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Freitag, 8. August 2014

Von " Beruf bis Berufung "



Letztens holte der weltbeste Mann die Zeitschrift „Journalist“ aus dem Briefkasten und bemerkte: „Die kann ich demnächst auch mal kündigen“.



Ich nickte und dachte über folgenden Satz nach:



Wer sind wir eigentlich ohne unseren Beruf?



Der weltbeste Mann hat in seinem jetzigen Job –im weitesten Sinne- immer noch ausgiebig mit Presse bzw. Pressemitteilungen zu tun. Nur - in einem völlig anderen Umfeld als früher.



In den letzten 20 Jahren hatte er nämlich, innerhalb der Medienlandschaft, des Öfteren das Ressort gewechselt. Während unserer Ehe, probierte er zwischendurch dann auch mal eine völlig neue Richtung aus.



Zum Beispiel hatte er mal - tatsächlich - ein paar Monate für ein Bestattungsunternehmen gearbeitet. Und ich spreche hier von der absoluten Basis, der direkten Arbeit am und mit dem Verstorbenen.



Immer, wenn ich das zu der Zeit irgendwo erwähnt hatte, erntete ich erst mal einen ungläubigen Lacher.



Manchmal konnte ich es ja selbst nicht fassen.



Der weltbeste Mann, der normalerweise schon von zwei einzelnen Tierhaaren auf dem Jackett völlig genervt ist und - um nur ein Beispiel zu nennen - ums Katzenklo und Tiere einen Riesenbogen macht, hatte zu besagter Zeit tatsächlich nicht das kleinste Problem, die, dem Zersetzungsprozess teilweise schon sehr zum Opfer gefallenen Leichen, von wo auch immer abzuholen und für die Beerdigung „aufzuarbeiten“.



Der weltbeste Mann eben.



Und auch sonst kann der weltbeste Mann sich unfassbar viele Dinge vorstellen, die ihm Spaß machen könnten:



Er. „Ach, Straßenbahnfahrer, das könnte mir gefallen!“



oder



Er:“ Schau mal, der Bagger da! Mein neues Auto! Das könnte mir Spaß machen!“



Oder



Er:“ Lass uns eine Pommes Bude aufmachen!“ und, und, und ...



Nun wissen wir natürlich nicht: Würde dem weltbesten Mann das Straßenbahnfahren auf Dauer vielleicht - wie übrigens vieles sonst auch - nicht doch irgendwann auf den Nerv gehen? ;-)



Grundsätzlich aber ist er - in dieser Hinsicht - unfassbar offen.



Ich habe schon von Menschen gehört die völlig zusammen gebrochen sind, nachdem sie keine leitende Position mehr ausüben konnten.



Auch das hat dem weltbesten Mann eigentlich nichts ausgemacht.



Nein, er ist nicht unfehlbar ... bei Weitem nicht! Nur, macht er berufliches Glück nicht an Macht und Ego fest.



In einem Punkt, sind der weltbeste Mann und ich uns tatsächlich sogar verdammt ähnlich.



Denn auch ich kann mir tausend Berufe vorstellen, die ich gerne ausüben würde – jedoch vor der Kamera! Oder auf der Bühne.



Wer von Ihnen nichts mit dem Beruf des Schauspielers zu tun hat, der mag sich bestimmt schon gewundert haben, wieso - sogar außerordentlich erfolgreiche Menschen - in Interviews auf die Frage hin, ob sie ihren Kindern zum Beruf des Schauspielers raten würden, meist sofort die Stirn in Falten legen und tief Luft holen.



Denn - es ist tatsächlich der schönste und schrecklichste Beruf zugleich!



Auf eine, mal mehr und mal weniger quälende Art und Weise, scheint mich die Liebe zu meinem Beruf nämlich tatsächlich zu einem völligen „Fachidioten“ zu machen.



Denn – natürlich besitze auch ich höchstwahrscheinlich noch die ein oder andere Fähigkeit um beruflich noch einmal etwas völlig anderes zu machen. Das Problem ist nur – langfristig würde ich - mit größter Wahrscheinlichkeit - unglücklich werden. Sogar noch unglücklicher, als in Zeiten ohne Engagement. Oder zumindest nicht so erfüllt, wie in meinem eigentlichen Metier. Es würde mir fehlen.


Und das ist die Krux.



Natürlich habe auch ich nichts dagegen, innerhalb des Berufes das Ressort zu wechseln. Wie zum Beispiel Drehbuchschreiben, oder das Schreiben an sich. Eine weitere Leidenschaft.



Wenn die Auftragslage aber - und auch deren Qualität - stimmt, dann erlebt man als Schauspieler eine Vielzahl an erfüllenden Momenten und Möglichkeiten, innerhalb dieses Berufes zu wachsen.



Man lernt einfach nie aus - Ressort übergreifend.



Wenn die Auftragslage jedoch kurz oder langfristig erstirbt - dann läuft man als Schauspieler trotzdem mit dem ganzen Paket an Emotionen und Fertigkeiten herum, die man im Zuge eines Schauspielerdaseins immer mehr zugelassen und ausgearbeitet hat.



Man bewegt sich mit einem speziellen Blick durchs Leben.



Und ist sein eigenes Produkt. Und auch ohne Beruf bzw. Engagement immer man selbst.



Und dreht sich deshalb, manchmal, nicht unbedingt um sich selbst - aber definitiv im Kreis.



Das erste Mal, als ich mich öffentlich getraut hatte, das Unaussprechliche auszusprechen, war ich 13 Jahre alt.



Ich saß mit einer Freundin in der Eisdiele und sagte: “Ich werde Schauspielerin.“



In meinem Elternhaus wurde meine Vorliebe für Darstellende Kunst bis zu meinem Abitur noch wohlwollend beäugt. Dann, einen Abend vor meiner letzten Abiturprüfung, versuchte mein Vater mich - noch immer wohlwollend - auf den „rechten Weg“ zu bringen.



Wenn es denn schon unbedingt dieses Metier sein musste, wie es denn zum Beispiel dann mit Theaterwissenschaften wäre? Alles, nur bitte nicht Schauspielerin!



Vielleicht war meinem Vater seine "Showbiz-Zeit" in Las Vegas eingefallen ... ;-)
(Trötarchiv: 27. Juni Nr.5)



Ein paar Tage später hatte ich das Abitur in der Tasche. Und hörte von meinen Mitschülern Sätze wie: „ Du weißt schon seit Jahren was du mal werden willst - und ich hab noch immer keine Ahnung was ich studieren soll!“



Noch im gleichen Monat fuhr ich nach Köln, nahm an der Aufnahmeprüfung der Schauspielschule „Theater der Keller“ teil, und wurde aufgenommen.



Dem vorangegangen, war eine mittlerweile nun ganz und gar nicht mehr so wohlwollende Phase. Vor allem seitens meines Vaters.



Stumm versuchten beide Parteien die Situation auszusitzen. Bis ich schließlich folgenden Satz von mir gab und auch genauso meinte: „Es tut mir leid - aber ich mache es auch ohne euch“.



Meine Eltern reagierten klug und ließen mich machen.



Im Nachhinein wundere ich mich schon ein wenig. Schließlich war ich ja in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem eine immense Liebe zu Büchern, Kultur und Musik vorherrschte.Ganz so abwegig war mein Berufswunsch demnach nicht.



Erst vor ein paar Jahren übrigens, hatte eine auflagenstarke Zeitung einen Leserbrief meiner Mutter abgedruckt. In witzig-kritischem Ton, ließ sie sich über die Städtischen Bühnen Bonns aus ... also?



Ganz einfache Rechnung. Zwei Töchter zu haben bedeutet:



Eine 50% Chance, dass eine Tochter einen eher unkonventionellen Weg geht.



Die zarten Anfänge meines schauspielerischen Daseins, erlebte mein Vater noch bis 1993 mit. Dann verstarb er. Plötzlich und unerwartet.



Laut Aussagen ehemaliger Patienten, war damals übrigens folgende Anekdote im Umlauf: Bei einem Hausbesuch, hatte mein Vater die Wohnung eines chronisch-kranken Patienten betreten. Während er die Spritze aufzog bat er wohl darum, man möge doch bitte kurz den Fernseher einschalten. Seine Tochter nämlich, sei gleich im Fernsehen zu sehen.



Die Monate vergingen - und irgendwann, da empfing der ein oder andere „Chroniker“ meinen Vater sogar schon mit laufendem Fernsehprogramm!



Zu diesem Zeitpunkt besuchte ich die Abschluss Klasse der Schauspielschule und jobbte, unter anderem, als Fernsehansagerin im Vorabendprogramm der ARD (WWF-Programm).



Da die erste Ansage immer um kurz nach 17 Uhr lief, fiel das in die Zeit der Hausbesuche. :-)



Und? Was glauben Sie? Wie verhält sich wohl jemand (wie ich), der seit über zwanzig Jahren auf derselben Autobahn (Schauspielerin) mit demselben Ziel (Engagement) vor Augen fährt?



Werde ich tatsächlich für immer weiter fahren?



Auch, wenn ich zwischendurch immer wieder fluche und auch mal heule?



Weil ich vielleicht gerade mal wieder die hunderttausendste Autopanne habe?



Und keiner der großen Busse mich mitnehmen will und auch sonst Niemand anhält?



Oder mir bis zum letzten Moment in Aussicht stellt, mich in jedem Fall mitnehmen zu wollen - und dann doch die Person neben mir einsteigen lässt?



Obwohl ich so „charmant und gleichzeitig tiefgründig“ den Daumen hochhalte?



Und mir mit den Jahren sogar Fertigkeiten im Reifen wechseln, Getriebe reparieren und was weiß ich noch angeeignet und vertieft habe - und somit auf der weiteren Reise und im Team also durchaus eine Bereicherung wäre!



Ich könnte mir vorstellen ... irgendwann, wenn mal wieder so gar nichts mehr geht und der, aus der qualmenden Kühlerhaube aufsteigende Rauch sich mir beißend in die Netzhaut frisst ... vielleicht erst einmal auszusteigen. Aus dem Auto.



So, wie ich das gefühlt hunderttausend Male vorher auch schon getan habe.



Vielleicht befinde ich mich zu dem Zeitpunkt ja dann gerade in einer Umgebung wie, zum Beispiel der Wüste Nevada - der Stimmung wegen.



Ein einsamer Dornenbusch kugelt hinter meinem Rücken über die staubige Landschaft - und vielleicht sogar vor Lachen. Denn, ich humpele. Möglicherweise, da mir im Zuge der letzten 10.000 Meilen ein Stück vom Absatz abgebrochen ist - vom vielen Aufstampfen.



Erschöpft setze ich mich nun also, vielleicht ein wenig zerzaust und mit verschmierter Mascara, auf einen Stein am Wegesrand.



Um mal wieder nachzudenken. Darüber, wie es denn jetzt (bloß) weitergehen soll. Mit mir. Da piept mein Handy.



Hey, vergessen Sie es! Sie denken doch wohl jetzt nicht ernsthaft darüber nach ob man in der Wüste Nevada ein Mobilfunknetz hat? Das hier ist mein Tagtraum! :-)



Also, jedenfalls piept es. Eine E-Mail von Tony Gonzalez.



Wer Tony Gonzalez ist? Der einzige Mann, den der weltbeste Mann neben sich duldet.



Ein Sportguru, mit dem man - mittels einer Fitness App - Zuhause gemeinsam sporteln kann. Tony Gonzalez wundert sich. Es ist schon länger her, dass ich ihn per App in seinem Fitnesstempel besucht habe.



Er weiß noch nicht, dass ich ihn vor Kurzem gefeuert habe. Und jetzt, wenn ich zum Beispiel bei Regen nicht joggen kann, mit einer anderen App sportle.



Zum Schluss der Mail, gibt Tony Gonzalez mir nun noch einen klugen Satz mit. Einen Gedanken, den man tatsächlich auf viele Situationen im Leben anwenden kann.



Er schreibt: R ...



Nein. Halt! Sorry - wie schon gesagt, mein Tagtraum!



Plötzlich nämlich, sehe ich aus der Ferne eine riesige und schnelle Staubwolke auf mich zukommen!



Irgendwann schließlich, als ich mir den Staub der Wüste wieder aus dem Gesicht gerieben habe, erkenne ich – oh Freude- das Gesicht von „Er“.



Schwungvoll und breit grinsend, stößt dieser die Beifahrertür auf:



Er: „Da bist du ja endlich! Hätte nie gedacht, dass du mit der ollen Gurke soweit kommst!“



Ich (könnte heulen vor Freude): „ Schnuffi ...!“



Er: „Ich weiß ... komm, steig ein!“



„Ich“ lässt sich erschöpft ins Auto fallen. Und während „Er“ sofort auf die Tube drückt, fallen „Ich“ augenblicklich die Augen zu.



Kurz bevor „Ich“ endgültig weg zu dämmern droht, fällt „Ich“ Tonys Satz wieder ein:





REMEMBER THE WHY!







Schlafen Sie gut!





Ihre



Jana Hora-Goosmann

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