Der Sänger Karel Gott,
zählte auf seiner
ersten Amerikatournee im Sommer ’67
einen ganz speziellen Tourneearzt zu seinem Ensemble. Meinen Vater.
Zeitgleich arbeitete meine Mutter als junge Ärztin an einem Krankenhaus in Prag, kümmerte sich um ihren immer größer werdenden Bauch (mich), und um
meine Schwester.
Als mein Vater ein halbes Jahr später aus Las Vegas zurückkam - seiner ersten Reise in den
Kapitalismus – da
traf er die Entscheidung, ich solle Jana heißen,
nahm sich vor, den Sozialismus noch einmal grundlegend zu überdenken und brachte meiner Mutter
ein Geschenk aus dem kapitalistischen Westen mit.
Einen - für
sozialistische Verhältnisse - „tres chic“ rosafarbenen,
gesteppten Bademantel, in dessen ausgestellte Seitentasche ich mich, sobald ich
auf der Welt war, treffsicher übergab.
Das fiel meiner Mutter aber erst auf, als sie - nachdem sie
schon die ganze Wohnung nach dem Geruchsherd abgesucht hatte - die Hand in die
Bademanteltasche steckte.
Als 1968 die Russen in Prag einmarschierten, wusste mein
Vater - auch hinsichtlich vorangegangener Repressalien seitens des Staates -
dass er so nicht leben wollte.
Er hatte Glück.
Denn, in meiner Mutter, hatte er eine wagemutige Ehefrau.
Und so kam es, dass meine erste große Reise, nur 10 Monate nach meiner
Geburt, gleich eine Flucht war.
Schon seit ewigen Zeiten, antworte ich stets auf die Frage
hin, welcher Nationalität ich mich denn
nun mehr verbunden fühle:
"Ich bin Deutsche mit tschechischer Seele."
Seit ich in Berlin lebe, könnte
ich es aber auch so formulieren:
„Ich bin (Ex) -
Rheinländerin mit
tschechischer Seele.“
Aber - um jetzt mal ganz ehrlich zu mir selbst zu sein: Was
bedeutet "tschechische Seele" denn eigentlich nun genau?
Ich erinnere mich tatsächlich
noch an die kindgerechte Antwort meiner Mutter, auf meine, vielleicht so mit 7
Jahren gestellte Frage, was denn eigentlich die Seele sei?
"Das sei etwas", antwortete sie, "was noch
nie jemand gesehen hätte - nicht mal
ein einziger Chirurg auf der ganzen Welt, hätte
sie jemals in einem geöffneten
Patientenkörper bemerkt oder
nach dem Tod des Patienten herausfliegen sehen. Aber jeder Mensch hätte (wohl) eine Seele.
Und so verhält
es sich wohl auch mit meiner tschechischen Seele.
Seit ich mich bewusst an meine Kindheit erinnern kann,
lebten wir im Rheinland. Auch, wenn es davor eine Station im Bayerischen Wald
gab. Tschechisch spreche ich mit deutschem Akzent. Deutsch ist meine
Muttersprache.
Als meine Gymnasial – Schulklasse noch vor dem Fall
der Mauer mit dem Zug auf Klassenfahrt nach Berlin gereist war, da blieb ich
Zuhause.
Hinsichtlich der Flucht, waren meine Eltern in ihrer
Abwesenheit nämlich zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Mit
dem Zug fuhr man damals ein Stück
durch die damalige DDR - demnach sozialistisches Territorium und für mich, es sei denn, meine Eltern hätten mich loswerden wollen, besser
nicht zu betreten.
Auch um tschechische Botschaften - tschechischen Boden also
- machte man zu dieser Zeit in unserer Familie besser einen großen Bogen.
Als noch nicht abzusehen war, dass die Mauer tatsächlich eines Tages fallen würde, bläuten
meine Eltern mir noch oft - ein Stückweit
bestimmt auch ihr eigenes Horrorszenario - ein, bei einer eventuellen
Notlandung mit dem Flugzeug auf sozialistischem Boden, niemals aussteigen zu dürfen!
Erst jetzt fällt
mir auf, dass ich nie gefragt habe, was ich denn eigentlich im Falle eines
Feuers hätte tun sollen?
Und so bin ich Zuhause also in einer Art tschechischer
Seifenblase und manchmal auch Seifenoper aufgewachsen ;-), deren tschechische
Sprache sich, wie auf einer abgelegenen Insel, mit den Jahren etwas abnutzte, während ich immer mehr zur Rheinländerin wurde und mein Geburtsland
weiterhin nur vom Hörensagen kannte.
In meinen Geburtsort, das wunderschöne Prag, bin ich erst mit 18 Jahren
zurückgekehrt.
Ich war auf der Durchreise zu meiner Oma, die nach wie vor
etwas weiter entfernt von Prag wohnte. Dem Vorausgegangen war, dass meine
Eltern mich - vom damals noch sozialistischen Staat - „freigekauft“ hatten.
Als ein, von " Verbrecher-Eltern verschlepptes Kind" und ab 18
Jahren, da ging das.
Und Geld stinkt ja bekanntlich nicht. Auch nicht im
Sozialismus.
Bis heute hat sich mir dieser Gänsehaut-Moment, als ich zum ersten
Mal am Bahnhof in Prag ausgestiegen war und die Gleisdurchsage plötzlich in tschechischer Sprache über mich hinweg hallte - unauslöschlich, in Kopf und Herz gebrannt.
Denn, plötzlich
befand ich mich nicht nur in einer durch und durch tschechischen Welt - sondern
auch in der Welt meiner Eltern. Wenngleich, auch erst 18 Jahre später.
Im weiteren Verlauf meines Aufenthaltes - und auch den
vielen daraufhin noch Folgenden - wurde mir etwas bewusst: Meine tschechische
Seele hatte sich gemeldet, indem sie mir signalisierte, die Stadt und die dort
lebenden Menschen zu (er-) kennen und anzudocken.
Ohne jemals dort gelebt zu haben oder auch zu müssen.
Gleichzeitig begriff ich aber auch, dass, diese diffuse
Sehnsucht, nach etwas, das ich nicht beschreiben konnte, sich niemals stillen
lassen würde.
Etwas würde
immer fehlen.
Denn, Zeit und nicht gelebte Erfahrungen, lassen sich nun
mal nicht zurückdrehen.
Und Heimat(-gefühl),
hat vor allem mit Menschen zu tun. Einer gemeinsam gelebten Biografie.
Aber man kann die Zeitrechnung auch neu starten!
Eines meiner schönsten
Erlebnisse in Prag war mal, 10 Jahre nach dem Mauerfall, ein Dreh für einen deutschen Sender. Über ein paar Monate hinweg, war ich
ab und an also in meiner Geburtsstadt um zu arbeiten! An dem Tag, an dem ich
tatsächlich in den berühmten Barrandov Studios stand um dort
sogar selbst zu drehen, machte es mich - und meine tschechische Seele - schon
einfach nur überglücklich, einen, an die Studiowand
geschriebenen, Satz zu lesen: Kouřeni zakázáno!(Rauchen verboten).
Während ich diese
Zeilen schreibe, ist der weltbeste Mann zwischenzeitlich neben mir wieder
"weg-geschnarch-döst". Nun
schlägt er für einen kurzen Moment die Augen auf
und ich nutze sogleich meine Chance:
Ich: „Wie fühlst DU dich eigentlich ...
eher deutsch oder italienisch?“
Ich blicke in das verschlafene Gesicht des weltbesten
Mannes - der, mütterlicherseits
italienische und väterlicherseits
deutsche Wurzeln hat.
Auf die Antwort bin ich nun wirklich gespannt.
Er: „ Kommt
auf die Stimmung an.“
Ich: „ Interessant.
Also fifty-fifty, ja?“
Er:“ Ja
...cchhhhhhhhhhhhhzzzzzzzzzzzz ....“
Milde lächelnd
greife ich heute Abend noch schneller als sonst zu meinen Ohrstöpseln. Dabei muss ich an eine
Begebenheit denken, die sich beim ersten größeren
Zusammentreffen unserer Familien zutrug. Und vielleicht,
so wird mir plötzlich
bewusst, sogar symptomatisch für
die zwei Seelen in der Brust des weltbesten Mannes sein könnte. Außerdem werde ich noch in 20 Jahren darüber lachen.
Zu diesem Zeitpunkt dachte der weltbeste Mann darüber nach, sich beruflich eventuell
grundlegend zu verändern. Dann
schloss er seine Überlegungen mit
folgendem Satz:
Er: „ Und
wenn das alles nicht klappt, dann werde ich eben Profikiller!“
In der geselligen Runde wurde es schlagartig für einen kurzen Moment still.
Dann zuckte die italienische Verwandtschaft völlig ungerührt mit den Schultern. Sonst nichts.
Der Vater des weltbesten Mannes jedoch, rief
entsetzt: „Junge!“
Wie mein Blick jetzt so über
das Gesicht des weltbesten Mannes schweift, und je länger ich darüber nachdenke, so bin ich mir
ziemlich sicher: Unsere Ehe lässt
prozentual wohl eher den Italiener in ihm siegen.
Denn, wieso sonst, sollte ich auf Sprüche meinerseits, wie:
Ich: „Wenn du mich ärgerst, dann kannst du dich gleich
beim XX-Datingportal anmelden.“
Oder
Ich: „X und Y haben
sich getrennt. Wenn du irgendwann auch so komisch werden solltest wie X, dann
...!“
Wieso sonst also, gibt es daraufhin vom weltbesten Mann
immer nur eine einzige Antwort? Nämlich:
„Muss ich denn so
früh schon Witwer
werden?!“ ;-)
Beschwichtigend lege ich nun eine Hand auf seine, vom
Schnarchen bebende Schulter und erreiche damit genau das Gegenteil - ein noch
"wohligeres" Tröten.
Also lösche ich seufzend das Licht und stelle mich auf eine weitere, schlaflose
Nacht ein. Ohrstöpsel helfen nicht immer. (Nachzulesen im Tröt - Archiv Nr.1)
All den vergangenen Jahren zum Trotz fällt mir just eine Begebenheit mit dem kölschen Urgestein Willy Millowitsch
ein. Die Erinnerung daran, lässt
die Rheinländerin in mir
auch heute noch schmunzeln.
Ich war im Abschlußjahr
der Schauspielschule „Theater der
Keller“ in
Köln und durfte
mich „nebenbei“ auf
der Bühne des
Millowitsch Theaters frei spielen.
Willy Millowitsch hatte in der Tat ein untrügliches Gefühl für
den perfekten Rhythmus von Pointen - was natürlich
gut zum „Lernen“ war.
Auch, wenn er das, was er schon fast sein ganzes Leben lang tat, nicht wirklich
gut erklären konnte ...
Nun sind vor allem die jungen, weiblichen Rollen im Plot
eines Volkstheaterstückes recht
einfach gestrickt. Also traute ich mich, die ambitionierte Anfängerin, nach einer Bühnenprobe ins Büro des „Chefs“ -
wie er von seinen engsten Vertrauten genannt wurde.
Ich: „Herr Millowitsch,
wissen Sie, ich dachte, die Paula (meine Rolle), die war ja, bevor sie in der
großen Szene mit XY
wieder auftritt, da war sie ja auf ihrem Zimmer, nachdem zuvor auch noch YZ
passiert ist. Da habe ich mich gefragt, was die Paula daraufhin wohl gemacht
haben könnte und dachte
mir ...
„Ich“ stockt.
Willy Millowitsch’s Blick - eine
Mischung aus Entsetzen und Verständnislosigkeit
- fährt „Ich“ sofort bis ins
Mark.
Ich: „Ähm
...ja, also, wie schon gesagt. Paula könnte
ja, sobald sie den Raum wieder betritt, zum Beispiel so etwas wie ein XY in der
Hand haben, weil, vorher hat sie vielleicht ...“
„Ich“ wird
von Willy Millowitsch freundlich aber bestimmt unterbrochen.
Willy Millowitsch: „Määddschen ...“
Ich: „... Ja??“
Willy Millowitsch: „ ... sei einfach nur frisch und
lecker!“
Damit war das Gespräch
beendet.
Schlafen Sie gut!
Ihre
Jana Hora-Goosmann
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