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Freitag, 10. Oktober 2014

" Schlaflos in Berlin Special - Teil I "

Nun ist dies bereits der zwanzigste Trötgedanke! Ich finde, das verlangt nach einer Jubiläumsausgabe! Vielleicht sogar einem Fortsetzungs-Experiment.



Alle 20 „Tröter“, gibt es dann vielleicht mal eine kleine „Blogovela“ zwischendurch. Tatsächlich habe ich übrigens selbst gerade noch nicht die blasseste Ahnung, worum es eigentlich gehen soll!



Und natürlich haben wir auch schon wieder - aber so was von- kurz vor Freitag! Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht ...? :-)





Und eigentlich, da schwebte mir ja ein ganz anderes Thema vor. Aber dann, plötzlich und in der letzten Trötgedanken-Themenabnahme-Sitzung, da wurde alles wieder gekippt.



Von wem? Na, von mir selbst, natürlich! Irgendwie schon ein wenig schizophren, oder?



Aber ganz ehrlich, zwischendurch, da hatte ich mal Lust etwas ganz anderes zu schreiben.



Lassen Sie sich drauf ein?



Dann lehnen Sie sich zurück und tauchen Sie ein - in die Welt von "Ich", die ausnahmsweise und der Einfachheit halber, in dieser Sonderausgabe "Sie" genannt wird - gewürzt mit "Er / dem weltbesten Mann", und noch dem ein oder anderen mehr.





Eine Welt, wie sie vielleicht sein könnte - wenn tatsächlich aber dann doch nicht alles so wäre, wie es eigentlich ist ...



I



"Hattest du mich eben versucht zu erreichen?", flüsterte sie und ohne jedes weitere Begrüßungs Geplänkel ins Telefon. Dann hielt sie kurz den Atem an. Ihr war so, als hörte sie ihr eigenes Blut durch die Adern rauschen. Als sie die Hand von der pochenden Schläfe sinken ließ, huschte sie mit den Fingerspitzen über das kleine, deutlich sichtbar ausschlagende, Stück Haut über ihrer Halsschlagader.



"Nein, wieso?", ertönte nun am anderen Ende der Leitung die sonore Stimme des weltbesten Mannes.



"Nur so ... du, ich muss auflegen!", log sie nun und starrte auf ihre gerunzelte Stirn, in der Spiegelung der Glasfront vor ihr. Draußen war es mittlerweile dunkel und verregnet, während sie, inmitten des gleißenden Lichts in der Galerie, sich vorkam, wie auf dem Präsentierteller. "Alles in Ordnung?", schaffte er es gerade noch zu fragen, bevor sie ihn, einfach so, beinahe schon weggedrückt hätte.



"Alles in Ordnung!", rief sie, vielleicht eine Spur zu fröhlich. Dann wischte sie schnell mit dem Finger über das Display ihres Handys. Während sie einen Moment lang auf das Bild vor sich an der Wand starrte, versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen.



Die bunten Farben des Pop-Art Künstlers, dessen Arbeiten sie den Besuchern der Galerie seit ein paar Wochen gerne und ausgiebig zeigte, verschwommen nun wabernd vor ihren Augen.



Übrig blieb nur ein Satz. Dieser breitete sich nun hämmernd in ihrem Kopf aus: ICH SEHE DICH!



Vor zwei Tagen, da hatte es angefangen. Das Klingeln des Telefons hatte den Sound der unaufdringlichen Hintergrundmusik bereits etliche Male übertönt.



Zu diesem Zeitpunkt jedoch befand sie sich inmitten eines Kundengesprächs. Und so sprintete sie, irgendwann eine Entschuldigung murmelnd, zum Telefon der Galerie, um schließlich - ein wenig außer Atem - abzuheben. Außer einem Knacken in der Leitung jedoch, war nichts weiter zu hören.



Beim dritten Mal und im Laufe desselben Tages - ihre fröhliche Unbeschwertheit drohte bereits einer aufkommenden Gereiztheit zu weichen - da meinte sie plötzlich, am anderen Ende der Leitung etwas zu vernehmen.

Ein leises Kichern.



Unbeirrt wiederholte sie mit fester Stimme den Namen der Galerie, da wurde die Leitung aber wieder mit einem lauten Knacken getrennt.



Für einen kurzen Moment stutzte sie. Dann schüttelte sie, den jäh über ihren Nacken gekrochenen, leichten Schauer, einfach wieder ab. Sie schmiss die blonden Haare in den Nacken und verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen.



„Spinner“, rief sie, laut und deutlich in den leeren Galerieraum hinein. Dann fing sie an das Licht in den Räumen zu löschen. Später im Auto, der weltbeste Mann hatte sie kurze Zeit später abgeholt, da hatte sie die irritierende Begebenheit bereits wieder vergessen.



Als sie heute jedoch die Tür zur Galerie aufschließen wollte, da hatte sie ihn, in ihrer Bewegung stockend, bemerkt. Einen fein säuberlich zusammengefalteten Zettel. Verdutzt starrte sie auf das blütenweiße Papier, das tatsächlich zwischen Tür und Türrahmen steckte. Wie konnte das sein? Die Putzfrau sollte erst morgen in der Galerie erscheinen, und sie selbst war am Vorabend die letzte Person gewesen die abgeschlossen hatte. Während ihr das kleine Papier beim Aufschließen der Tür vor die Füße fiel, flammte für einen Bruchteil der Sekunde die Hoffnung in ihr auf, die Besitzer, die sie eigentlich für ein paar Tage als Gäste einer Hochzeit in der Provence wähnte, hätten ihr auf ungewöhnlichem Wege eine Nachricht zukommen lassen.



Und so bückte sie sich kurz nach dem Zettel zu ihren Füßen. Dabei tat sie so - sie wusste selbst nicht warum - als wolle sie nur den Saum ihrer Hose richten. Dann betrat sie die Galerie und schloss die Tür hinter sich. Als sie den Schlüssel wieder ins Schloss steckte, bemerkte sie das leichte Zittern ihrer Hand.



Ein paar Minuten blieben ihr noch, bevor sie die Galerie wieder aufschließen musste, und so ging sie ein paar Schritte und ließ sich auf eines der plüschigen Sofas fallen.



Als sie den Zettel in ihrer Hand auseinandergefaltet hatte, überflog sie die fettgedruckte Computerschrift: ICH SEHE DICH!



Das war vor ein paar Stunden gewesen. Da der Galeriebetrieb in den darauf folgenden Stunden eher gemächlich gewesen war, ließ dieser Umstand umso mehr Platz für die immer öfter aufkeimenden Spekulationen in ihrem Kopf.



Diese wurden auch noch befeuert als irgendwann nicht das Telefon der Galerie, sondern ihr eigenes Handy klingelte.



„Hallo?“, hatte sie sich nur gemeldet. Und da war sie wieder - die Stille vor dem Knacken! Sonst nichts weiter. Das Telefon in der Galerie war eine Sache, das eigene Handy bedeutet jedoch eine völlig andere. Der nächste Besucher der Galerie wurde, sie konnte einfach nicht anders, einen Moment lang argwöhnisch von ihr begutachtet.



Und nun, ein paar Stunden später, stand sie also noch immer gedankenverloren vor einem ihrer Lieblingsbilder, der laufenden Ausstellung. Die poppigen Farben fingen plötzlich immer mehr an, vor ihren Augen zu verschwimmen, sodass sie schon fast meinte, sehen zu können, wie die farbenfrohen Figuren nun plastisch aus dem Rahmen hervortraten und, in einer Art Hologramm, anfingen, um sie herum zu tanzen. Da wurde ihr plötzlich ganz schwindelig.



Mit beiden Händen rieb sie nun über ihre Stirn und schloss für einen Atemzug die Augen. Vielleicht war sie auch einfach nur völlig verspannt. Als es ihr kurzfristig gelang das Bewusstsein auf ihren Körper zu lenken, bemerkte sie verwundert ihre krampfhaft nach oben gezogenen Schultern.



Höchstwahrscheinlich gibt es für alles eine völlig banale Erklärung, dachte sie noch, und - womöglich, galt das alles ja gar nicht ihr? Sondern den Besitzern? Für einen kurzen Moment brachte ihr dieser Gedanke eine diffuse Form der Erleichterung. Dann besann sie sich. Denn, wenn dem so wäre, spekulierte sie weiter, dann musste sie die Besitzer darüber informieren.



Da wurde plötzlich und mit viel Schwung die Tür zur Galerie geöffnet.



"Haben Sie noch geöffnet?", fragte der Mann vor ihr nun, dessen durchnässter, aus schwerem, dunklem Stoff gefertigter Herbstmantel, bereits die ersten Regentropfen auf dem Galerieboden abgab.



Während sie noch mit aller Macht darum rang, den stechenden Schmerz zu bewältigen der, als ihr Kopf zur Tür geschnellt war, dem Knacken ihrer, sich ineinander verkeilenden, Halswirbel gefolgt war - brachte sie überrumpelt nur ein "Ja, natürlich!" hervor. Dann spürte sie ihr Herz bis in den Kopf schlagen.



„Was für ein Sauwetter“, gab der Mann nun in leisem, unaufgeregtem Ton von sich. Die Wassertropfen liefen ihm vom schütteren, grauen Haar übers Gesicht, was er irgendwie stoisch über sich ergehen ließ.



Während er sich mit einer leichten Drehung, die Hände noch immer fest in den Manteltaschen vergraben, einen Überblick in der Galerie zu verschaffen schien - stand sie einfach nur da.



„Ich weiß nicht, wie oft ich hier schon vorbeigegangen bin, und mir vorgenommen habe, mal reinzuschauen. Aber normalerweise haben sie ja um diese Uhrzeit bereits geschlossen.“



Ihr war, als würden die Sätze des Mannes sie durch einen riesigen Berg dicht geschlagener Schlagsahne hindurch erreichen. Langsam hob sie das Handgelenk und sah auf das Ziffernblatt ihrer Uhr. Verwundert bemerkte sie, dass sie eigentlich bereits seit einer Viertelstunde Feierabend hatte.



Da kam der späte Besucher bereits mit schweren Schritten auf sie zu. Und als er unangenehm nah vor ihr zum Stehen kam, da umklammerte ihre Hand das Handy in der Seitentasche ihres Jacketts.



„Ich kann sie gerne mal rumführen“, fing sie sich nun wieder. Mehr aus einer Art Reflex heraus, als dass sie es sich vorgenommen hätte. Als sie am Besucher vorbei und ein paar Schritte voran ging, bemerkte sie die feine alkoholische Ausdünstung, die von ihm ausging und nun bleiern zwischen ihnen in der Luft hing.



Kaum waren beide in einem angrenzenden, hell ausgeleuchteten Raum angelangt – dieser war großflächig von der Straße aus einzusehen - starrte der Besucher sie nun plötzlich unverhohlen an.



„Sie haben Glück, diese Ausstellung läuft nur noch bis morgen. Dann ist die Reihe wieder an einem anderen Künstler“, sprach sie nun. Derweil umspielte ihre Lippen ein freundlich-distanziertes Lächeln.





„Ich kenne sie doch von irgendwo her ...“, kam er nun erneut, und einen Schritt zu nah, auf sie zu.



„Sie sind doch Schauspielerin, nicht wahr? Was machen Sie denn hier?“



In ihrem Kopf ratterte es. Natürlich wurde sie ab und an erkannt. Das tat jedoch für ihre Arbeit in der Galerie nichts zur Sache. Sie war bloß eine weitere Schauspielerin, die diverse Leerlaufzeiten mit einem Nebenjob ausfüllte. Was gab es da Besseres als von Kunst umgeben zu sein?



„Ach, wissen Sie, das hab ich schon des Öfteren gehört - dass es da wohl eine gewisse Ähnlichkeit geben soll ...“



Während sie noch ein Lächeln oben draufsetzte und sich beflissen zu dem Bild an der Wand vor ihr drehte, bemerkte sie, aus den Augenwinkeln heraus, schemenhaft seine Bemühung eines verzerrten Lächelns.



„Du glaubst wohl auch, ich bin dämlich, oder?“, flüsterte er nun.



Seine Hände, nach wie vor weiterhin in den Taschen seines Mantels vergraben, schienen sich nun zu Fäusten zu ballen.



Für einen Moment glaubte sie, sich verhört zu haben.



Dann glitt ihr Blick jedoch verwundert über den kalten Blick des Besuchers und ganz automatisch, für den Fall, dass sie gleich an ihm vorbei zur Tür laufen musste, spannte sie jede Faser ihres Körpers an.



„Ich schlage vor, Sie gehen jetzt. Eigentlich haben wir ja schon geschlossen.“ setzte sie nun ein kühles Lächeln auf.



Es entstand eine dumpfe Stille, die man sonst nur im Winter erfährt, wenn dicht gefallener Neuschnee alle Geräusche um einen herum schluckt.



Da fiel, etwas entfernt, nun die Tür zur Galerie erneut ins Schloss.

Dies, ließ beide Köpfe zur Seite schnellen.



„Guten Abend!“ stand der weltbeste Mann nun im Raum und blickte augenzwinkernd zu seiner Frau. „Lass dich nicht stören, ich habe heute früher Schluss gemacht“.



Dankbar setzte diese sich nun mit schnellen Schritten zu ihm in Bewegung.



„Au, du quetschst mir ja die Hand!“, bemerkte er nun lachend zu seiner Frau. Als er ihren Blick sah, stutzte er.



„Alles in Ordnung?“, fragte er, in die weiterhin angespannte Stille hinein.



„Der Herr wollte gerade gehen“, sagte sie nun und in einem Tonfall, der keine Widerrede erlaubte. Das ließ den Kopf des weltbesten Mannes sofort in die Blickrichtung des Besuchers schnellen. Nach einem kurzen Moment, in dem dieser gedanklich etwas abzuwägen schien, setzte er sich schließlich schleppend in Bewegung.



Dies veranlasste den weltbesten Mann nun dazu, seine Frau freundlich aber bestimmt ein paar Schritte in den Hauptraum der Galerie zu schieben und weiter schnellen Ganges zur Tür zu schreiten, um diese zu öffnen.



„Schönen Abend noch“, fletschte er nun in Richtung des Besuchers das glatteste Lächeln, das er anzubieten hatte, und wäre ihr danach gewesen, sie hätte daraufhin kurz aufgelacht. Aber ihr war nicht danach. Und obwohl sie noch ein wenig mit sich rang, war der Drang, es herauszufinden, einfach stärker.



„Haben Sie wiederholt hier angerufen und einen Zettel zwischen die Tür geklemmt?“, durchschnitt der scharfe Tonfall ihrer Worte nun die schweren Schritte des Besuchers.



„Was?“, stieß der weltbeste Mann nun fassungslos hervor. Dann trat er dem Besucher entschlossen in den Weg.



„Was ist hier los?“, hallte seine sonore Stimme nun gefährlich-freundlich von den Galeriewänden zurück.



Während der Besucher dem Blick des weltbesten Mannes stand hielt, huschte ein freches Grinsen über sein Gesicht.



„Na, überlegst du jetzt, woher wir uns wohl kennen?“, sagte er nun zum weltbesten Mann, und seine spitzen Lippen schienen jedes einzelne Wort zu zelebrieren.



„Du kennst den Mann?“, entfuhr es ihr nun. Denn plötzlich, da hatte sie in den Augen ihres Mannes ein Zögern bemerkt.



Und diesmal, überrollte eine imaginäre Schneelawine die gesamte Szenerie. In der jeder an den Lippen des anderen hing, und die Gesichter für einen Moment atemlos und gefroren zu sein schienen.



Einen Wimpernschlag später geschah etwas, dessen Verlauf sie sich in den kommenden Tagen noch oft vor Augen führen würde.



In ihrer Erinnerung war ihr so, als würde der massige Körper des Besuchers sich, nach wie vor die Hände in den Taschen begraben, bedrohlich gegen die verschränkten Arme des weltbesten Mannes stemmen.



Eine gefühlte Millisekunde später, wie ihr schien, kam es zu einem folgenschweren Gerangel. Zuvor jedoch war sie noch ein paar schnelle Schritte auf die beiden Männer zugegangen: „Waffe, ich glaube, er hat ...!“, hatte sie noch ausgerufen -  da lag der Besucher bereits auf dem Boden.



Sein massiger Körper war am weltbesten Mann wie ein nasser Sack abgerutscht und ihr regelrecht vor die Füße gefallen. Der Aufprall seines Kopfes, auf dem verwitterten Holzboden, hatte dabei dumpf durch den Raum gehallt. In dem Augenblick, als der weltbeste Mann sich zu ihm herunterbeugte, um den Puls des Besuchers zu tasten, bahnte sich bereits ein dunkelroter Rinnsal seinen Weg zur Schuhspitze einer ihrer beigefarbenen Wildlederpumps - und sog sich fest. Eine Mischung aus Hellrosa und Pink, dachte sie nur. Und, dass sich das mit den Bildern beißt.







To be continued.



Teil II, nächsten Freitag.







Schlafen Sie gut!



Ihre Jana Hora-Goosmann



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