Dass, seit meinem
sechzehnten Geburtstag, tatsächlich schon dreißig Jahre vergangen sind, ist mir
zum ersten Mal so richtig erst letztens im Supermarkt bewusst geworden.
Ich stand in einer
Schlange an der Kasse und beobachtete ein junges Mädchen im Teenageralter auf
deren T-Shirt eine Musikkassette abgebildet war.
Ich dachte darüber nach,
dass die Abbildung auf dem Shirt mit größter Wahrscheinlichkeit wohl etwas war,
was das Mädchen nur noch vom Hörensagen her kannte. Cooler Retrolook eben.
Ich hingegen hatte sofort
eine Flut von Bildern im Kopf die alle irgendwann nur auf das eine - unausweichliche
Bild - hinausliefen:
Den gefürchteten Bandsalat!
Ich sah meinen damals „speziellen“,
nämlich ganz normalen Buntstift vor mir, der sich mit seiner eckigen Oberfläche
absolut perfekt mit den zwei Kassettenrädern verzahnte. Somit war das Aufspulen
des meterlangen Bandsalates, sofern man diesen überhaupt noch an einem Stück
aus dem Kassettenrekorder bekommen hatte, etwas weniger mühselig.
So oft ich mich damals auch
über besagten Bandsalat geärgert hatte, und auch darüber, dass die Bänder, in
einem mich ab und übermannenden Wutrausch, plötzlich relativ unkaputtbar zu
sein schienen - so hatte mich der Bandsalat - zumindest im Auto meines Vaters -
mal vor einer Dauerberieselung mit „Mozart gerettet“.
Nie werde ich seinen Gesichtsausdruck
vergessen, wie mein Vater, grinsend eine - von sehr vielen - Mozartkassetten
vor und zurück spulte, bis diese schließlich vom Kassettenrekorder gefressen
wurde und für das Verständnis meiner damaligen Teenagerohren endlich Ruhe gab.
„Das kenne ich“, nuschelt
der weltbeste Mann ein paar Stunden später, müde vor sich hin blinzelnd, im
Bett neben mir.
Er: „Der Talbot-Matra Murena, das war in meiner Jugend ...
ICH: „Der was?“
Er: „Das war damals DER Sportwagen ...“
Ich: „Ach sooo ...“
Er: „Letztens habe ich gesehen, dass der jetzt als Oldtimer
gilt! Ich werde alt ...
Ich: „Oh, neee!“ (lacht)
Er: „Hhhhmmmmcccchhhhhzzzpppphhhhhhhhhhpphhuuuu“
Ungläubig wandert mein Blick über das Gesicht des
weltbesten Mannes. Wie geht denn so was? Wie kann man sich denn von einem
Atemzug zum nächsten in Ritter „Schnarchibald“ verwandeln?
Dann fällt mir ein, dass der weltbeste Mann der einzige
Mensch auf der Welt ist - den ich kenne - der es doch tatsächlich sogar mal
geschafft hat in einer MRT Röhre „einzu-schnarchen“. So unfassbar das auch sein
mag, irgendwie ist es auch wieder cool.
Nachdem ich das Licht gelöscht hatte kam mir in den Sinn,
dass man fortschreitende Zeit im Film zum Beispiel mit Sonnenauf-
oder-untergängen erzählt.
Im „wahren“ Leben feiert man jedes Jahr Geburtstage - und
dann braucht es manchmal doch „irgendeine Kassette auf irgendeinem T-Shirt“
oder einen Wagen der zum Oldtimer wird - um WIRKLICH zu begreifen.
Hier kommen 4 Sätze von Menschen im mittleren-fortgeschrittenen
Alter, die ich als junges Mädchen unfassbar blöd fand und einfach nicht glauben
wollte:
* Je älter man wird, desto mehr fliegt die Zeit.
* Das habe ich vor zwanzig Jahren auch schon getragen.
* Ich fühle mich noch so jung!
* Und dann habe ich eines Morgens in den Spiegel geguckt
und HUCH! Diese Falte, die war doch gestern noch nicht da!
Aber es stimmt!
Ich denke an den Film den ich ein paar Stunden zuvor
gesehen hatte und frage mich, wie weit es wohl gehen wird. Das mit dem
Lahmlegen, zum Beispiel.
Ich merke ja sogar schon an mir selbst - mein Sehverhalten konzentriert
sich bei den Protagonisten mitunter tatsächlich immer öfter auf die Stelle
zwischen den Augenbrauen.
Heute Abend hatte ich es mal wieder gesehen. Die kleinen,
in den letzten Zuckungen liegenden Muskeln, die sich im sonst toten Gesichtsfeld
noch irgendwie – vergeblich - bemerkbar zu machen versuchten.
HD hat eben auch Nachteile.
Szenen mit weinenden Hauptdarstellerinnen, die kaum in der
Lage sind die weit aufgerissenen Augen zu schließen, bereiten mir tatsächlich körperliche
Schmerzen.
Was hat das mit (sichtbaren) Emotionen zu tun? In solch
einem Moment, sehe ich nur noch einer Kollegin dabei zu wie sie gegen die
entgleisenden Gesichtszüge ankämpft. Was hat das mit der Figur im Film zu tun?
Und - wird so etwas in ein paar Jahren oder sogar schon jetzt
- von uns allen erwartet?
Ich habe nichts gegen „gut gepflegte“ Gesichter und
natürlich bin auch ich nicht frei von Fragen solcher Art. Aber, wann auch immer
ich einen gewissen Konformismus verspüre, mache ich sowieso das Gegenteil. Aus
Prinzip;-).
Da traf es sich gut, dass ich am nächsten Tag zufällig
einen Magazinbeitrag über einen Schönheitschirurgen aus L.A sah.
Er sprach über Stars und irrwitzige Op’s, bis er irgendwann,
mit der Behauptung, es ginge auch ohne Spritze und Schnibbeln - ein dreieckiges
Pflaster hervorholte, es ableckte und der Frau neben ihm auf die Stirn pappte.
Die Frau schien das für ganz normal zu halten und sah mit dem Dreieck zwischen
den Augenbrauen irgendwie futuristisch aus. Willkommen im californischen Star
Trek Universum!
Später am Abend - der weltbeste Mann hatte die Wohnungstür
noch gar nicht richtig geöffnet:
Ich: „Ich brauche Pflaster!“
Er: „Du brauchst ...was?“
Ich: „Pflaster! Ich brauche Pflaster, damit, wenn du nachts
mal wieder so trötest, am nächsten Morgen die „Weghörfalte“ auf meiner Stirn
nicht so tief ist!“
Er: „Du spinnst!??“
„Ich“ streckt „Er“ das I-Pad entgegen.
Ich: Schau mal, bereits im Jahr 1889 hat eine Mutter für
ihre Tochter, eine Konzertpianistin die beim Spielen eine Zornesfalte entwickelt
hatte, dieses Pflaster erfunden! Ohne Chemie, völlig natürlich! Trägt man über
Nacht oder wann es eben passt.
Er: „Das sind Pflaster!“
Ich: „Ja!“
Stoisch-grinsend, lässt „Ich“ das Lachen des weltbesten
Mannes über sich ergehen. Irgendwann stimmt auch sie völlig irre mit ein.
Er: „Also ... soll ich dir jetzt aus der Küche ein Pflaster
holen?
Ich: „Das ist doch nicht dasselbe.“ (gluckst weiter vor
sich hin)
Na? Was denken Sie? Hat sie oder hat sie nicht?
Eine Woche später.
Innen / Tag / Schlafzimmer von „Ich und „ER“ /
Die ersten Sonnenstrahlen des Tages kriechen durch den
Raum.
„Ich und Er“ liegen im Bett. „Er zieht „Ich“ grinsend zu
sich.
Er: „Na, du süße Klingonin?“
Schlafen Sie gut!
Ihre,
Jana Hora-Goosmann
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