Nun ist dies bereits der zwanzigste Trötgedanke! Ich finde, das verlangt
nach einer Jubiläumsausgabe!
Vielleicht sogar einem Fortsetzungs-Experiment.
Alle 20 „Tröter“, gibt es dann
vielleicht mal eine kleine „Blogovela“ zwischendurch. Tatsächlich
habe ich übrigens selbst
gerade noch nicht die blasseste Ahnung, worum es eigentlich gehen soll!
Und natürlich
haben wir auch schon wieder - aber so was von- kurz vor Freitag! Was habe ich
mir eigentlich dabei gedacht ...? :-)
Und eigentlich, da schwebte mir ja ein ganz anderes Thema
vor. Aber dann, plötzlich und in der
letzten Trötgedanken-Themenabnahme-Sitzung,
da wurde alles wieder gekippt.
Von wem? Na, von mir selbst, natürlich! Irgendwie schon ein wenig
schizophren, oder?
Aber ganz ehrlich, zwischendurch, da hatte ich mal Lust
etwas ganz anderes zu schreiben.
Lassen Sie sich drauf ein?
Dann lehnen Sie sich zurück
und tauchen Sie ein - in die Welt von "Ich", die ausnahmsweise und
der Einfachheit halber, in dieser Sonderausgabe "Sie" genannt wird -
gewürzt mit "Er
/ dem weltbesten Mann", und noch dem ein oder anderen mehr.
Eine Welt, wie sie vielleicht sein könnte - wenn tatsächlich aber dann doch nicht alles so
wäre, wie es
eigentlich ist ...
I
"Hattest du mich eben versucht zu erreichen?", flüsterte sie und ohne jedes weitere Begrüßungs Geplänkel ins Telefon. Dann hielt sie kurz
den Atem an. Ihr war so, als hörte
sie ihr eigenes Blut durch die Adern rauschen. Als sie die Hand von der
pochenden Schläfe sinken ließ, huschte sie mit den Fingerspitzen über das kleine, deutlich sichtbar ausschlagende, Stück Haut über
ihrer Halsschlagader.
"Nein, wieso?", ertönte
nun am anderen Ende der Leitung die sonore Stimme des weltbesten Mannes.
"Nur so ... du, ich muss auflegen!", log sie nun und starrte auf ihre gerunzelte
Stirn, in der Spiegelung der Glasfront vor ihr. Draußen war es mittlerweile dunkel und verregnet, während sie, inmitten des gleißenden Lichts in der Galerie, sich vorkam, wie auf dem Präsentierteller. "Alles in
Ordnung?", schaffte er es gerade noch zu fragen, bevor sie ihn, einfach
so, beinahe schon weggedrückt hätte.
"Alles in Ordnung!", rief sie, vielleicht eine
Spur zu fröhlich. Dann
wischte sie schnell mit dem Finger über
das Display ihres Handys. Während
sie einen Moment lang auf das Bild vor sich an der Wand starrte, versuchte sie
einen klaren Gedanken zu fassen.
Die bunten Farben des Pop-Art Künstlers, dessen Arbeiten sie den Besuchern der Galerie seit
ein paar Wochen gerne und ausgiebig zeigte, verschwommen nun wabernd vor ihren
Augen.
Übrig blieb nur
ein Satz. Dieser breitete sich nun hämmernd
in ihrem Kopf aus: ICH SEHE DICH!
Vor zwei Tagen, da hatte es angefangen. Das Klingeln des
Telefons hatte den Sound der unaufdringlichen Hintergrundmusik bereits etliche
Male übertönt.
Zu diesem Zeitpunkt jedoch befand sie sich inmitten eines
Kundengesprächs. Und so sprintete
sie, irgendwann eine Entschuldigung murmelnd, zum Telefon der Galerie, um
schließlich - ein wenig
außer Atem - abzuheben.
Außer einem Knacken
in der Leitung jedoch, war nichts weiter zu hören.
Beim dritten Mal und im Laufe desselben Tages - ihre fröhliche Unbeschwertheit drohte bereits einer aufkommenden
Gereiztheit zu weichen - da meinte sie plötzlich,
am anderen Ende der Leitung etwas zu vernehmen.
Ein leises Kichern.
Unbeirrt wiederholte sie mit fester Stimme den Namen der Galerie,
da wurde die Leitung aber wieder mit einem lauten Knacken getrennt.
Für einen kurzen
Moment stutzte sie. Dann schüttelte
sie, den jäh über ihren Nacken gekrochenen, leichten Schauer, einfach
wieder ab. Sie schmiss die blonden Haare in den Nacken und verzog den Mund zu
einem spöttischen Grinsen.
„Spinner“, rief sie, laut und deutlich in den leeren Galerieraum
hinein. Dann fing sie an das Licht in den Räumen
zu löschen. Später im Auto, der weltbeste Mann hatte sie kurze Zeit später abgeholt, da hatte sie die irritierende Begebenheit bereits
wieder vergessen.
Als sie heute jedoch die Tür
zur Galerie aufschließen wollte, da
hatte sie ihn, in ihrer Bewegung stockend, bemerkt. Einen fein säuberlich zusammengefalteten Zettel. Verdutzt starrte sie
auf das blütenweiße Papier, das tatsächlich
zwischen Tür und Türrahmen steckte. Wie konnte das sein? Die Putzfrau sollte
erst morgen in der Galerie erscheinen, und sie selbst war am Vorabend die
letzte Person gewesen die abgeschlossen hatte. Während
ihr das kleine Papier beim Aufschließen
der Tür vor die Füße fiel, flammte für
einen Bruchteil der Sekunde die Hoffnung in ihr auf, die Besitzer, die sie
eigentlich für ein paar Tage
als Gäste einer
Hochzeit in der Provence wähnte,
hätten ihr auf
ungewöhnlichem Wege
eine Nachricht zukommen lassen.
Und so bückte
sie sich kurz nach dem Zettel zu ihren Füßen.
Dabei tat sie so - sie wusste selbst nicht warum - als wolle sie nur den Saum
ihrer Hose richten. Dann betrat sie die Galerie und schloss die Tür hinter sich. Als sie den Schlüssel wieder ins Schloss steckte, bemerkte sie das leichte
Zittern ihrer Hand.
Ein paar Minuten blieben ihr noch, bevor sie die Galerie
wieder aufschließen musste, und so
ging sie ein paar Schritte und ließ
sich auf eines der plüschigen Sofas
fallen.
Als sie den Zettel in ihrer Hand auseinandergefaltet hatte,
überflog sie die fettgedruckte Computerschrift: ICH SEHE
DICH!
Das war vor ein paar Stunden gewesen. Da der Galeriebetrieb
in den darauf folgenden Stunden eher gemächlich
gewesen war, ließ dieser Umstand
umso mehr Platz für die immer öfter aufkeimenden Spekulationen in ihrem Kopf.
Diese wurden auch noch befeuert als irgendwann nicht das
Telefon der Galerie, sondern ihr eigenes Handy klingelte.
„Hallo?“, hatte sie sich nur gemeldet. Und da war sie wieder - die
Stille vor dem Knacken! Sonst nichts weiter. Das Telefon in der Galerie war
eine Sache, das eigene Handy bedeutet jedoch eine völlig andere. Der nächste
Besucher der Galerie wurde, sie konnte einfach nicht anders, einen Moment lang
argwöhnisch von ihr
begutachtet.
Und nun, ein paar Stunden später,
stand sie also noch immer gedankenverloren vor einem ihrer Lieblingsbilder, der
laufenden Ausstellung. Die poppigen Farben fingen plötzlich immer mehr an, vor ihren Augen zu verschwimmen, sodass
sie schon fast meinte, sehen zu können,
wie die farbenfrohen Figuren nun plastisch aus dem Rahmen hervortraten und, in
einer Art Hologramm, anfingen, um sie herum zu tanzen. Da wurde ihr plötzlich ganz schwindelig.
Mit beiden Händen
rieb sie nun über ihre Stirn
und schloss für einen Atemzug
die Augen. Vielleicht war sie auch einfach nur völlig
verspannt. Als es ihr kurzfristig gelang das Bewusstsein auf ihren Körper zu lenken, bemerkte sie verwundert ihre krampfhaft nach
oben gezogenen Schultern.
Höchstwahrscheinlich
gibt es für alles eine völlig banale Erklärung,
dachte sie noch, und - womöglich,
galt das alles ja gar nicht ihr? Sondern den Besitzern? Für einen kurzen Moment brachte ihr dieser Gedanke eine
diffuse Form der Erleichterung. Dann besann sie sich. Denn, wenn dem so wäre, spekulierte sie weiter, dann musste sie die Besitzer
darüber informieren.
Da wurde plötzlich
und mit viel Schwung die Tür
zur Galerie geöffnet.
"Haben Sie noch geöffnet?",
fragte der Mann vor ihr nun, dessen durchnässter,
aus schwerem, dunklem Stoff gefertigter Herbstmantel, bereits die ersten
Regentropfen auf dem Galerieboden abgab.
Während sie noch
mit aller Macht darum rang, den stechenden Schmerz zu bewältigen der, als ihr Kopf zur Tür geschnellt war, dem Knacken ihrer, sich
ineinander verkeilenden, Halswirbel gefolgt war - brachte sie überrumpelt nur ein "Ja, natürlich!" hervor. Dann spürte sie ihr Herz bis in den Kopf schlagen.
„Was für ein Sauwetter“,
gab der Mann nun in leisem, unaufgeregtem Ton von sich. Die Wassertropfen
liefen ihm vom schütteren, grauen
Haar übers Gesicht, was
er irgendwie stoisch über sich ergehen
ließ.
Während er sich mit
einer leichten Drehung, die Hände
noch immer fest in den Manteltaschen vergraben, einen Überblick in der Galerie zu verschaffen schien - stand sie
einfach nur da.
„Ich weiß nicht, wie oft ich hier schon vorbeigegangen bin, und mir
vorgenommen habe, mal reinzuschauen. Aber normalerweise haben sie ja um diese
Uhrzeit bereits geschlossen.“
Ihr war, als würden
die Sätze des Mannes
sie durch einen riesigen Berg dicht geschlagener Schlagsahne hindurch
erreichen. Langsam hob sie das Handgelenk und sah auf das Ziffernblatt ihrer
Uhr. Verwundert bemerkte sie, dass sie eigentlich bereits seit einer
Viertelstunde Feierabend hatte.
Da kam der späte
Besucher bereits mit schweren Schritten auf sie zu. Und als er unangenehm nah
vor ihr zum Stehen kam, da umklammerte ihre Hand das Handy in der Seitentasche
ihres Jacketts.
„Ich kann sie gerne
mal rumführen“, fing sie sich nun wieder. Mehr aus einer Art Reflex
heraus, als dass sie es sich vorgenommen hätte.
Als sie am Besucher vorbei und ein paar Schritte voran ging, bemerkte sie die feine
alkoholische Ausdünstung, die von
ihm ausging und nun bleiern zwischen ihnen in der Luft hing.
Kaum waren beide in einem angrenzenden, hell
ausgeleuchteten Raum angelangt –
dieser war großflächig von der Straße
aus einzusehen - starrte der Besucher sie nun plötzlich
unverhohlen an.
„Sie haben Glück, diese Ausstellung läuft
nur noch bis morgen. Dann ist die Reihe wieder an einem anderen Künstler“,
sprach sie nun. Derweil umspielte ihre Lippen ein freundlich-distanziertes Lächeln.
„Ich kenne sie
doch von irgendwo her ...“, kam er nun
erneut, und einen Schritt zu nah, auf sie zu.
„Sie sind doch
Schauspielerin, nicht wahr? Was machen Sie denn hier?“
In ihrem Kopf ratterte es. Natürlich wurde sie ab und an erkannt. Das tat jedoch für ihre Arbeit in der Galerie nichts zur Sache. Sie war bloß eine weitere Schauspielerin, die diverse Leerlaufzeiten
mit einem Nebenjob ausfüllte. Was gab es
da Besseres als von Kunst umgeben zu sein?
„Ach, wissen Sie,
das hab ich schon des Öfteren gehört - dass es da wohl eine gewisse Ähnlichkeit geben soll ...“
Während sie noch
ein Lächeln oben draufsetzte
und sich beflissen zu dem Bild an der Wand vor ihr drehte, bemerkte sie, aus
den Augenwinkeln heraus, schemenhaft seine Bemühung
eines verzerrten Lächelns.
„Du glaubst wohl
auch, ich bin dämlich, oder?“, flüsterte er nun.
Seine Hände,
nach wie vor weiterhin in den Taschen seines Mantels vergraben, schienen sich
nun zu Fäusten zu ballen.
Für einen Moment
glaubte sie, sich verhört zu haben.
Dann glitt ihr Blick jedoch verwundert über den kalten Blick des Besuchers und ganz automatisch, für den Fall, dass sie gleich an ihm vorbei zur Tür laufen musste, spannte sie jede Faser ihres Körpers an.
„Ich schlage vor, Sie
gehen jetzt. Eigentlich haben wir ja schon geschlossen.“ setzte sie nun ein kühles
Lächeln auf.
Es entstand eine dumpfe Stille, die man sonst nur im Winter
erfährt, wenn dicht
gefallener Neuschnee alle Geräusche
um einen herum schluckt.
Da fiel, etwas entfernt, nun die Tür zur Galerie erneut ins Schloss.
Dies, ließ
beide Köpfe zur Seite
schnellen.
„Guten Abend!“ stand der weltbeste Mann nun im Raum und blickte
augenzwinkernd zu seiner Frau. „Lass
dich nicht stören, ich habe
heute früher Schluss
gemacht“.
Dankbar setzte diese sich nun mit schnellen Schritten zu
ihm in Bewegung.
„Au, du quetschst
mir ja die Hand!“, bemerkte er nun
lachend zu seiner Frau. Als er ihren Blick sah, stutzte er.
„Alles in Ordnung?“, fragte er, in die weiterhin angespannte Stille hinein.
„Der Herr wollte
gerade gehen“, sagte sie nun und
in einem Tonfall, der keine Widerrede erlaubte. Das ließ den Kopf des weltbesten Mannes sofort in die Blickrichtung
des Besuchers schnellen. Nach einem kurzen Moment, in dem dieser gedanklich
etwas abzuwägen schien, setzte
er sich schließlich schleppend
in Bewegung.
Dies veranlasste den weltbesten Mann nun dazu, seine Frau freundlich
aber bestimmt ein paar Schritte in den Hauptraum der Galerie zu schieben und
weiter schnellen Ganges zur Tür
zu schreiten, um diese zu öffnen.
„Schönen Abend noch“,
fletschte er nun in Richtung des Besuchers das glatteste Lächeln, das er anzubieten hatte, und wäre ihr danach gewesen, sie hätte
daraufhin kurz aufgelacht. Aber ihr war nicht danach. Und obwohl sie noch ein
wenig mit sich rang, war der Drang, es herauszufinden, einfach stärker.
„Haben Sie
wiederholt hier angerufen und einen Zettel zwischen die Tür geklemmt?“,
durchschnitt der scharfe Tonfall ihrer Worte nun die schweren Schritte des
Besuchers.
„Was?“, stieß
der weltbeste Mann nun fassungslos hervor. Dann trat er dem Besucher
entschlossen in den Weg.
„Was ist hier los?“, hallte seine sonore Stimme nun gefährlich-freundlich von den Galeriewänden zurück.
Während der
Besucher dem Blick des weltbesten Mannes stand hielt, huschte ein freches
Grinsen über sein Gesicht.
„Na, überlegst du jetzt, woher wir uns wohl kennen?“, sagte er nun zum weltbesten Mann, und seine spitzen
Lippen schienen jedes einzelne Wort zu zelebrieren.
„Du kennst den
Mann?“, entfuhr es ihr
nun. Denn plötzlich, da hatte
sie in den Augen ihres Mannes ein Zögern
bemerkt.
Und diesmal, überrollte
eine imaginäre Schneelawine
die gesamte Szenerie. In der jeder an den Lippen des anderen hing, und die
Gesichter für einen Moment
atemlos und gefroren zu sein schienen.
Einen Wimpernschlag später
geschah etwas, dessen Verlauf sie sich in den kommenden Tagen noch oft vor
Augen führen würde.
In ihrer Erinnerung war ihr so, als würde der massige Körper
des Besuchers sich, nach wie vor die Hände
in den Taschen begraben, bedrohlich gegen die verschränkten Arme des weltbesten Mannes stemmen.
Eine gefühlte
Millisekunde später, wie ihr
schien, kam es zu einem folgenschweren Gerangel. Zuvor jedoch war sie noch ein
paar schnelle Schritte auf die beiden Männer
zugegangen: „Waffe, ich
glaube, er hat ...!“, hatte sie noch
ausgerufen - da lag der Besucher bereits
auf dem Boden.
Sein massiger Körper
war am weltbesten Mann wie ein nasser Sack abgerutscht und ihr regelrecht vor
die Füße gefallen. Der
Aufprall seines Kopfes, auf dem verwitterten Holzboden, hatte dabei dumpf durch
den Raum gehallt. In dem Augenblick, als der weltbeste Mann sich zu ihm
herunterbeugte, um den Puls des Besuchers zu tasten, bahnte sich bereits ein
dunkelroter Rinnsal seinen Weg zur Schuhspitze einer ihrer beigefarbenen Wildlederpumps
- und sog sich fest. Eine Mischung aus Hellrosa und Pink, dachte sie nur. Und,
dass sich das mit den Bildern beißt.
To be
continued.
Teil II, nächsten
Freitag.
Schlafen Sie gut!
Ihre Jana Hora-Goosmann
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