Translate

Freitag, 24. November 2017

Nr. 122 Von "Ex ... bis ... und Hopp!"



Dieses Jahr 2017  ... das ist sich bis zum Schluss ja wirklich für nix zu schade.

Apropos ... gescheiterte Sondierungsgespräche, zum Beispiel.

Ach ja ... na ja ... also wirklich, ich bitte Sie! Das kennt doch wohl jeder, oder? Das ist ja fast wie im “richtigen Leben“! Deshalb fällt mir, der Geschichtenerzählerin, dazu spontan etwas ein.

So etwas wie ... man geht zu einer Mottoparty, zum Beispiel, fest entschlossen es als Single nach längerer Zeit mal wieder so richtig krachen zu lassen! Außerdem gibt es da auch noch etwas zu gewinnen, ein Fotoshooting nämlich, mit diesem total angesagten Fotografen. Dessen Fotos könnten für die nächsten hunderttausend Follower eine goldene Eintrittskarte bedeuten! Dann jedoch, stolpert man über einen nur allzu bekannten Haken, indem man auf besagter Mottoparty - nun ja, man hat es irgendwie ja geahnt aber dann doch erfolgreich verdrängt - auf den Ex-Partner trifft. Und als wäre das nicht schon irritierend genug, erzählt einem plötzlich jeder, man sei damals doch so ein schönes Paar gewesen. Wieso denn eigentlich nicht noch mal? Man denkt an die handfesten Gründe von damals, wieso das alles nicht geklappt hat, und stürzt ratlos den ersten Drink hinunter. Dann hält man Ausschau nach dem coolen Fotografen, den man alles andere als von der Bettkante stoßen würde, da wird man - als wäre das alles nicht schon seltsam genug - zusammen mit dem Ex, doch tatsächlich zum Motto-Paar des Abends gekürt! Man sieht an sich hinunter, einem quietschgelben Kanarienvogelkostüm – nichts anderes war im Kostümverleih mehr zu ergattern gewesen, jedoch hatte man es in mühvoller Kleinarbeit, in mehreren Nachtschichten, völlig auseinandergenommen, um es sich anschließend, total cool, als Gesamtkunstwerk auf den Leib zu schneidern. Dann sieht man zum Ex, der in den letzten Monaten ein wenig behäbig geworden zu sein scheint. Man unterdrückt ein gebeuteltes Seufzen, während der Blick weiter, über dessen selbst gebasteltes Kostüm schweift, eine emsige Ameise, deren Styropor Fühler bereits ein wenig durchhängen. Kein Wunder, der Ex hatte damit in der Vergangenheit ja schon bereits diverse Parties gestemmt. Schließlich hatte man sich auf diese Weise damals sogar kennengelernt. Dann jedoch platzt die Bombe, in Form einer Ankündigung des coolen Fotografen nämlich, den man scheinbar niemals persönlich sondern immer nur in diversen sozialen Netzwerken anzutreffen vermag. Seine Bedingung - im Netz bereits über dreihunderttausend Mal geliked - fordert, dass das Motto-Pärchen des Abends tatsächlich nur gemeinsam fotografiert werden soll und wird. BAM. Während man sich den nächsten Drink einverleibt, wägt man mit glasigen Augen das für und wieder ab. Zu allem Überfluss hängt einem auch noch ein Wetterfrosch im Flanellkostüm am Ohr, sticht einem während des Gestikulierens mit der kleinen mitgebrachten Miniaturleiter, fast das Auge aus. Man solle doch erkennen, wenn sich einem eine zweite Chance im Leben böte, raunt er einem in feuchter Aussprache zu, während man selbst gerade innerlich auf den Gefrierpunkt zusteuert. Gott sei Dank, prescht just in diesem Moment die beste Freundin im Biene Maja Kostüm um die Ecke. Tatsächlich ist sie die einzige Person, der man es ehrlich gönnt, dass sie dreiundzwanzigtausend Likes mehr auf ihrer Seite hat als man selbst. Sie reißt einen mit sich zur Bar und zum nächsten Drink, was scheinbar tatsächlich hilft. Denn gerade als ein roter, schon etwas zerzauster Kakadu den Ex-Partner umschwirrt, da denkt man plötzlich, entgegen der eigenen Wahrnehmung von vor einiger Zeit, dass sein individueller Tanzstil vielleicht doch gar nicht so nervig sondern eigentlich ganz niedlich sei. Deshalb nickt man, die an das Fotoshooting geknüpfte Bedingung des Fotografen im Kopf, charmant lächelnd, als der Ex – wie könnte es auch anders sein – irgendwann vorschlägt, man könne demnächst doch mal wieder gemeinsam was trinken gehen. 
Um sich alle Optionen offen zu halten, schließlich hat man sich und seinen Prinzipien gegenüber eine Verantwortung zu tragen - jede falsche Partnerwahl könnte ein paar Likes kosten - und die hatte man sich schließlich schweißtreibend erarbeitet. Seien Sie mal jahrelang das dicke Kind und specken irgendwann 30kg ab. Also fährt man sich spielerisch mit den gelb lackierten Fingernägeln durch die Haare und fügt »Aber völlig unverbindlich, bitte! Wenn ich an dem Tag Migräne habe, dann eben nicht«, hinzu. »Kein Problem« erwidert die Ex-Ameise und lächelt, während man selbst noch einmal seufzend an den Fotografen denkt. Und dann noch, dass man den ja wohl sonst niemals persönlich zu Gesicht bekäme ... als nur so. Die darauffolgenden Tage herrscht Chaos im Kopf, der Ex hat bereits den Ort und Zeitpunkt durchgegeben, ob das in Ordnung sei, man könne sich doch bei der Gelegenheit zur Abwechslung mal wie erwachsene Menschen aussprechen. Einerseits findet man das ja ganz niedlich. Andererseits ... da ist es wieder, dieses doofe Ziehen in der Magengegend. Irgendwie ahnt man, es könnte schwierig werden. Schwierigkeiten bedeuten jedoch auch Sorgenfalten, was so gar nicht gut für's Image ist, man wird schließlich nicht jünger. Am Tag des Treffens macht man sich trotzdem besonders sorgfältig zurecht, gleichzeitig würde man sich am liebsten jedoch in der Jogging Buxe nebst dem heiß geliebten Handy vor den Fernseher knallen, um in den sozialen Medien gute Ratschläge zu allem und nichts geben. Schließlich hatte man sich in den letzten Monaten unfassbar weiter entwickelt, deshalb muss man die Allgemeinheit auch daran teilhaben lassen. Man hat sich da sozusagen selbst einen charakterlichen Bildungsauftrag erteilt. Wow, was klingt das geil! Trotzdem, so schießt es einem plötzlich durch den Kopf, macht dieses Treffen mit dem Ex ja überhaupt keinen Sinn. Eigentich nervt es nur. Zu allem Überfluss, musste man in den letzten Tagen auch noch erfahren, dass man zwar nach wie vor mit diesem super Fotografen würde shooten können, jedoch nicht so, wie man es sich erhofft hatte. Für einen wohltätigen Zweck nämlich, dieser soll der Erhaltung eines Naturparks und somit der Allgemeinheit dienen. Dazu müsste man sich erneut in das Kostüm der Mottoparty zwängen, um eine, der Kampagne dienende Szene nachzustellen. Puuuuhh. Natur und Gemeinwohl hin oder her ... überhaupt ... war einem selbst, in Wahrheit, dieser andere Naturpark denn nicht sogar ein klein wenig lieber? Nicht zu vergessen, dass man doch nun wirklich sehr darauf bedacht war, ab sofort nichts von dieser so unfassbar hart aufgebauten Außenwirkung, bröckeln – oder um mal beim tierischen Thema zu bleiben – gar Federn zu lassen. Das Leben birgt schließlich eine Menge an Stolpersteinen, ehe man sich versieht, ist der teure Stiletto Absatz auch schon hin. Bevor man die Wohnung nun verlässt, schießt man schnell noch ein Selfie von sich. Man weiß ja nie, wann man das schnell mal zur Hand braucht. Möglicherweise  ... wenn man mit fettigen Haaren in der Haushose mal wieder vor dem Fernseher sitzt und plötzlich irgendetwas ist. Irgendetwas ist ja immer. Auf dem Weg zum Date überlegt man sich dann ein paar kryptische Sätze, diese sollten in jedem Fall einen melancholischen, gleichzeitig auch kämpferischen Tenor haben. So ein Leben im Netz will eben wohldurchdacht sein. Denn wie schon gesagt, man weiß ja nie, wann man so was schnell mal  ... nicht wahr? Also so etwas wie: “Auch wenn es schmerzt ... besser spät als nie ... dass man den eigenen Weg erkennt! Lieber allein als zu zweit einsam. Oder so.“ Zufrieden mit sich selbst, macht man in der Straßenbahn daraufhin noch ein weiteres Selfie. Wie umweltbewusst man doch ist, außerdem hat man so die Hände frei für's Telefon. Klick, klick, mit schicksalschwerem Blick in die Ferne, sowas kommt immer gut, das Mündchen ein wenig geschürzt, da sieht man in Gedanken bereits die Daumen aufploppen. Überhaupt, hatten die größten Musiker nicht ihre größten Hits gerade in der größten, herzschmerzenden Einsamkeit geschrieben? Ach Gottchen, die armen Vögelchen, natürlich fielen einem die nun ein. Andererseits, gab es denn nicht eigentlich schon genug Parks, in denen die ganzen Tölen ihren Schiss abseilen, während dann das Herrchen just immer in die andere Richtung starrt, den Kotbeutel lediglich zur Zierde ins Knopfloch gesteckt? Darauf noch ein Selfie, das Licht ist gerade unfassbar vorteilhaft, man weiß ja nie, wann man jemals wieder so gut aussehen wird. Während man nun das Restaurant betritt, tun einem die vorangegangenen Gedanken bereits wieder ein wenig leid. In Wahrheit ist man ja eigentlich gar nicht so, höchstwahrscheinlich sogar nur ein bisschen hungrig. Während man auf den Ex zusteuert, der bereits am Tisch sitzt und nervös an seinem Jackett rum nestelt, verlangsamt man gekonnt den Schritt, solch ein Auftritt will schließlich perfekt gelebt werden. Während es beim Ex um alles zu gehen scheint, denkt man selbst, Ups, plötzlich wieder an den Fotografen – muss man mal beobachten. Jedoch und wie schon gesagt, man hat ja ein Anliegen, die armen Vögelchen im Naturpark. Wie gut, dass die Party Meute vor ein paar Tagen völlig richtig abgestimmt hatte. Wer sonst könnte sich für das Anliegen des Federviehs, und somit des Allgemeinwohls schlechthin, denn überhaupt so gut einsetzen wie man selbst? Man nimmt nun vor dem Ex Platz, dieser ist unfassbar freundlich, galant und zuvorkommend. Ab und an beharrt er auf dem ein oder anderen Standpunkt, das soll ihn wohl ein wenig männlicher machen, einen selbst jedoch fängt gerade alles nur an zu langweilen. Und dann, irgendwann kurz vor dem Dessert, da kommt er dann, dieser Moment. Auf den man insgeheim wohl – das eigene Unterbewusstsein ist aber auch so was von einem Schlawiner – seit dem letzten Treffen auf der Mottoparty, wohl hingearbeitet hatte. Der Ex hat gerade eine weitere Flasche Wein bestellt, der will es wohl wirklich wissen, denkt man noch, da produziert er doch tatsächlich wieder dieses gurgelnde, schmatzende Geräusch, das spitze Mündchen geschürzt, den Blick in scheinbar andere Sphären gerichtet. BAM. Das hatte einen schon damals total genervt. Konnte er den Wein denn nicht einfach ohne diese brüskierende Show kosten? So wie man selbst? Einfach den Kopf in den Nacken, in vollem Vertrauen, dass die Prozentzahl, die auf der Flasche steht, als Umdrehung ja wohl gefälligst auch drin sein würde? Und überhaupt, das konnte man sich doch nun wirklich nicht bieten lassen, dieses unsägliche Bemühen, den ganzen Abend lang - und dann auch noch mit geschürzten Lippen. Da weiß man doch, dass der Punkt nun endgültig erreicht ist, an dem man mit erhobenem Kopf aufstehen und diesen Ort der Schmach verlassen muss. Wie konnte er bloß auch diesen Wein wieder so aufgesetzt probieren? Das denkt sich wohl auch der Kellner daneben, der einem, die Flasche in der Hand, nun verblüfft in den Ausschnitt starrt. »Das hier, das geht nicht. Du musst nicht meinen, das sei nicht schmerzhaft für mich. Aber man sollte, besser spät als nie ... den eigenen Weg erkennen. Besser allein als zu zweit einsam«, spricht man gerade mit der perfekten Mischung aus Wehmut und Härte aus, während man denkt, dass man für solche Situationen, zukünftig noch ein wenig am eigenen Stimmsitz arbeiten könnte. Es ist ja nicht so, als sei man nicht durchaus auch mal kritisch mit sich selbst. Mit erhobenen Brauen, sieht man anschließend dem Ex noch kurz beim Husten zu, denkt weiter, dass der das doch einfach selbst schuld sei. Was wälzt der so einen schnöden Schluck denn auch so unendlich lang in der Mundhöhle, von links nach rechts? Irgendwann muss man sich doch mal für eine Richtung entschieden haben. Ob der denn so gar keine Prinzipien besitzt, fragt man sich, fast schon ein wenig mitleidig. Summasummarum ... lautet die Richtung der traurigen Ameise jedenfalls, ab sofort nur eins: abwärts. Während man mit erhobenem Kopf daraufhin das Restaurant verlässt, drückt man – das Ergebnis jahrelangen Trainings – bereits blind auf das Display des Handys. Die im Vorfeld bereits pfiffig erstellte Nachricht mit kryptischem Satz und inklusive dem in die Ferne schweifenden Blick, hat es verdient, sofort hochgeladen zu werden. Wozu saß man denn auch, eingekeilt vom Plebs, in der Tram! Außerdem, so denkt man nun doch ein wenig melancholisch, brauchte man nun sofortigen Beistand. Denn – was würde denn nun aus den armen Vögelchen, gar dem ganzen Park, werden? Sich aus guten Gründen dem Gemeinwohl verschließen zu müssen, bedeutete tatsächl eine bittere Bürde, denkt man, und schießt noch ein letztes Selfie. Jedoch der Umstand, dass man somit gerade ein Shooting bei diesem mega coolen Fotografen ausgeschlagen hatte, dieses abrupte Ende vom Kanarienvogel und der Ameise, im Netz würde sich das womöglich noch viel mehr auszahlen, das ist man sich plötzlich ziemlich sicher. Also alles richtig gemacht, denkt man und gähnt, während man bereits die ersten Herzchen und Smileys zählt, die nun wie wild auf dem Display aufpoppen. In Gedanken sieht man sich bereits in der Jogging Buxe auf dem Sofa liegen und in eine Naturdoku reinzappen. Seufz. Die armen Vögelchen. Aber wenn's nicht geht, dann geht's eben nicht.

Zum Vergrößern bitte klicken.

 
"Schaufensterpuppen unter sich", aus der Rubrik "Letztens", Fotostory.


Schlafen Sie gut ...

Ihre Jana Hora-Goosmann

Besuchen Sie die Trötgedanken auch auf Facebook:https://de-de.facebook.com/troetgedanken/ 






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen