen Seite ... für die eigenen
Gedanken verantwortlich zu sein, ist ja die eine Sache.
Heutzutage aber, beim Betrachten der politischen
Lage, der Flut an Bildern und Inhalten, die mich persönlich wütend, ohnmächtig
und traurig machen, und die mich immer öfter verständnislos zurücklassen – da empfinde
ich es des Öfteren durchaus schwierig die Haltung aufrecht zu halten ich
sei Herrin meines eigenen Schicksals - sofern möglich.
All die Unwägbarkeiten und
Horrormeldungen, die tagtäglich auf uns niederprasseln - es beeinflusst, uns
alle, denke ich.
Wohin mag das alles noch ausufern?
Tja.
Natürlich habe (auch) ich keine Ahnung.
Bis dahin ... versuche ich persönlich mich
einfach mal nicht so anzustellen ...
Schlafen Sie gut!
Ihre
Jana Hora-Goosmann
Wer sich noch weiter informieren möchte:
katiefisherday.org
https://www.facebook.com/KatieFisherDay
Und zu guter Letzt:
Anregungen oder Kölsches Liedgut?
troetgedanken@web.de
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