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Freitag, 19. September 2014

Von " Fleischlos bis Prager Schinken "


Seit 1993 esse ich nun kein Fleisch mehr. Und seitdem hat sich so einiges verändert.



Nicht bei mir, nein. Denn - damals hatte ich zwar Folgendes gesagt:



"Wenn ich irgendwann mal wieder so einen richtigen Heißhunger auf Fleisch verspüren sollte, dann fange ich eben wieder damit an."



Passiert ist das aber nie. Und so esse ich seit Mitte '93 - bis auf ab und an Fisch - kein Fleisch mehr.



Ha! Und da war er wieder, der Aufschrei!



Fisch???



So wie vor einiger Zeit. Da hatte ich mal wieder mein kleines Sprüchlein aufgesagt, mit dem ich nun schon seit über 20 Jahren, mehr oder weniger erfolgreich, versuche das aufflackernde Entsetzen in den Augen eines potenziellen Gastgebers zu beschwichtigen:



Ich: "Mach dir keine Umstände, ich bin wirklich total unkompliziert! Ich esse auch gerne einfach nur die Beilagen. Und wie schon gesagt, Fisch esse ich ja!"



Bekannte (oberlehrerhaft): "Dann bist du ja aber gar keine richtige Vegetarierin!"



Ich stutzte kurz. Dann entschied ich, keine Kraft zu vergeuden. War ja auch nicht zum ersten Mal, dass so ein Spruch kam.



Auf dem Heimweg, musste ich dann aber doch darüber nachdenken.



Darüber, dass ich damals ja nicht mit dem Fleisch aufgehört hatte, um irgendwo dazuzugehören. Geschweige denn mich in meinem Essverhalten auf irgendeine Art katalogisieren zu lassen!



Ich hatte schon immer sehr wenig Fleisch gegessen. Und irgendwann, da wurden die Zustände bei den Tiertransporten, die Massentierhaltung, die damit einhergehenden Antibiotikabomben, und noch sehr vieles mehr, plötzlich unausweichlich präsent für mich.



All das wollte ich irgendwann einfach nicht mehr unterstützen - geschweige denn zu mir nehmen.



Den letzten Ausschlag machte dann tatsächlich noch ein mehrtägiges Praktikum im OP eines Krankenhauses, das ich aufgrund einer Serie absolvierte, in der ich kurze Zeit später eine Assistenzärztin spielen sollte.



Mein erster OP Tag begann dann auch durchaus spontan, so nach dem Motto:


"Ja, können wir machen, das mit dem Praktikum. Wie wäre es denn, gleich ab heute? Also jetzt?"



Nicht mal eine halbe Stunde später, stand ich bereits in voller OP-Montur in einem Operationssaal. Und der Haken in meiner Hand, der steckte im Fleisch eines offengelegten Knies eines narkotisierten Patienten. Wie das?



Nun, ein netter Chirurg hatte zuvor einfach mal nach meinem Handgelenk gegriffen und die dazugehörige Hand schnurstracks zu besagtem Haken geführt.  
Festhalten! ertönte es noch im Befehlston neben mir.



Einen Ruck später, als meine Hand am Haken vom Chirurgen mit Schwung wieder zu mir zurückgeführt wurde, erlebte ich somit am eigenen Leib was Haptik und ein haptisches Erlebnis, tatsächlich (auch) bedeuten können.



Da stand ich nun und konnte nicht anders, als hautnah einer etwas kniffeligen Suche nach einer Schraube zuzusehen.



Diese letzte Schraube, aus einer nun wieder zu entfernenden Titanplatte, hatte sich gelöst und war plötzlich unauffindbar!



Während ich in das offene Fleisch vor mir starrte, hatte die ganze Suchaktion tatsächlich etwas mit der Arbeit eines Metzgers gemein.



Und während mir, trotz Mundschutz, der Geruch von verbranntem Fleisch (Verödung der Gefäße) in die Nase stieg, hatte ich irgendwann tatsächlich nur einen Gedanken:



Dieser Mensch, wird nie wieder laufen können!"



Und dann aber auch noch: Bloß nicht kollabieren! Darauf warten die alle doch bestimmt nur ...



Ein paar Stunden später, da rief man mir zum Abschied dann noch fröhlich zu:



"Bis morgen! Morgen haben wir übrigens was ganz Tolles! Morgen haben wir Darm!"



Und so war es dann auch.



Übrigens, wenn Sie jemals einen Film sehen sollten, in dem eine Szene wie Nachfolgende vorkommen sollte - und Sie sind der Meinung, das sei völlig unrealistisch da kann ich nur sagen, die Realität, die setzt manchmal tatsächlich sogar noch einen oben drauf:



Innen / Tag / OP Raum



Hektisches Treiben in OP II. Chirurg 1 und Chirurg 2 stehen, mit leicht ratloser Miene, am OP-Tisch. Auf dem OP-Tisch liegt ein fülliger Patient, dessen Bauchhöhle weit offen auseinanderklafft.



Chirurg 1 hält Den-letzten-Schrei, eine neuartige Künstlicher-Darmausgang Plastik, in der Hand.



Derweil ist "Ich" gerade einen Schritt zurückgetreten. Und ringt mit sich, das  zuvor Gesehene irgendwie in einer Art Expressverfahren zu verarbeiten.



Noch kann Ich sich jedoch nicht entscheiden: Ist Ich jetzt eher völlig fasziniert oder überwiegt doch eher eine leichte Übelkeit?



Chirurg I nämlich, hatte die offene Bauchhöhle des Patienten zuvor mit einer Art Teleskopring aufgespannt und den Inhalt schließlich, wie in einer großen sackartigen Tasche, begutachtet.



Anschließend fing er dann an, mit beiden Händen in der Bauchhöhle des Patienten zu wühlen. Genau so, wie Ich es normalerweise auch zu tun pflegt, wenn Ich mal wieder etwas in einer ihrer Riesenhandtaschen sucht!



Nun aber, ein paar Augenblicke später, beraten Chirurg I und Chirurg II sich leise murmelnd:



Chirurg I: Ich glaube so, oder?



Chirurg II (dreht die Plastik zur anderen Seite): Oder so?



„Ich“ glaubt schon sich verhört zu haben, da fuchtelt Chirurg II plötzlich mit so etwas Ähnlichem wie einer Gebrauchsanweisung rum.



Ganz ehrlich, manche Dinge im Leben die muss, sollte und möchte man einfach nicht wissen ... oder?



Währenddessen steht eine OP-Schwester am Rande des OP-Saales und drückt auf eine Kurztaste des Haustelefons an der Wand. Einen Moment später, dreht sie sich zum gesamten OP-Team:



OP-Schwester: Heute gibts Hühnerfrikassee, wer will?



Ich war in den letzten Sekunden bereits wieder einen Schritt an den OP-Tisch herangetreten - und starrt, beim Wort Hühnerfrikassee, gerade in die offene Bauchhöhle des Patienten.



Chirurg1: Hühnerfrikassee für mich, lecker!



Ich weiß gerade nicht, ob sie gleich lachen oder vielleicht doch eher brechen wird.



Die Ehre jedoch siegt und es bleibt bei einem verzerrten Grinsen, das aufgrund des Mundschutzes aber wohl niemand mitbekommen haben wird.



Des Weiteren ahnt Ich noch nicht, dass manche Querverbindungen im Kopf einfach unauslöschlich sind! ;-)



Seit diesem Tag also, war es das, mit dem Fleisch.



Und wenn mir mein Körper nicht ab und an das Signal geben würde: Fisch! Ich würde auch den weglassen.



Demnach bin ich also eine Pescetarierin, wie ich heute noch einmal nachgelesen habe.



Einer von vielen Begriffen für jemanden- und was es da heutzutage nicht alles gibt- der nicht einfach nur und alles isst.



Wow ... das bringt mich in meinem nächsten Gespräch zu diesem Thema dann ja vielleicht sogar mal weiter!



Denn das Thema Essen, bzw. die Tatsache, dass ich etwas weglasse, scheint tatsächlich immer noch eine Diskussion oder ein Gespräch wert zu sein.



Nachfolgend, eine Art Zusammenschnitt von diversen und tatsächlich selbst erlebten Gesprächen:



XX: "Das könnte ich nicht, auf Fleisch verzichten."



Ich: "Für mich ist das kein Verzicht, ich habe schon immer wenig Fleisch gegessen."



XX (ironisch): "Aber ein Salatblatt lebt ja auch. Das hat doch auch Gefühle!

Und du trägst ja auch Leder."



Ich: "Ich hatte damals diverse Gründe, wieso ich damit aufgehört habe - ich wollte nicht gleich die Welt retten!"



XX: "Dein armer Mann, darf der denn wenigstens noch Fleisch essen?"



Ich: "Mein armer Mann" darf essen was er will! Oftmals ermutige ich ihn sogar, Fleisch zu essen. Und wenn er sich zum Beispiel mal ein Steak bestellt, dann mag er es so, dass ein Veterinär es wiederbeleben könnte. Für mich ist das dann ein wenig wie ein "Splattermovie". Aber das muss doch jeder für sich selbst entscheiden, wie er das handhabt!"



XX: "Willst du mal von meinem Gemüse probieren?"



Ich: "Danke, aber da ist ja Fleischsoße dran ..."



XX: "Ach ... aber das ist doch Hühnchen?"



Ich: "Ja. Und Hühnchen ist Fleisch."



XX: "Hhhmmmmm ... aber Milch und Käse isst du?"



Ich: "Ich hab mal über Jahre hinweg nur Sojamilch getrunken und nur Ziegen- oder Schafskäse gegessen. Seit ein paar Jahren trinke ich aber auch Lactosefreie Milch und esse wieder alle Käsesorten."



XX: "Warum? Und was ist mit Eiern?"



Ich: Wie schon gesagt (gähn), bis auf Fleisch ... esse ich soweit alles.



XX:Und was würdest du tun, nehmen wir mal an, du würdest irgendwo mit dem Flugzeug abstürzen, und plötzlich wärst du aber gezwungen Fleisch zu essen? Weil es vielleicht nichts anderes gibt? Vielleicht sogar einen Menschen?"



Puuuuuhhhhhh ... also echt ... oder?



Manchmal grenzt das ja wirklich an eine Art Vegetarische-Inquisition!



Da sich solch ein Gesprächsverlauf meist beim Essen abspielt, denn spätestens dann, "fällt es ja am ehesten auf", habe ich mir mit den Jahren wohl unterbewusst die ein oder andere Überlebensstrategie angeeignet.



Wenn es ein nettes Gespräch ist, dann warne ich schon mal vorab - auf die Frage hin, "Wieso und Weshalb" - und erzähle die Geschichte vom "Hühnerfrikassee" erst nach dem Essen.



Wenn das Gespräch aber eine nervige Wendung nimmt, gibts die volle Hühner- Frikassee-Packung. Und zwar sofort! Meist ist dann sehr schnell "Ruhe.



Eine gewisse Unlust meinerseits über dieses Thema zu sprechen, kann aber auch zu Missverständnissen führen:



Der weltbeste Mann und ich, wir lernten uns auf einer Sylvester-Party kennen. 

Alle Gäste waren auf drei Kochgruppen aufgeteilt :


Vor Haupt - Nachspeise.



Wie es der glückliche Zufall so wollte, befanden der weltbeste Mann und ich mich in der Gruppe, die für eine der Hauptspeisen zuständig war.



Und natürlich - bestand diese Hauptspeise aus Fleisch. Mit etwas Polenta.



Denn Sie wissen ja, was so ein richtiger Fleischfresser ist, der braucht nicht wirklich Beilage ...



All das, nahm ich jedoch völlig emotionslos zur Kenntnis.



Nach all den Jahren bin ich, wenn es denn nicht anders geht, völlig problemlos in der Lage den Schalter umzulegen, und mit was auch immer satt zu werden.



Übrigens, ich liebe es zu essen! Sollte ich aber mal wirklich großen Kummer haben dann höre ich tatsächlich damit auf.



Und so war es auch, einen gewissen Zeitraum lang, vor besagtem Sylvester.


Will heißen, für meine Verhältnisse war ich fast schon ein wenig unangenehm schlank.



Irgendwann wurden also die Teller gefüllt und hinausgetragen, bis es schließlich zu meinem Teller kam - auf dem zwei trockene Stücke Polenta lagen:



"Er" will "Ich" gerade ein großes Stück Fleisch auf den Teller legen, da zieht "Ich" reflexartig den Teller zurück.



Ich: "Nein, kein Fleisch bitte, ich ..."



"Er" mustert erst die Figur von Ich, dann die zwei kleinen Stücke Polenta auf Ichs Teller.



Er (schon fast etwas mitleidig): "Dann ... wenigstens ... etwas Soße?"



"Ich" schüttelt vehement den Kopf.



Ich: "Keine Soße!! Bloß nicht!!"



Der Gesichtsausdruck von Er spricht (fassungslose) Bände!



Ha!, ruft der weltbeste Mann nun laut aus - dem ich gerade, neben ihm im Bett liegend, die letzten Zeilen vorgelesen hatte:



Er: Und ich hab damals nur gedacht: Ach du Scheiße! Schon wieder so eine magersüchtige Schauspielerin! Wie schade!


Ich: Höhö ... weit gefehlt!



Ich&Er grinsen vor sich hin.



Er: Hättest du ein Essproblem gehabt, damit hätte ich nicht umgehen können!



Ich: Irgendwann habe ich dann aber doch gesagt, dass es daran liegt, dass ich kein Fleisch esse!



Er: Und ich hab dir dann auch gleich die Soße aus dem Fischfond organisiert!



Ich: Du bist ja auch toll! Du bist eben mein Mann!



Er: Dein Mann hat Hunger ... auf ein Stück Fleisch ...



Ich: Wie wäre es ... mit Prager Schinken?"




Schlafen Sie gut!


Ihre



Jana Hora-Goosmann

PS:Das einzige Mal, dass ich tatsächlich herzhaft über einen Vegetarier-Spruch gelacht habe, war, als ich folgenden Spruch (vom Bestenfreundvomweltbestenmann) zugeschickt bekommen habe:


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