Seit 1993 esse ich nun kein Fleisch mehr. Und seitdem hat
sich so einiges verändert.
Nicht bei mir, nein. Denn - damals hatte ich zwar Folgendes
gesagt:
"Wenn ich irgendwann mal wieder so einen richtigen Heißhunger
auf Fleisch verspüren
sollte, dann fange ich eben wieder damit an."
Passiert ist das aber nie. Und so esse ich seit Mitte '93 -
bis auf ab und an Fisch - kein Fleisch mehr.
Ha! Und da war er wieder, der Aufschrei!
Fisch???
So wie vor einiger Zeit. Da hatte ich mal wieder mein
kleines Sprüchlein
aufgesagt, mit dem ich nun schon seit über 20 Jahren, mehr
oder weniger erfolgreich, versuche das aufflackernde Entsetzen in den Augen eines
potenziellen Gastgebers zu beschwichtigen:
Ich: "Mach dir keine Umstände,
ich bin wirklich total unkompliziert! Ich esse auch gerne einfach nur die
Beilagen. Und wie schon gesagt, Fisch esse ich ja!"
Bekannte (oberlehrerhaft): "Dann bist du ja aber gar
keine richtige Vegetarierin!"
Ich stutzte kurz. Dann entschied ich, keine Kraft zu
vergeuden. War ja auch nicht zum ersten Mal, dass so ein Spruch kam.
Auf dem Heimweg, musste ich dann aber doch darüber
nachdenken.
Darüber,
dass ich damals ja nicht mit dem Fleisch aufgehört hatte, um
irgendwo dazuzugehören.
Geschweige denn mich in meinem Essverhalten auf irgendeine Art katalogisieren
zu lassen!
Ich hatte schon immer sehr wenig Fleisch gegessen. Und
irgendwann, da wurden die Zustände bei den Tiertransporten, die
Massentierhaltung, die damit einhergehenden Antibiotikabomben, und noch sehr
vieles mehr, plötzlich unausweichlich
präsent für mich.
All das wollte ich irgendwann einfach nicht mehr unterstützen
- geschweige denn zu mir nehmen.
Den letzten Ausschlag machte dann tatsächlich
noch ein mehrtägiges
Praktikum im OP eines Krankenhauses, das ich aufgrund einer Serie absolvierte,
in der ich kurze Zeit später
eine Assistenzärztin
spielen sollte.
Mein erster OP Tag begann dann auch durchaus spontan, so
nach dem Motto:
"Ja, können wir machen, das mit dem
Praktikum. Wie wäre
es denn, gleich ab heute? Also jetzt?"
Nicht mal eine halbe Stunde später,
stand ich bereits in voller OP-Montur in einem Operationssaal. Und der Haken in
meiner Hand, der steckte im Fleisch eines offengelegten Knies eines
narkotisierten Patienten. Wie das?
Nun, ein netter Chirurg hatte zuvor einfach mal nach meinem
Handgelenk gegriffen und die dazugehörige
Hand schnurstracks zu besagtem Haken geführt.
„Festhalten!“
ertönte es noch im
Befehlston neben mir.
Einen Ruck später,
als „meine Hand am Haken“ vom
Chirurgen mit Schwung wieder zu mir zurückgeführt wurde, erlebte ich somit am eigenen Leib was „Haptik“ und ein „haptisches Erlebnis“, tatsächlich (auch) bedeuten können.
Da stand ich nun und konnte nicht anders, als hautnah einer
etwas kniffeligen Suche nach einer Schraube zuzusehen.
Diese letzte Schraube, aus einer nun wieder zu entfernenden
Titanplatte, hatte sich gelöst
und war plötzlich unauffindbar!
Während ich in das
offene Fleisch vor mir starrte, hatte die ganze „Suchaktion“ tatsächlich etwas mit
der Arbeit eines Metzgers gemein.
Und während
mir, trotz Mundschutz, der Geruch von „verbranntem
Fleisch“ (Verödung der Gefäße) in die Nase stieg, hatte ich
irgendwann tatsächlich nur einen
Gedanken:
Dieser Mensch, wird nie wieder laufen können!"
Und dann aber auch noch: „Bloß nicht
kollabieren! Darauf warten die alle doch bestimmt nur ... “
Ein paar Stunden später,
da rief man mir zum Abschied dann noch fröhlich
zu:
"Bis morgen! Morgen haben wir übrigens was ganz Tolles! Morgen haben
wir Darm!"
Und so war es dann auch.
Übrigens,
wenn Sie jemals einen Film sehen sollten, in dem eine Szene wie Nachfolgende
vorkommen sollte - und Sie sind der Meinung, das sei völlig
unrealistisch – da
kann ich nur sagen, die Realität,
die setzt manchmal tatsächlich sogar noch
einen oben drauf:
Innen / Tag / OP Raum
Hektisches Treiben in OP II. „Chirurg
1“ und
„Chirurg 2“ stehen,
mit leicht ratloser Miene, am OP-Tisch. Auf dem OP-Tisch liegt ein fülliger Patient, dessen Bauchhöhle
weit offen auseinanderklafft.
„Chirurg 1“ hält
„Den-letzten-Schrei “,
eine neuartige Künstlicher-Darmausgang
Plastik, in der Hand.
Derweil ist "Ich" gerade einen Schritt zurückgetreten.
Und ringt mit sich, das zuvor Gesehene irgendwie in einer Art Expressverfahren zu verarbeiten.
Noch kann „Ich“
sich jedoch nicht entscheiden: Ist „Ich“ jetzt
eher völlig fasziniert oder
überwiegt doch eher eine leichte Übelkeit?
„Chirurg I“ nämlich, hatte die
offene Bauchhöhle des Patienten
zuvor mit einer Art „Teleskopring“ aufgespannt
und den Inhalt schließlich, wie in
einer großen sackartigen „Tasche“,
begutachtet.
Anschließend
fing er dann an, mit beiden Händen
in der Bauchhöhle des Patienten
zu „wühlen“. Genau so, wie „Ich“ es normalerweise auch zu tun
pflegt, wenn „Ich“ mal
wieder etwas in einer ihrer Riesenhandtaschen sucht!
Nun aber, ein paar Augenblicke später, beraten „Chirurg
I“ und „Chirurg II“
sich leise murmelnd:
Chirurg I: „Ich
glaube so, oder?“
Chirurg II (dreht die Plastik zur anderen Seite): „Oder
so?“
„Ich“ glaubt
schon sich verhört zu haben, da fuchtelt Chirurg II plötzlich mit so etwas
Ähnlichem wie einer Gebrauchsanweisung rum.
Ganz ehrlich,
manche Dinge im Leben die muss, sollte und möchte man einfach nicht wissen ...
oder?
Währenddessen steht
eine OP-Schwester am Rande des OP-Saales und drückt
auf eine Kurztaste des „Haustelefons“ an
der Wand. Einen Moment später, dreht sie
sich zum gesamten OP-Team:
OP-Schwester: „ Heute
gibt’s Hühnerfrikassee, wer will?“
„Ich“ war
in den letzten Sekunden bereits wieder einen Schritt an den OP-Tisch
herangetreten - und starrt, beim Wort „Hühnerfrikassee“,
gerade in die offene Bauchhöhle
des Patienten.
Chirurg1: „Hühnerfrikassee für
mich, lecker!“
„Ich“ weiß gerade nicht, ob
sie gleich lachen oder vielleicht doch eher brechen wird.
Die Ehre jedoch siegt und es bleibt bei einem verzerrten
Grinsen, das aufgrund des Mundschutzes aber wohl niemand mitbekommen haben
wird.
Des Weiteren ahnt „Ich“ noch nicht, dass manche Querverbindungen im Kopf einfach
unauslöschlich sind! ;-)
Seit diesem Tag also, war es das, mit dem Fleisch.
Und wenn mir mein Körper
nicht ab und an das Signal geben würde:
Fisch! Ich würde auch den weglassen.
Demnach bin ich also eine Pescetarierin, wie ich heute noch
einmal nachgelesen habe.
Einer von vielen Begriffen für
jemanden- und was es da heutzutage nicht alles gibt- der nicht „einfach nur und alles isst“.
Wow ... das bringt mich in meinem nächsten Gespräch zu diesem Thema dann ja vielleicht
sogar mal weiter!
Denn das Thema Essen, bzw. die Tatsache, dass ich etwas
weglasse, scheint tatsächlich immer noch
eine Diskussion oder ein Gespräch
wert zu sein.
Nachfolgend, eine Art Zusammenschnitt von diversen und tatsächlich selbst erlebten Gesprächen:
XX: "Das könnte
ich nicht, auf Fleisch verzichten."
Ich: "Für
mich ist das kein Verzicht, ich habe schon immer wenig Fleisch gegessen."
XX (ironisch): "Aber ein Salatblatt lebt ja auch. Das hat
doch auch Gefühle!
Und du trägst
ja auch Leder."
Ich: "Ich hatte damals diverse Gründe, wieso ich damit aufgehört habe - ich wollte nicht gleich die Welt retten!"
XX: "Dein armer Mann, darf der denn wenigstens noch
Fleisch essen?"
Ich: "Mein armer Mann" darf essen was er will!
Oftmals ermutige ich ihn sogar, Fleisch zu essen. Und wenn er sich zum Beispiel mal ein Steak bestellt, dann mag er es so, dass ein Veterinär es wiederbeleben könnte. Für mich ist das dann ein wenig wie ein "Splattermovie". Aber das muss doch jeder für sich selbst entscheiden, wie er das
handhabt!"
XX: "Willst du mal von meinem Gemüse probieren?"
Ich: "Danke, aber da ist ja Fleischsoße dran ..."
XX: "Ach ... aber das ist doch Hühnchen?"
Ich: "Ja. Und Hühnchen
ist Fleisch."
XX: "Hhhmmmmm ... aber Milch und Käse isst du?"
Ich: "Ich hab mal über
Jahre hinweg nur Sojamilch getrunken und nur Ziegen- oder Schafskäse gegessen. Seit ein paar Jahren
trinke ich aber auch Lactosefreie Milch und esse wieder alle Käsesorten."
XX: "Warum? Und was ist mit Eiern?"
Ich: “Wie schon gesagt
(gähn), bis auf
Fleisch ... esse ich soweit alles.“
XX: “Und was würdest du tun, nehmen wir mal an, du würdest irgendwo mit dem Flugzeug abstürzen, und plötzlich wärst du aber gezwungen Fleisch zu essen? Weil es vielleicht
nichts anderes gibt? Vielleicht sogar einen Menschen?"
Puuuuuhhhhhh ... also echt ... oder?
Manchmal grenzt das ja wirklich an eine Art „Vegetarische-Inquisition“!
Da sich solch ein Gesprächsverlauf
meist beim Essen abspielt, denn spätestens
dann, "fällt es ja am
ehesten auf", habe ich mir mit den Jahren wohl unterbewusst die ein oder
andere Überlebensstrategie
angeeignet.
Wenn es ein nettes Gespräch
ist, dann warne ich schon mal vorab - auf die Frage hin, "Wieso und
Weshalb" - und erzähle die
Geschichte vom "Hühnerfrikassee"
erst nach dem Essen.
Wenn das Gespräch
aber eine nervige Wendung nimmt, gibt’s
die volle „Hühner- Frikassee-Packung“. Und zwar sofort! Meist ist dann sehr schnell "Ruhe“.
Eine gewisse Unlust meinerseits über dieses Thema zu sprechen, kann
aber auch zu Missverständnissen führen:
Der weltbeste Mann und ich, wir lernten uns auf einer
Sylvester-Party kennen.
Alle Gäste
waren auf drei Kochgruppen aufgeteilt :
Vor – Haupt - Nachspeise.
Wie es der glückliche
Zufall so wollte, befanden der weltbeste Mann und ich mich in der Gruppe, die für eine der Hauptspeisen zuständig war.
Und natürlich
- bestand diese Hauptspeise aus Fleisch. Mit etwas Polenta.
Denn Sie wissen ja, was so ein richtiger „Fleischfresser“
ist, der braucht nicht wirklich Beilage ...
All das, nahm ich jedoch völlig
emotionslos zur Kenntnis.
Nach all den Jahren bin ich, wenn es denn nicht anders
geht, völlig problemlos
in der Lage den Schalter umzulegen, und mit was auch immer satt zu werden.
Übrigens, ich
liebe es zu essen! Sollte ich aber mal wirklich großen Kummer haben –
dann höre ich tatsächlich damit auf.
Und so war es auch, einen gewissen Zeitraum lang, vor
besagtem Sylvester.
Will heißen,
für meine Verhältnisse war ich fast schon ein wenig „unangenehm“
schlank.
Irgendwann wurden also die Teller gefüllt und hinausgetragen, bis es schließlich zu meinem Teller kam - auf dem
zwei trockene Stücke Polenta lagen:
"Er" will "Ich" gerade ein großes Stück
Fleisch auf den Teller legen, da zieht "Ich" reflexartig den Teller
zurück.
Ich: "Nein, kein Fleisch bitte, ich ..."
"Er" mustert erst die Figur von „Ich“, dann die zwei
kleinen Stücke Polenta auf „Ich’s“ Teller.
Er (schon fast etwas mitleidig): "Dann ... wenigstens
... etwas Soße?"
"Ich" schüttelt
vehement den Kopf.
Ich: "Keine Soße!!
Bloß nicht!!"
Der Gesichtsausdruck von „Er“ spricht (fassungslose) Bände!
„Ha!“, ruft der weltbeste Mann nun laut aus - dem ich gerade, neben
ihm im Bett liegend, die letzten Zeilen vorgelesen hatte:
Er: „Und ich hab damals
nur gedacht: Ach du Scheiße! Schon wieder so eine magersüchtige
Schauspielerin! Wie schade!“
Ich: „Höhö ... weit
gefehlt!“
„Ich&Er“ grinsen vor sich hin.
Er: „Hättest du ein Essproblem gehabt, damit hätte ich nicht umgehen können!“
Ich: „Irgendwann habe
ich dann aber doch gesagt, dass es daran liegt, dass ich kein Fleisch esse!“
Er: „Und ich hab dir
dann auch gleich die Soße aus dem
Fischfond organisiert!“
Ich: „Du bist ja auch
toll! Du bist eben mein Mann!“
Er: „Dein Mann hat Hunger
... auf ein Stück Fleisch ...“
Ich: „Wie wäre es ... mit Prager Schinken?"
Ihre
Jana Hora-Goosmann
PS:Das einzige Mal, dass ich tatsächlich herzhaft über einen Vegetarier-Spruch gelacht habe, war, als ich folgenden Spruch (vom Bestenfreundvomweltbestenmann) zugeschickt bekommen habe:
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