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Freitag, 27. Mai 2016

Nr. 77 Von "Scham ... bis ... Mensch"




Ich schäme mich. Mal wieder. Oder eher  ... noch immer. Anhaltend, ausdauernd, langsam möglicherweise auch schon ein wenig ermattet. Dass ich mich schäme, ist mir tatsächlich erst vor ein paar Tagen so richtig bewusst geworden. Vorher dachte ich, ich sei aufgebracht, alarmiert, entsetzt, fassungslos, ungläubig. Ich rede nicht vom Fremdschämen wie man es verspürt, wenn man zum Beispiel in diverse TV-Formate hineinzappt. Auch nicht von der Art des Fremdschämens, wie man sie im Alltag verspürt, wenn Menschen sich - aus welchen Gründen auch immer - zum Affen machen, sich selbst zu wichtig nehmen, unnötig in den Vordergrund spielen oder tatsächlich einfach nur doof sind. Im Fremdschämen liegt ja auch immer ein (ungläubiges) Schmunzeln verborgen. 

Ich schäme mich grundsätzlich auch nicht für mich selbst oder Dinge, die ich getan oder auch nicht getan habe. Mir mögen so einige Dinge peinlich sein, oh ja! Dieser Umstand birgt jedoch auch sehr viel Situationskomik, und bevor ich mich vor Scham in die Ecke trolle, lache ich lieber über mich selbst. Ebenfalls ausdauernd. Oder schreibe ein Blog-Posting darüber.;-)

Als ich die Tage aber über das aktuelle Vorkommnis in Frankfurt(Oder) gelesen habe, ist es tatsächlich laut aus mir herausgeschossen: 

»Ich schäme mich!«

Der weltbeste Mann sagte daraufhin, ich solle das doch zum Thema meines nächsten Postings machen. Aber ich winkte nur müde ab. Ein paar Minuten später, während ich trabend durch den Park joggte, rüttelte ich mich jedoch selbst wach.

Ja, in der Tat, man weiß mittlerweile tatsächlich nicht mehr, wo man zuerst hingucken soll. Es ist zermürbend. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Und die Dinge ... wiederholen sich. In den letzten Wochen, Monaten, und somit auch das ein oder andere Thema in meinen Postings ... und wenn wir noch weiter zurückgehen, bereits in den Geschichtsbüchern.

Deshalb darf man selbst, als liberaler Menschenbürger, auf keinen Fall müde werden!

Auch nicht, wenn die Zerwürfnisse auf dieser Welt schon bereits länger gären, kochen, schwelen, mal über den Topf kochen und wieder zurückschwappen - dann erst recht - nicht.

Ich weiß gar nicht, was zuerst da gewesen ist. Der Umstand, dass ich mich für menschenverachtendes, asoziales und zu guter Letzt auch wirklich dummes Verhalten - wie das Nachplappern von Parolen - geschämt habe, oder es mich erst mal (ungläubig) wütend gemacht hat. Halten sie mich für naiv oder aber auch sehr gewagt, dass ich, seit ich diesen Blog ins Leben gerufen habe, manch einen komplexen Sachverhalt immer wieder gerne auf einen sehr einfachen Nenner herunterbreche. Aber ich werde nicht müde zu wiederholen:

Im Kleinen fängt es an.

Wenn Asylanten, die friedlich an einer Straßenbahnhaltestelle stehen - wieder mal in Deutschland - von einem hasserfüllten Mob durch die Stadt gehetzt und angegriffen werden, begleitet von johlender Zustimmung gaffender Mitsympathisanten, dann ist das ... irgendwie wie früher auf dem Schulhof. Das Kräftemessen einer Gesellschaft in einer sozusagen kleinen Auflösung. Frustablass am Schwächeren. Dummheit. Ohnmacht, auf beiden Seiten. In jüngster Vergangenheit nicht zum ersten Mal. Wie traurig. Immerhin, Gott sei Dank, gab es in Frankfurt (Oder) aber auch noch andere Mitbürger, die das Handy nicht nur gezückt hatten, um zum Beispiel ein Video zu drehen und es im Netz hochzuladen, sondern um die Polizei zu rufen. Eigentlich unfassbar, dass man für diese Information schon regelrecht dankbar ist, denn eigentlich sollte es selbstverständlich sein. Nein - solch eine Hass-Hetze dürfte erst gar nicht passieren. Dass der wohl stark alkoholisierte Mob - für mich keine Entschuldigung - und die Gaffer, »Sieg Heil« ausgerufen haben sollen ... dreht mir den Magen um. Mal wieder. Ich schäme mich. Mal wieder. Nach jeder Begebenheit solch einer Art. Ich schäme mich auch dafür, dass ich in Gedanken mal wieder der »Teenager-Jana« in die Augen blicken muss - mit dem Wissen von heute, und dass es schon längst wieder an allen Ecken und Enden brennt. Die »Teenager-Jana« hatte schon damals im Geschichtsunterricht nicht fassen können, wie die Gräueltaten des Nationalsozialismus jemals hatten entstehen können, und wäre nie auf die »Idee« gekommen, dass bestimmte Strömungen heutzutage längst wieder unter uns sind. Ja, wir haben Probleme. Auf Facebook würde man unter (Politischer) Beziehungsstatus »Es ist kompliziert« anklicken.

Trotzdem ... sind wir alle Menschen. Und ohne den (friedlichen) Austausch der Kulturen wären wir alle um so viel ärmer.








 

Schlafen Sie gut ... 
Ihre Jana Hora-Goosmann


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