Berlin ist ein Dorf: Drei Tage, zwei Leben, eine Stadt! Während Tim Nelendorf(37) seine Wurzeln am liebsten vergessen würde, ist Fleur Küster(31) auf der Suche nach eben diesen. Eine quirlige Geschichte von zwei Menschen, die mehr miteinander verbindet, als ihnen möglicherweise lieb ist ...
Teil II
... dabei hatten Tim und Fred
einander bereits ihr halbes Leben gekannt. Wenngleich auch mit langen Pausen,
in denen man nichts miteinander zu tun gehabt hatte. Wenn Tim sich nun recht
besann, dann hatte er den Großteil der letzten Jahre überhaupt keine Kenntnis
davon gehabt, ob und wann Fred, das Arschloch, sich gerade in Deutschland
aufhielt. Fred, der diverse Wohnsitze quer über den Globus verteilt nutzte, war
vor etwa acht Monaten mal wieder aus dem Nichts heraus, bei Tim in der Firma
aufgetaucht. Dort hatte er vor Tim gesessen und ohne Punkt und Komma geschwärmt,
von dieser angeblich zu hundert Prozent sicheren Anlage. Spätestens in diesem
Moment hätten bei Tim alle Alarmglocken klingeln müssen, denn, was war im Leben
schon zu hundert Prozent sicher? Und Börsengeschäfte erst recht nicht.
Stattdessen jedoch hatte Tim nicht lange gezögert. Es war wohl, das musste er
auch zugeben, die eigene Gier gewesen, die ihn eines Morgens mit feuchten
Handflächen zum Hörer hatte greifen und Fred, dem Arschloch, den Auftrag
erteilen lassen. Daraufhin hatte Fred ihm überschwänglich gratuliert und erneut
einen immensen Gewinn in Aussicht gestellt. Nach dem Gespräch war Tim dann ein
paar Tage lang mit glänzenden Augen durch die Firma stolziert, voller Vorfreude
und nervös zugleich. Kurze Zeit später jedoch war bereits das böse Erwachen
gekommen und Tims Leben nicht mehr das gewesen, was es mal war. Futschikato,
hatte zu Lebzeiten Tims Opa, in solch einem Fall stets zu sagen gepflegt.
Futschikato, hatte es dann auch in Tims Kopf gedröhnt. Von seinem Einsatz an
Fred, dem Arschloch, war nämlich nichts mehr übrig geblieben, außer dem
tiefschwarzen Loch, in das Tim augenblicklich gefallen war. Das eigentliche
Drama hatte jedoch darin bestanden, dass Tim seinem alten Bekannten nicht nur
sein privates Geld, sondern auch noch eine beträchtliche Summe des Firmengeldes
anvertraut hatte. Selbstredend, dass dies ohne das Wissen seines Vaters
geschehen war. Seit er denken konnte, war Tim das Vertrauen seines Vaters, dem
alten Herrn, wie die Kollegen ihn untereinander zu nennen pflegten, stets wichtig
gewesen. Auch wenn ihm das Vater-Sohn Verhältnis immer seltsam angespannt
vorgekommen war. Trotzdem hatte es ihn mit Stolz erfüllt, dass er nach dem
Studium, gefolgt von mehreren Auslandsjahren in ähnlich gearteten Firmen recht
schnell die Verantwortung über einen Teil des heimischen Firmenkontos
übertragen bekommen hatte. Sowohl um Wareneinkäufe, als auch kleinere
Firmeninvestitionen zu tätigen. In schlaflosen Nächten hatte Tim den
eigenmächtigen Schritt dieser Investition dann auch damit gerechtfertigt, dass
er das Geld nicht für sich gewollt hatte. Jedoch hatte er bereits schon jetzt
gewaltige Visionen für die Zukunft der Firma entwickelt. Eine davon hatte sich
in seinen Gedanken, von Tag zu Tag dringlicher, um diese eine Wahnsinnsmaschine
gedreht, die es ermöglichen sollte, einen weitaus schnelleren Verpackungsablauf
in der Fabrikation abzuwickeln. In Klingelmanns unmittelbarer Konkurrenz war
besagte Maschine bereits seit einiger Zeit gewinnbringend genutzt worden, was
noch dringlicher, so war Tim sich sicher gewesen, für die Anschaffung der
Maschine gesprochen hatte. Der alte Herr hatte jedoch auf stur gestellt und
nach der letzten Grunderneuerung vor 20 Jahren alles beim Alten lassen wollen.
»Das kannst du alles machen, wenn du dann mal der Chef bist«, hatte Arnulf
Nelendorf stets polternd von sich gegeben, Widerspruch zwecklos. Mit dem Gewinn
an der Börse, den Fred, das Arschloch, als hundertprozentig machbar
eingeschätzt hatte, wäre es ein Einfaches gewesen, sich gegen seinen Vater
durchzusetzen. Erst mal hätte der alte Herr ein wenig gemurrt, aber dann hätte
es seinem Vater womöglich sogar imponiert, da war Tim sich sicher gewesen. Dann
jedoch war alles anders gekommen. Natürlich war Tim sich dessen bewusst
gewesen, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte, wofür er sich
seitdem jeden einzelnen Tag hätte ohrfeigen können. Aber Tim hatte es gut
gemeint, denn er war mit dieser Firma aufgewachsen, und hätte ihr niemals
schaden wollen. Sie war ein Teil von ihm. Aber es blieb, was es war - ein
Desaster. 200.000 Euro Firmengeld in den Sand gesetzt zu haben, war einem alles
verschlingenden Tsunami gleichgekommen. Tims privater Einsatz von 80.000 Euro,
ein Teil seiner Lebensversicherung und dem Erbe von seinem Großvater, war da
wohl kaum der Rede wert gewesen. Der Alleingang an die Börse war auch nur
deshalb möglich gewesen, da Tims Eltern zu besagtem Zeitpunkt, zum ersten Mal
seit zwanzig Jahren, gemeinsam in Urlaub gefahren waren. Tim war deshalb
vorübergehend die Leitung der Firma übertragen worden. Der Anfang vom Ende. Das
Schicksal war eben ein “Mieser Fred” gewesen, dachte Tim seufzend und musste
plötzlich hart in die Bremsen treten, vor ihm war unerwarteterweise ein Wagen
ausgeschert. Was für ein Quatsch, korrigierte er sich in Gedanken, so etwas wie
Schicksal gab es nicht, auch nicht in Form von Fred, dem Arschloch. Das musste
aufhören, das mit den falschen Entscheidungen, die Tim in den letzten Monaten
immer häufiger zu passieren schienen. Er spürte, wie der Schweiß ihm erneut den
Rücken herunterrann. Als er wieder anfuhr, hatte er plötzlich wieder den Blick
seines Vaters vor Augen, nachdem es für Tim an der Zeit gewesen war, ihm alles
zu beichten. Dessen ungläubiger Blick nach Tims, stockend vorgebrachter
Beichte, verfolgte ihn bis heute. Arnulf Nelendorf hatte plötzlich angefangen
zu schwanken, sodass Tim schon befürchtete, ihn gleich auf dem Boden des
Firmenparkplatzes zusammenbrechen zu sehen. Wohl nur aus purer Verzweiflung
hatte er deshalb gestammelt, dass Fred, das Arschloch, ihn mit voller Absicht
so richtig reingeritten hatte. Dieser Einwurf schien die Situation für Arnulf
Nelendorf jedoch nicht besser gemacht zu machen, im Gegenteil. »Du willst mein
Sohn sein?«, hatte er geschrien, »Ein Weichei bist du, ein kriminelles!«, und
schwankend nach Halt an seinem Wagen gesucht. Daraufhin hatte Tim sofort alle
Schlüsselkarten abgeben und noch am selben Tag sein Büro räumen müssen. Die
offizielle Version hatte geheißen, er wolle noch mal ein paar Jahre
anderweitige Berufserfahrung sammeln. Die inoffizielle Version hatte nur eines
bedeutet: Du bist nicht mehr mein Sohn!
Nur ein paar Tage später hatte
sein Vater ihm dann auch exakt diesen Wortlaut ins Gesicht gezischt und die Tür
vor der Nase zugeschlagen. Tim hatte daraufhin noch eine Weile vor der
verschlossenen Tür gestanden und gedacht, dass er Fred, diesem
Riesen-Arschloch, nicht einmal mehr eins auf die Fresse hauen konnte. Fred war
plötzlich wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Tim hatte nun wieder an diesen
einzigen, unfassbar mäßig zerknirschten Anruf von Fred denken müssen und hart
geschluckt. »Das Risiko liegt doch in der Sache, du bist da nicht allein«,
hatte Fred, am anderen Ende der Leitung, träge gemurmelt und anschließend frech
gegähnt, woraufhin Tim einen gewaltigen Schrei von sich gegeben und sein Handy
mit voller Wucht gegen die Wand geschmissen hatte. Nach diesem Anruf war Fred
für niemanden mehr zu erreichen gewesen. Ein paar alte Bekannte hatten bereits
gemunkelt, Fred sei mal wieder aus Deutschland abgehauen, hätte es womöglich
sogar müssen. Wie hatte Tim, der jeden einzelnen Kassenbon im Supermarkt noch
einmal zu kontrollieren pflegte, wie hatte ihm so etwas bloß passieren können?
Wieso hatte er nicht darauf bestanden, einen Vertrag mit Fred zu schließen?
Wieso hatte er kein Schriftstück mit ihm aufgesetzt, weshalb hatte er sich von
Fred auch so unter Zeitdruck bringen lassen? Ein Fetzen Papier hätte jedoch
wohl auch nichts daran geändert, dass Tim sich nun ebenfalls zu der Schar
geprellter Anleger zählen musste, über die er in der Zeitung gelesen und stets
herablassend den Kopf geschüttelt hatte. Zwei Tage später war es dann zu einer
letzten lautstarken Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Vater auf dem
Firmenparkplatz gekommen. Diese verletzte Härte im Blick seines Vaters hatte
Tim nun, sieben Monate später, wieder an eine Begebenheit aus seiner Kindheit
erinnert, und eine altbekannte Beklemmung in ihm hochsteigen lassen. Er hatte
sich, wie schon so oft, wieder als kleinen Jungen am Fenster stehen und auf den
Firmenparkplatz blicken sehen. Auch jetzt wieder, nagte diese unheilvolle
Ahnung an ihm, damals etwas beobachtet zu haben, was für seine Kinderaugen
nicht bestimmt gewesen war. Allem Anschein nach würde er sich jedoch wohl nie
erinnern, was er damals beobachtet hatte. Im Grunde wollte er es womöglich gar
nicht mehr wissen. Wenn er mal ganz ehrlich war, dann wollte er seine Wurzeln
schlichtweg vergessen. Diese Wurzeln hatten ihn nämlich zu dem gemacht, wer er
heute war. Ein Versager. Seufzend bog Tim nun in eine ruhige Seitenstraße ein,
wo er den Wagen schließlich parkte. Er war 37 Jahre alt, da hatten andere
Männer schon einen Baum gepflanzt und alles Erdenkliche gezeugt oder gebaut,
dachte er. Nicht, dass er so bieder leben wollte, im Gegenteil. Aber nun fühlte
es sich so an, als sei er wieder völlig am Anfang. Womöglich war es tatsächlich
nicht seine Bestimmung gewesen, die Firma seines Vaters zu übernehmen? Besagte
Firma, gegründet vor fast 50 Jahren, vom Vater seiner Mutter, Tims geliebtem
Opa. Würde ein Psychologe Tim möglicherweise auf den Kopf zusagen, dass er
unbewusst mit seinem Fehltritt nach einem Ausweg aus dem Korsett gesucht hatte?
Hatte Dr. Lukas, dieser Freak, mit seiner Bemerkung vielleicht sogar recht
gehabt? Nein, dachte Tim und zog die Schultern hoch, er liebte die Firma seiner
Familie. Er empfand es sozusagen als sein Geburtsrecht, sich um die Belange der
Firma zu kümmern. In Tims Leben ging es nicht um so seltsame Dinge wie
Bestimmung. Erneut ärgerte er sich darüber, den 8-seitigen Fragebogen so gewissenhaft
ausgefüllt und dem Anwalt somit die Möglichkeit gegeben zu haben, diese eine
Frage zu stellen. »Fehler pflastern meinen Weg«, murmelte er nun leise und
stieg aus dem Wagen. Als er schleppenden Schrittes die Straße überquerte, fiel
ihm plötzlich dieser farbenfrohe Blumenstrauß ins Auge, im Blumenladen gleich
neben seinem Wohnhaus. Also ging er spontan noch mal ein paar Schritte zurück
und zur Seite, um nach dem schon fertig gebundenen Strauß zu greifen und ihn in
die Höhe zu heben. Wie eine Trophäe hatte er den Strauß anschließend in den
Laden getragen und einen Geldschein auf die Theke gelegt. Dann, ein paar
Minuten später, er war gerade aus dem Fahrstuhl gestiegen, überkam ihn
plötzlich eine absurde Zuversicht. Darüber verdutzt hielt er kurz inne und
dachte, dass er fast schon vergessen hatte, wie gewaltig sich solch ein Moment
anzufühlen vermochte, sodass er diesem beschämendem Morgen nun einen Sinn geben
wollte. Er hatte schon viel zu lange keine Blumen mehr mitgebracht, dachte er.
Er hatte Tanja schon viel zu lange nicht mehr in den Arm genommen. Als er den
Schlüssel nun ins Schloss steckte, nahm er sich vor, in den nächsten Tagen auch
das neue, nur flüchtig zusammengebaute Regal im Flur auseinanderzunehmen und
wieder neu aufzustellen. Seit fast zwei Monaten hatte es bereits hinter der Tür
gestanden und bedrohlich hin und her gekippelt. Selbstredend, dass dieser
Umstand weder Tim noch Tanja davon abgehalten hatte, es weiterhin zu beladen.
Am eigenen Schopfe aus dem Dreck ziehen, war ihm plötzlich durch den Kopf
geschossen, wie sollte so etwas rein physikalisch überhaupt möglich sein? Am
eigenen Schopfe, wiederholte er in Gedanken, da hatte er Tanja auch schon die
Tür in den Rücken gerammt.
»Entschuldige, ich wusste
nicht, dass du ...«, grinste er, die Blumen hinter dem Rücken verbergend,
woraufhin Tanja ihn nur verschreckt angesehen und das Buch in ihrer Hand
schnell zugeklappt hatte. Während sie es hastig wieder zurück in das wackelige
Regal stellte, bemerkte Tim die tiefen Ränder unter ihren Augen. Tanjas Haare
waren achtlos zu einem Knoten zusammengebunden und als sie ihm nun ihr blasses
Gesicht zuwandte, kroch Tim sogleich wieder ein säuerlicher Geruch in die Nase.
Er schloss die Tür und setzte, trotz alledem, so etwas wie ein strahlendes Lächeln
auf. Es fühlte sich so an, als hätte er dafür schon seit Monaten verkümmerte
Muskeln neu aktivieren müssen.
»Für dich«, lächelte er und
schob schnell noch ein »Gute Besserung« hinterher. Tanja starrte daraufhin erst
zu ihm und dann auf die Blumen, um sich, nur einen Augenblick später, die Hand
vor den Mund zu schlagen und den Flur entlang zu rennen. Während Tim ihr
seufzend hinterherblickte, beobachtete er verblüfft, wie sich der kuschelige
Stoff von Tanjas Hausanzug bei jedem ihrer Schritte in die kleinen Dellen und
Fluchten ihres Hinterns fraß. Dieser, so hatte Tim verwundert gedacht, war ihm
vor einigen Wochen noch nicht ganz so ausladend erschienen.
»Ich kümmere mich um die
Blumen«, hatte er achselzuckend gerufen, aus alter Gewohnheit jedoch den nach wie
vor tropfenden Strauß erst mal ins schiefe Regal geworfen, um sofort die Schuhe
von den dampfenden Füßen ziehen zu können. Tim hatte schon oft vom letzten
Tropfen, der das Fass zum überlaufen brächte, gehört. Er hätte sich am Morgen
dieses Tages aber niemals träumen lassen, dass SEIN letzter Tropfen, vom Stiel
eines farbenfrohen Blumenstraußes rutschen würde. Diese lähmende Faszination,
während er einfach so dastand und zusah, wie sich das Regal nun in einer
eleganten S-Form erst mal nach links neigte, um schließlich, übermannt vom
Dominoeffekt, komplett in sich zusammenzusacken. Wäre diese Situation gerade
nicht Tims Leben, sondern eine Filmkomödie gewesen, dachte er, unfähig auch nur
einen winzigen Muskel zu rühren, dann würden die Zuschauer jetzt wohl lachen.
Genau jetzt, wo Tanja im Hintergrund zum wiederholten Male über der
Toilettenschüssel hing und lauthals würgte, während Tim hilflos auf die
durcheinandergewirbelten Bücher und den bunten Krimskrams starrte. Es ist nur
ein Regal, hatte er irgendwann gedacht und sich seufzend zu seinen Füßen
gebeugt, um schnell ein paar Bücher zusammen zu klauben. Untermalt von Tanjas
nicht enden wollendem Würgen, fing er an, kleine Bücherstapel an der Wand
aufzutürmen, als ihm plötzlich, aus den Augenwinkeln heraus etwas auffiel. Eine
Art Fremdkörper, der inmitten des Wirrwarrs bunter Buchrücken seltsam streng
herausgestochen hatte. Daraufhin hatte Tim seinen Oberkörper über den am Boden
liegenden Haufen gereckt und mit den Fingerspitzen an einem schwarz-weißen Papier
gezogen. Während im Hintergrund von Tanjas heftigem Würgen nur noch ein
entkräftetes Keuchen übrig geblieben war, hatte Tims Hand plötzlich heftig
angefangen, zu zittern. Er hatte sich nun so dermaßen abrupt wieder
aufgerichtet, dass ihm für einen kurzen Moment sogar schwarz vor Augen wurde.
So schwarz, wie die abgebildete Form auf dem dünnen Papier. Minutenlang
versuchte er zu fassen, was nicht sein konnte und deshalb einfach nicht sein
durfte. Irgendwann hatte er das Ultraschallbild mit Tanjas Namen so nah an sein
Gesicht gehalten, dass er meinte, seinen eigenen, vom Papier zurückgeworfenen
Atem auf seiner Haut zu spüren. Während er noch ungläubig auf das Datum vom
Vortag starrte, wandte sein Körper sich bereits in Richtung Badezimmer.
Schwankenden Schrittes war ihm plötzlich wieder der, an diesem seltsamen Morgen
so oft beschworene, Zufall in den Sinn gekommen. Dieser würde womöglich, in
Augenblicken wie diesen, gerne auch mit dem Schicksal verwechselt werden,
dachte er. Er durchquerte das Schlafzimmer und sah Tanja nun schon von Weitem,
durch die offene Tür des angrenzenden Badezimmers entkräftet auf den Fliesen
vor der Toilette knien und sich mit der matten Hand die verklebten Haare aus
der Stirn streichen.
»Was?«, fuhr sie ihn an und
schien mit leerem Blick durch Tim hindurch zu sehen. Dann jedoch, schien Tanjas
es entdeckt zu haben, das zarte kleine Papier, in Tims zitternder Hand.
»Magendarmvirus?«, hatte Tim
da schon leise gefragt und Tanja ganz erschrocken ausgesehen.
»Vertretungslehrer ...«, flüsterte
sie irgendwann zerknirscht zurück, als ihr Bauch nun ein lautes Knurren, wie
von einem hungrigen Löwen, von sich gab. Nein, hatte Tim da gedacht, dies war
keine Kinokomödie, dies war einfach nur sein beschissenes Leben. »Was ist los
mit dir?«, hatte er deshalb nun dermaßen laut geschrien, dass Tanja ihren Kopf
sofort mit beiden Armen schützend bedeckt hatte. Obwohl Tim nach wie vor im
Türrahmen stehen geblieben war, sah er sich in Gedanken bereits auf Tanja
zustürmen, ihren Kopf packen und in die Kloschüssel tunken. Immer und immer
wieder, schließlich sogar mit Wucht gegen die Emaille drücken. In seinem Kopf
hörte er bereits das Knacken ihres Kiefers. So wie damals, als sein Vater ihn
mit in die Schlachterei genommen hatte, um mal zu sehen, wo denn das Fleisch
für den Betrieb her kam. Aber wie schon erwähnt, Tim verabscheute Gewalt, vor
allem gegen Frauen. Daran sollte bestimmt auch diese Situation nichts ändern.
Also kauerte Tanja unverändert auf dem Boden, während sich in Tims Mund der
metallische Geschmack von Blut ausbreitete und der Schmerz in seinem
Kiefergelenk ihm für einen Moment den Atem raubte. Als er spürte, wie das
Ultraschallbild in seiner Faust zu einem feuchten Klumpen wurde, verabscheute
er sich selbst.
»Was ist los mit DIR?«, hatte
Tanja plötzlich angefangen, theatralisch zu schluchzen.
»Wie bitte?«
»Seit Monaten bist du so was
von mies gelaunt, ich komm gar nicht an dich ran ...«, schluchzte sie weiter,
während Tim plötzlich meinte, an sich und seinem Leben zu ersticken.
»Seit wann? Wo?«, hatte seine
Stimme ganz eisig geklungen. »Seit 3 Monaten ... und nie hier«, schien Tanja
mit einem erneuten Würgereiz zu kämpfen.
»Wo denn dann? Im Kartenraum?
Zwischen Asien und Amerika?«, lachte Tim ein wenig irre. Dann bemerkte er
jedoch Tanjas, für einen Moment ganz konzentrierten Gesichtsausdruck, so als
würde sie gedanklich tatsächlich noch mal alle Kontinente durchgehen. »Während
es mir so richtig beschissen ging, da hast du mit dem Vertretungslehrer
gevögelt?«, rief er deshalb. »Ich bin 36 Jahre alt, irgendwie muss es doch auch
mal weitergehen«, hatte in Tanjas Stimme plötzlich etwas Trotziges gelegen.
»Was?«, fragte Tim
entgeistert.
»Ich bin 36!«
»Was hat das denn damit zu
tun?«
»Wolltest du mich eigentlich
jemals heiraten?«
»Was hat denn das damit zu
tun? Hättest du mich, wenn wir verheiratet gewesen wären, denn etwa nicht
betrogen?«
»Ich weiß es nicht ... ich
weiß gar nichts mehr«, wirkte Tanja plötzlich wieder ganz kraftlos, was Tim mit
entsetztem Blick verfolgte.
»Diese Wohnung, hat das denn gar
nichts bedeutet?«, fragte er schließlich.
»Tim, wir haben diese Wohnung
gemietet und kein Eigenheim gebaut ...«
»Du warst die erste Frau, mit
der ich zusammengezogen bin«, war er ziellos zwei Schritte zurück gewankt um
sich anschließend aufs Bett fallen zu lassen, den Kopf in die Hände gestützt.
Als sich beider Blicke nun trafen, betrachteten sie einander mit einer neu
geborenen Distanz. Vertraut und fremd zugleich, als würde man plötzlich wieder
klar sehen können.
»Ich werde das Kind bekommen.
Tut mir leid«, hatte Tanja plötzlich so unfassbar kalt geklungen, dass Tim
regelrecht nach Luft hatte schnappen müssen. »Vielleicht wäre alles anders
gelaufen, wenn du bei deinem Vater nicht rausgeflogen wärst«, war sie sich
stöhnend über die schweißnasse Stirn gefahren, nun wieder ganz mit sich selbst
beschäftigt. Und da war es passiert, dass Tim, zum ersten Mal in seinem Leben,
sich vor einem anderen Menschen geekelt hatte. Er hätte es nie für möglich
gehalten, dass dieser Mensch tatsächlich einmal seine “Tanni” sein könnte.
»Du stinkst«, hatte er
gemurmelt und in Gedanken bis zehn gezählt. Bei 9 Dreiviertel war er aus dem
Zimmer, der Wohnung und schließlich auch aus dem Haus gestürmt.
Am liebsten hätte er irgendwo
an irgendeinem Griff gezogen, der ihn durch eine Art Zeitstrudel in eine andere
Dimension gesogen hätte. Stattdessen war er einfach nur ziellos auf die Straße
getreten. Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt längst erreicht, als Tim mit
leerem Blick nun darüber nachdachte, welchen Freund er womöglich in solch einer
Situation anrufen könnte, wenn er denn wollte. Plötzlich jedoch waren ihm all
seine Freunde nur wie Tanjas Freunde vorgekommen. Mit völlig leerem Kopf war er
ein paar Schritte gegangen, um bereits kurze Zeit später im nächstbesten Kaffee
einzukehren. Dort hatte er seinen Espresso dann so unfassbar leise bestellt,
dass die Bedienung zwei Mal hatte nachfragen müssen. Er nahm vor einem bis zum
Boden reichenden Fenster Platz und wünschte sich, mit den Fingern schnippen und
damit die Zeit anhalten zu können, dann würde in der Stille vielleicht endlich
das Hämmern in seinem Kopf aufhören. Er würde sich die Menschen anschauen,
diese schockgefrosteten Puppen in seltsamen Verrenkungen, wie sie dann alle
starr um ihn herum stehen würden. Vielleicht würde er sogar wieder nach Hause
gehen, zurück ins Badezimmer, wo Tanja vielleicht noch immer über der
Kloschüssel hängen würde. Vielleicht würde der Schwall des Erbrochenen sogar in
der Luft erstarrt sein, was bestimmt interessant anzuschauen wäre. Anschließend
würde Tim ihre Handtasche ausleeren und Tanjas Handy durchforsten. Danach würde
er dem Vertretungslehrer einen Besuch abstatten.
Aber das bunte Treiben um ihn
herum war nicht stehen geblieben. Im Gegenteil. Tim hatte das Gefühl, dass alle
anderen sich tatsächlich immer schneller zu bewegen schienen, während er selbst
keinen einzigen Muskel zu regen in der Lage gewesen war. Tim wusste um seine
Fehler, aber das hatte er nicht verdient. Nicht so.
Irgendwann hatte er deshalb in
die Innentasche seines Jacketts gegriffen und sein Handy ans Ohr gehalten.
»Ich möchte, dass du weg bist,
wenn ich zurückkomme«, hatte eine, fast vergessene, Härte in seiner Stimme
gelegen. Am anderen Ende der Leitung hingegen, hatte Tanja schon wieder
unfassbar munter geklungen, woraufhin Tim sich vorstellte, dass der heiße
Feuerball in seinem Bauch plötzlich beißende Lava spuckte.
»Ich packe bereits«, hatte
Tanja offengelassen, wohin sie wohl gehen mochte und Tim daraufhin mit schmalen
Lippen einfach aufgelegt. Er blickte in die fröhlichen Gesichter der Passanten
auf der Straße, auf die bunten Muster der luftigen Sommerkleider, als ihm mit
einer fast schmerzenden Leichtigkeit plötzlich bewusst wurde, dass er diese
Stadt nun jederzeit verlassen konnte. Berlin, diesen Moloch. Nun hielt ihn hier
weder Privates noch Geschäftliches. Einen absurden Moment lang zauberte dieser
Gedanke ihm den Anflug eines Lächelns ins Gesicht. Dann fiel ihm wieder Dr.
Lukas ein, wie dieser ihn danach gefragt hatte, weshalb er nicht verheiratet
sei. Laut einer Statistik, so erinnerte Tim sich nun wieder, waren 54,3 Prozent
der Berliner Singles. Schon wieder so eine traurige Gruppe, der Tim nun
ebenfalls angehörte. Wann hatte Tanja es ihm wohl sagen wollen, wann?
Irgendwann dann, einem
weiteren Espresso und Cappuccino später, hatte er das Café mit rasendem
Herzschlag wieder verlassen. Drei Stunden waren mittlerweile vergangen, in
denen Tim bewegungslos nur vor sich hingestarrt hatte.
Als er die Wohnung schließlich
zum zweiten Mal an diesem Tag betrat, da war sie ihm bereits fremd gewesen. Er
war über den chaotischen Haufen am Boden gestiegen und hatte zum ersten Mal die
kleinen Risse in der Wand wahrgenommen. Dann hatte er an das schlecht sanierte
Bad und die teure Miete gedacht. »Tanja?«, hatte er pro forma gerufen, obwohl
er gespürt hatte, alleine in der Wohnung zu sein. Vielleicht hatte er ihren
Namen auch nur ein letztes Mal aussprechen wollen, da hatte sich ihm die Stille
bereits auf den zitternden Körper gelegt. Daraufhin war er in die Küche
gegangen und hatte die erste Flasche Wein geöffnet. Nach dem ersten Schluck
hatte er für einen Moment trotzig innegehalten, in dieser erdrückenden Stille,
die ihm vorher noch nie so still vorgekommen war, bis er es nicht mehr aushielt
und sein Glas mit Schwung auf dem Küchentisch abstellte, der erste dunkelrote
Kranz. Daraufhin war er planlos ins Schlafzimmer gestürmt, wo er bemerkte, dass
Tanja tatsächlich alle Koffer mitgenommen hatte, inklusive seinem. Dabei hätte
er gerade so gerne ein Kleidungsstück von ihr nehmen und es zerreißen wollen,
vielleicht auch verbrennen oder einfach nur ein letztes Mal daran riechen
wollen. Aber es war nichts mehr da. Tanja musste es von langer Hand geplant
haben, war ihm plötzlich durch den Kopf geschossen. Schlampe, hatte er da zum
ersten Mal gedacht, woraufhin die Stunden im Wechsel von Wut zu Schmerz
vergangen waren. Irgendwann dann, hatte diese Mia Mayer angerufen und ihn
wieder an diesen unsäglichen Morgen erinnert, der Tim am Abend nun vorgekommen
war, als wäre es eine Erinnerung an ein anderes Leben. Danach war er auf dem
Dach seiner Wohnung gelandet, wo das vibrierende Brummen aus der Kommode ihn
schläfrig gemacht, und wie ein chilliger Rhythmus aus einer dieser offenen Bars
am Meer, eingelullt hatte ...
... und nun, wo ihm die noch halb volle
Weinflasche langsam aus der Armbeuge zu fallen drohte und seine Augenlider
immer schwerer wurden, da fragte er sich, was er zu geben bereit wäre, am
nächsten Morgen aufzuwachen, und der heutige Tag wäre einfach nur ein mieser
Traum gewesen. Irgendwann hatte er schließlich aufgegeben, gegen die bleierne
Müdigkeit anzukämpfen. Seine Augendeckel hatten sich müde hinabgesenkt, während
ein feiner Rotweinfaden aus der Flasche auf die Decke über seinem Körper floss,
und schließlich sein Hemd tiefrot tränkte.
um dir ihr Leben zu schenken.«
Christian Morgenstern
Tag 1. Fleur
»Herzliches Beileid.
Hi-ha-he-ho-hu-herzliches, Ba-bi-bo-be- Beileid!«, warf Fleur Küster ihrem
Spiegelbild einen prüfenden Blick zu. »Hhhhhhmmmmmmm ....«, vibrierten ihre
geschlossenen Lippen nun weiter, als sie plötzlich kurz innehielt, die Hüften
lässig gegen das Waschbecken gelehnt, um in den Hausflur, nur ein paar Schritte
vom Badezimmer entfernt, hinauszuhorchen. Seit ihre Nachbarin, eine ältere
Dame, während Fleurs Sprechübungen mal völlig aufgelöst in den Flur
hinausgelaufen war, hatte Fleur dies zum Anlass genommen, sich mit der
Lautstärke ein wenig zurückzuhalten. Damals war die rüstige Nachbarin nämlich
felsenfest davon überzeugt gewesen, der Feueralarm sei losgegangen! Nun jedoch,
schien auf dem Flur des dreistöckigen Mietshauses alles ruhig zu sein, sodass
Fleur, erneut die Lippen ihres Mundes zusammenpresste und zu summen begann. Hätte
Fleur vor zwei Jahren eine Wahl gehabt, freiwillig hätte es sie wohl nie in
diese spießige Wohngegend verschlagen. Aber dann war sie Hals über Kopf zu
Maximilian gezogen, womit ihre ganz persönliche Tragödie, in zwei Jahresakten,
notgedrungen in dieser Wohnung ihren Lauf genommen hatte. Anfang des Jahres
hatte Maximilian mithilfe seines Bruders einen spektakulären Gewinn an der
Börse erzielt und seinen Traum von einer Eigentumswohnung in Windeseile in die
Tat umgesetzt. Fleur war sich daraufhin vorgekommen, als sei sie irgendwie in
eine Falle getappt. Sollte dieses spießige Wohnhaus es etwa für immer gewesen
sein? »Zi-Ze-Za-Zo-Zu«, führte sie nun den extra wasserfesten Eyeliner souverän
über das Oberlid. Jahrelanges Training, das zahlte sich eben aus. Das mit dem
extra-wasserfest, das war tatsächlich sehr wichtig, dachte Fleur, immer wieder
aufs Neue. Manchmal, da hatte sie sich während ihrer Arbeit für M.E.T (Miete
einen Trauernden), in die Rolle der Trauernden nämlich so dermaßen tief
hineingefuchst, dass ihr auch schon mal echte Tränen übers blasse Gesicht
liefen. Deshalb war man doch Schauspielerin, dachte sie immer dann, wenn sie
während eines Begräbnisses die puren Emotionen in sich aufsteigen spürte. In
solch einem Moment verabscheute sie nichts mehr als diese Fake-Glycerin-Tränen,
mit denen ihre Kollegin Julia sich grundsätzlich zu helfen wusste.
An solch einem Tag, wann immer
sie für M.E.T im Einsatz war, und ihr eigenes Leben mit der Rolle der
Trauernden zu verschmelzen schien, fühlte Fleur sich stets auf ganzer Linie
bestätigt. Erleichtert dachte sie dann, dass es die richtige Entscheidung
gewesen war, vor ein paar Jahren alles hinzuschmeißen und Schauspielerin zu
werden. Selbstredend, dass daraufhin eine Vielzahl an ungefragten Ratschlägen
auf sie eingeprasselt war, begleitet von entsetztem Raunen. Als Fleur nun mit
zusammengekniffenen Augen ihr Spiegelbild kontrollierte, erinnerte sie sich
schaudernd an ihren gescheiterten Versuch, als sie, auf das Drängen ihrer
Mutter, mal eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen hatte. »Gestürzt
wird immer!«, wurde ihre Mutter Alice, eine ehemalige OP-Schwester, übrigens
auch heutzutage nicht müde, zu betonen. Aber Fleur hatte von Anfang keine Lust
gehabt, all diesen fremden Menschen, vor allem auch so körperlich nah zu sein.
Vor Alice hatte sie es schließlich so abgetan, als könne sie die Vielfalt an
körperlichen Ausdünstungen einfach nicht mehr länger ertragen. Daraufhin hatte
selbst Alice zugeben müssen, dass in der Tat, kranke Menschen immer irgendwie ein
klein wenig anders röchen, wofür sie jedoch nichts könnten. Sie musste es
schließlich wissen, denn Alice arbeitete bereits seit Jahren schon auf der
Pflegestation einer Privatklinik. Und so hatte Fleur, zum großen Bedauern ihrer
Mutter, die Ausbildung alsbald wieder abgebrochen. Danach hatte sich in Fleurs
Leben ein Praktikum an das andere gereiht, da man in Berlin, dem Mekka der
unbezahlten Praktika, schon fast einfacher an ein unbezahltes Praktikum in
einer Führungsposition, als an einen schlecht bezahlten Job im Mittelfeld kam.
Angefangen hatte sie in einer Werbeagentur, wo der Chef ihr ständig mit der
Spitze seines Kugelschreibers in die prallen Brüste gestochen und gefeixt
hatte: »Pppfffff ... sind tatsächlich echt!«. Danach hatte Fleur bei einem Start-up-Unternehmen
für medizinische Geräte zu arbeiten begonnen. Ungeschickterweise jedoch hatte
sie sich beim Kundengespräch mal erlaubt, ein ihrer Meinung nach viel besseres
und weitaus günstigeres Konkurrenzmodel zu empfehlen. Darauf war ein kurzes Intermezzo
in einer Schneiderei gefolgt, wo Fleur schlichtweg das Gegacker der anderen
Mädels auf die Nerven gegangen war. Anschließend hatte sie es kurzzeitig sogar
mal in einer Detektei probiert, wo sie nach kurzer Zeit jedoch deshalb wieder
gefeuert worden war, weil Fleur sich standhaft geweigert hatte, diverse,
tatsächlich ganz und gar nicht untreue Ehegatten so ungünstig wie möglich
abzulichten, dass es wiederum nach einem Seitensprung ausgesehen hätte. Solch
ein Schnappschuss hätte der Detektei nämlich die Prämie gesichert. Also hatte
man das Arbeitsverhältnis wegen unüberbrückbarer Differenzen beendet. Verkehrte
Welt, hatte Fleur damals gedacht, woraufhin sie ihr Leben eine Zeit lang so
dermaßen mürbe gemacht hatte, dass sie kurzfristig sogar daran dachte, sich in
einem Stripklub an die Stange zu hängen. Bei dem Gedanken hatte sie jedes Mal
gegrinst und sich immer öfter an einer Stange Pirouetten hängen sehen. Fleur
hatte schließlich kein Problem mit Nacktheit, sondern eher mit einer nicht
einzukalkulierenden Nähe. Da diese in einem Strip Klub jedoch ganz und gar
nicht gewährleistet war, hatte sie auch davon wieder abgesehen. Also war sie,
wie bereits seit Jahren, auch weiterhin zum Kellnern in Lennys Bar gegangen.
Darüber war die Zeit dann so erschreckend schnell vergangen, dass Fleur
insgeheim tatsächlich begonnen hatte, ein klein wenig an sich zu zweifeln.
Nebenbei hatte sie nämlich auch noch ein Pädagogikstudium angefangen, das sie
... nun ja, was sollte sie Alices stummem Blick noch entgegnen, alsbald ebenfalls
abgebrochen hatte. In den Monaten darauf war sie deshalb ein wenig vorsichtiger
geworden, was sich darin geäußert hatte, dass sie sich erst mal nur als
Gasthörerin für ein Studium der Literaturwissenschaften einschrieb. Nachts
hatte sie während ihrer Schicht im Lennys jedoch ins Leere gestarrt und sich
danach gesehnt, sich endlich irgendwo heimisch zu fühlen! Eines Tages dann, sie
hatte gerade müde blinzelnd in einer Vorlesung gesessen, war es ihr, fast
sprichwörtlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Sie hatte nämlich so stark
niesen müssen, dass die Fenstergläser ihrer altersschwachen Brille vom
Flohmarkt aus der brüchigen Brillenfassung geschossen waren. In Berlin waren
Brillen mit Fensterglas zu dem Zeitpunkt nämlich voll angesagt gewesen. Die
Studenten der Vorlesung hatten sich vor Lachen daraufhin gar nicht mehr
eingekriegt. Man hatte Fleur schon oft eine unfreiwillige Komik bescheinigt,
und in diesem Moment wurde ihr plötzlich klar, dass sie all diese literarischen
Dramen nicht nur lesen, sondern selbst durchleben wollte! Daraufhin hatte Fleur
sogleich auch die Literaturwissenschaften sausen lassen, um nahtlos bei Frau
Kalaschnikow, einer in Berlin berühmt und berüchtigten Schauspiellehrerin,
Unterricht zu nehmen. Deren ungewöhnlicher Unterrichtsstil hatte in Berlin seit
Jahren schon für Furore gesorgt. Böse Zungen hatten sogar behauptet, dass Frau
Kalaschnikow, eine ehemalige Klavierlehrerin, eine Aufschneiderin sei, was
Fleur jedoch nie gestört hatte. Nach drei Jahren, in denen Fleur auch weiterhin
ein paar Mal die Woche im Lennys gearbeitet hatte, war sie schließlich stolze
Kalaschnikow-Absolventin gewesen. Dann war Frau Kalaschnikow jedoch nach kurzer
schwerer Krankheit vor zwei Jahren verstorben. Zumindest hatte das in den
Dreizeilern diverser Zeitungen gestanden. Aber Fleur und viele andere Ehemalige
hatten es natürlich besser gewusst. In Wahrheit nämlich, hatte Frau
Kalaschnikow sich beachtlich lange mit der für sie bekannten Disziplin gewehrt.
Gegen das “Krebsschwein”, wie sie es herablassend stets zu nennen gepflegt
hatte und das es, ein für alle Mal, auszurotten galt.
»Gamawagasababobuuuu«,
murmelte Fleur, nun auch die Wimpern am rechten Auge, tuschend. Mist, dachte
sie, sie war verdammt spät dran. Mit flinken Fingern kramte sie in einem
abgewetzten Kosmetiktäschchen und schürzte erneut die Lippen. »Es gibt so viele
Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht wissen ...«, plapperte sie mit
unbeweglicher Miene vor sich hin, den Mund nur einen winzigen Spalt geöffnet,
jeden einzelnen Buchstaben mit der Zunge hin und her wälzend. Dann musste sie
über die Tatsache grinsen, dass Frau Kalaschnikows Beerdigung tatsächlich die
erste und einzige Beerdigung gewesen war, der Fleur nicht als Mettbrötchen
beigewohnt hatte. Der Einfachheit halber hatten die Angestellten von M.E.T
irgendwann angefangen, sich untereinander so zu nennen. Im Übrigen war dies
auch der Tarnung zuträglich, sodass Martin Hauke, Chef von M.E.T und Sohn vom
Besitzer des Begräbnisinstituts Hauke, dies sofort begeistert aufgegriffen
hatte. Durch Frau Kalaschnikow, wenngleich auch erst nach ihrem Tod, war Martin
Hauke überhaupt erst auf Fleur aufmerksam geworden. Daraufhin hatte es nicht
lang gedauert, dass Fleur bei M.E.T anfing. Nun erinnerte sie sich an die
beachtlich große Gruppe Trauernder zurück, die sich auf Frau Kalaschnikows
Beerdigung hauptsächlich aus Absolventen zusammengesetzt hatte. Unisono hatten
sie alle einen letzten Gruß über der geöffneten Grabstelle ausgerufen: »Ficken
Sie mir bitte die Haare hoch! Mehr Mut!« Zu diesem, andere Friedhofsbesucher
eklatant brüskierenden Spektakel, bei dem sogar Herr Hauke Senior nach dem
rechten hatte sehen müssen, war es tatsächlich nur deshalb gekommen, weil Frau
Kalaschnikow im Rahmen ihres ungewöhnlichen Unterrichts die Angewohnheit
kultiviert hatte, jedem einzelnen Schüler eine Mutprobe mit auf den Weg zu
geben. Diese war auf eine Begebenheit mit ihrer tschechischen Freundin
zurückzuführen, die nach dem Einmarsch der Russen im Jahr 1968 von der
Tschechoslowakei nach West-Berlin emigriert war. Das musste man sich mal
vorstellen, dachte Fleur, tatsächlich jedes Mal aufs Neue fasziniert. Während
die eine Frau also vor den Russen nach West-Berlin geflohen war, hatte die
Russin derweil im kommunistischen Ost-Berlin gelebt. Während des glückseligen
Tumults in der Nacht des Mauerfalls war man einander dann zufällig begegnet und
in den darauffolgenden Monaten zu einer vorbildlich tschechisch-russischen
Freundschaft zusammengewachsen. Die Legende besagte, dass Frau Kalaschnikows
verstorbene Freundin, die bereits zwei Jahre früher verschieden war, sich eines
Tages, stolz ob ihrer wachsenden Deutschkenntnisse, im Stuhl eines
Friseurladens aufgesetzt und freundlich zum Friseur gesagt haben soll: »Ficken
Sie mir bitte die Haare hoch!« Laut Frau Kalaschnikow hatte sie wohl so etwas
wie Toupieren gemeint und das tschechische Wort einfach grob ins Deutsche
übertragen. Getreu ihrem eigenen, mit hartem Akzent ausgesprochenem Motto
“Mehrrr Muuttt”, hatte Frau Kalaschnikow diese Anekdote alsbald zum Anlass
genommen, um ihre, berühmt berüchtigte, Scham-Mut-Wahrhaftigkeit-Improvisation
ins Leben zu rufen. Hatte man sich nämlich von seiner Scham befreit, konnte man
mutig den Pfad der Wahrhaftigkeit beschreiten, was ergo, irgendwann einen guten
Schauspieler zum Vorschein brachte. Mit der Zeit waren diese, sich damals immer
öfter häufenden Improvisationen für Fleurs Umwelt jedoch ein wenig aus dem
Ruder gelaufen. Spätestens dann, als Fleur sogar mal von Alice auf einer
Polizeiwache abgeholt werden musste, nachdem sie steif und fest behauptet
hatte, ein zuvor von ihr brachial geknacktes fremdes Fahrrad sei das ihrige.
Und das, obwohl der wahre Besitzer mit fassungslosem Blick während des dreisten
Diebstahls direkt daneben gestanden hatte. Anschließend hatte Fleur dann strikt
in einer Fantasiesprache weitergesprochen, sodass selbst Alice plötzlich
gemeint hatte, am Gemütszustand ihrer Tochter
ernsthaft zweifeln zu müssen. Nur mithilfe Alices eigenwilliger
Übersetzung der gutturalen Laute, die für Fleurs Geschmack ein bisschen zu
viele Entschuldigungen beinhaltet hatte, war es Alice schließlich gelungen, den
Fahrradbesitzer von einer Anzeige abzuhalten. Letztendlich hatte den Ausschlag
womöglich die Aussicht auf einen Gratis-Getränkeabend im Lennys gegeben, bereitwillig
angepriesen von Alice, woraufhin Fleur bockig genickt hatte, sodass man
anschließend erleichtert Visitenkarten getauscht und freundlich nickend
auseinandergegangen war. Daraufhin waren Alice und Fleur übereingekommen, dass
in solch einem Fall, ab sofort ein Codewort zu benutzen sei. Dieses sollte
ihrer Mutter signalisieren, dass Fleur immer noch unter den Normalos weilte,
während sie weiterhin trotzig in ihrer Mut-Improvisation bleiben konnte. Und so
hatte man sich auf folgende, durchaus schlüssige Formulierung geeinigt,
nämlich: »Grüße von Frau Kalaschnikow«. Was fortan ziemlich gut geklappt hatte.
Manchmal jedoch, da hatte sich Conny, Fleurs beste Freundin, erbarmen müssen.
Einmal hatte das zum Beispiel bedeutet, dass Fleur sich ein Herz gefasst und
auf eine dieser Annoncen in einer City Zeitung geantwortet hatte: Suche eine
gleichgesinnte junge, schlanke, langhaarige Frau, die genauso wie ich daran
Freude hat, nur mit Unterwäsche bekleidet, Exkremente aus einem Tierklo zu
entsorgen! Spontan hatte Fleur ihre Zusage zunächst davon abhängig gemacht, ob
die Exkremente in dem Tierklo von einem Menschen oder einem Tier stammten.
Falls Tier, dann welches? Seit ihrer Kindheit litt Fleur nämlich unter einer,
in den letzten Jahren scheinbar immer stärker werdenden, Katzenallergie.
“Ulf29” hatte daraufhin geantwortet, es handele sich um geschredderten
Elefantendung, woraufhin Fleur spontan zu ihm gefahren war. »Ist nicht dein
Ernst, oder?«, hatte Conny fassungslos gemurmelt und sich, mit einer Standby
Leitung zu Fleurs Handy maulend vor Ulfs Haus postiert. »Langsam geht mir
dieser Künstler-Scheiß echt auf den Keks«, wollte Conny gar nicht mehr
aufhören, sich zu beschweren.
»Scheiß ... passt wie die
Faust aufs Auge«, hatte Fleur ihre beste Freundin grinsend umarmt und war,
kurze Zeit später, bereits ein dunkles Treppenhaus hochgestakst. “Ulf29”, ein
schüchterner Typ mit Halbglatze, hatte in einer dunklen Wohnung mit Hello Kitty
Postern an der Wand gelebt. Zur Begrüßung hatte er Fleur höflich erst mal eine
Tasse Tee nebst selbst gebackenen Plätzchen angeboten. Fleurs Herz hatte ihr
bis zum Halse geschlagen, als sie mit herrischer Stimme sofort abgelehnt und
nach dem Tierklo gefragt hatte. Zuvor hatte sie sich nämlich vorgenommen, die
strengste Version ihrer Selbst zu sein, da sie ansonsten aus dem Kichern wohl
nicht mehr rausgekommen wäre.
»Woher stammt dieser Dung?«,
hatte sie deshalb ganz besonders streng gefragt, woraufhin Ulfs Augen sofort zu
leuchten begonnen hatten. »Aus dem Zoo, ich arbeite da. Sonst mach ich so was«,
hatte er enthusiastisch gemurmelt. Dies hatte Fleur als Antwort gereicht, um
die nächste halbe Stunde in BH und Slip zu verbringen. Bewaffnet mit einer
pinkfarbenen Schaufel und giftgrünen Gummihandschuhen, schürfte sie in einer
riesigen Plastikwanne nach “Elefantengold”, während Ulf auf dem Badewannenrand
gesessen und an seinen selbst gebackenen Plätzchen gemümmelt hatte.
»Scheiße!«, fluchte
Fleur nun in ihrem eigenen Badezimmer, da sie im Eifer des Turbo Tuschens,
eklatant abgerutscht war. Entsetzt starrte sie auf das schwarze Geschmiere über
ihrem Lid und dann zu der kleinen Uhr neben ihrem Zahnputzglas, normalerweise
hätte sie das ganze Auge komplett abgeschminkt und wieder von vorne begonnen,
so aber wischte sie nur schnell mit einem Tuch über das Geschmiere. Ha, dachte
sie triumphierend, entgegen Maximilians Meinung konnte Fleur sich sehr wohl von
Gewohnheiten und eingefahrenen Mustern befreien! Und NEIN! Sie wollte jetzt
ganz bestimmt nicht an Maximilian denken, ermahnte sie sich selbst. Das hatte
sie übrigens noch nie verstanden, was Maximilian damit eigentlich gemeint
hatte. Fleur hatte sich selbst nämlich immer nur als “Fleur Küster der
Dickkopf” gesehen. Sie war nun mal eine Frau, die keine halben Sachen macht.
Womöglich hatte sie in ihrem Leben nur deshalb so viele Dinge wieder
abgebrochen, weil sie oftmals ab einem bestimmten Moment befürchtet hatte,
daraus keine ganze Sache machen zu können! War das denn so schlimm? So war es
im Übrigen schon seit ihrer frühesten Kindheit gewesen. Einmal, sie war gerade
eingeschult worden, war es zwischen ihr und ihrer damalig besten Freundin zu
einer folgenschweren Wette gekommen. Listig lächelnd hatte die Freundin, deren
Name Fleur bereits entfallen war, mit ihr gewettet, dass Fleur nicht in der
Lage sei, vierundzwanzig Stunden lang stumm durchs Leben zu gehen. Des Weiteren
hatte man sich darauf geeinigt, dass, sobald Fleur das Schweigen innerhalb
besagter vierundzwanzig Stunden gebrochen haben sollte, die Zeitrechnung
automatisch wieder von vorne begänne. Die damals achtjährige Fleur schlug
siegessicher ein. Vierundzwanzig Stunden, das musste doch zu schaffen sein!
Sieben bis acht Stunden verschlief man doch, außerdem war auch noch Wochenende!
Aber weit gefehlt. Das erste Wort - ein “Ja”, um genau zu sein - war die
Antwort auf eine, von besagter sogenannter Freundin, hinterlistig gestellte
Frage. Sie war Fleur bereits nach zwei Stunden und siebenundfünfzig Minuten
rausgerutscht. Daraufhin hatte Fleur entsetzt die Hände vor den Mund
geschlagen, während sich ihr der triumphierende Blick der Freundin ins Herz
gebohrt hatte. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, griff sie zu dem an
ihrer Kindertafel befestigten Schwämmchen, um die verbleibende Zeit sofort um
zwei Stunden und siebenundfünfzig Minuten zurückzusetzen. Und so ging es ganze
vier Tage lang. Fleur wäre einfach nicht Fleur gewesen, hätte sie geschummelt
und eine halbe Sache daraus gemacht. Ihre Mutter Alice, in dieser Zeit oftmals
verzweifelt, pflegte es eine unfassbare Verbohrtheit zu nennen. Fleurs Klassenlehrerin
hingegen, hatte hinter vorgehaltener Hand von einer latenten Zwanghaftigkeit
gesprochen. Und Fleur, die hatte die ganze Zeit nur an die kleine Kindertafel
mit der rosafarbenen Zahl denken können. Diese war vom vielen Wischen und
Darüberschreiben irgendwann kaum noch zu erkennen gewesen. Vier Tage und
etliche gescheiterte Versuche später, war es dann aber endlich so weit gewesen!
Fleur hatte die rosafarbene Zahl mit einem Wisch weggewischt, und so hätte
fortan alles wieder gut sein können, wäre in besagte, ums Schweigen ringende
Zeitspanne, nicht auch die erste Begegnung mit ihrem leiblichen Vater gefallen.
Alice, die nach einer offiziell nur 2-monatigen Liaison mit Fleurs Vater nicht
wirklich gut auf ihn zu sprechen war, schien an besagtem Nachmittag dann auch
einer Ohnmacht nahe zu sein. Dadai, so hatte Fleurs Vater sich in seiner
Anfangszeit mit Künstlernamen selbst getauft, schien sich im sogenannten
Künstler-Getto West-Berlins, Mitte der sechziger Jahre, mehr schlecht als recht
mit Bildern und Collagen über Wasser gehalten zu haben. Sein augenscheinlich
vom Dadaismus abgeleiteter Künstlername hatte sich jedoch im amerikanisierten
West-Berlin, im Laufe der Zeit in ein englisch ausgesprochenes Dädäj
verwandelt, was absurderweise irgendwann zu Daddy geworden war. An jenem Tag
des Zusammentreffens von Vater und Tochter, dieses hatte Fleurs Mutter bereits
im Vorfeld reichlich Nerven gekostet, hatte Daddy, fahrig und hilflos vor einer
stummen, um der Konzentration willen auf den Boden starrenden Fleur gesessen.
Das war das letzte Mal, dass Fleur ihren leiblichen Vater zu sehen bekommen
hatte. Als Teenager hatte sie sich dann ausgemalt, dass Daddy, dessen richtigen
Namen sie gar nicht wusste und irgendwann auch nicht mehr wissen wollte,
irgendwo in Amerika ein großer Künstler war. Und so kam es, dass Fleur eines
Nachmittags angefangen hatte, mit Buntstiften und Farben zu experimentieren.
Nach ein paar weiteren Wochen hatte sie bereits mit ihren allseits beliebten
Bierdeckeln angefangen und fortan mit wenigen Strichen Momentaufnahmen ihres
Lebens festgehalten. Mit knapp 16 Jahren fing Fleur jedoch plötzlich zu
erzählen an, ihr Vater sei dabei ums Leben gekommen, als er einem entfernten
Cousin eine Niere gespendet habe. »Aber man kann doch prima auch nur mit einer
Niere leben«, bekam sie daraufhin meist zu hören. »Wenn die funktioniert, ist
gut. Wenn sie aber plötzlich nicht mehr funktioniert ...«, pflegte Fleur dann
stets dramatisch den Blick zu senken. Nachdem das Entsetzen des Gegenübers sich
wieder gelegt hatte, beschrieb Fleur stets verlässlich, wie fürchterlich
verendet ihr Vater doch sei, im Zuge seines selbstlosen Geschenks. Fleur liebte
diese, wie auf Kommando einsetzende, bestenfalls stumme Anteilnahme.
Seltsamerweise widersprach Alice, die Daddy seit besagtem Nachmittag nie wieder
mit auch nur einem einzigen Wort erwähnt hatte, keiner einzigen, auch noch so
an den Haaren herbeigezogenen Legende. Im Gegenteil. Sobald vor Fleurs Gästen
das Gespräch auf den fehlenden Vater gekommen war, verfiel Alice stets in
eisiges Schweigen. Praktischerweise hatte sich daraufhin jede weitere Frage
erledigt. Irgendwann dann, war Daddys Tod tatsächlich irgendwie zu Fleurs
persönlicher Wahrheit geworden. Und schließlich, vergaß sie ihn
zwischenzeitlich sogar zur Gänze. Denn eines war klar, zu keinem Zeitpunkt war
Daddy ein Teil ihres Lebens gewesen. Fleur hatte sich oft genug gefragt, was
ihre Mutter Alice, eine hart arbeitende Frau und Daddy, der nicht mal für
seinen eigenen, geschweige denn den Unterhalt seiner Tochter aufkommen konnte,
womöglich auch nicht wollte, was diese beiden Menschen jemals verbunden haben
sollte? Wieso sonst hatte er sich nicht als Vater in die Geburtsurkunde
eintragen lassen? »Scheiße noch mal ... mein herzliches Beileid!«, fuhr Fleur
sich mit der Bürste nun hektisch durchs lange Haar und starrte in die Augen
ihres Spiegelbilds – eine 31-jährige, schlanke Brünette mit klassischen
Gesichtszügen ...Sie möchten schon jetzt wissen, wie es weitergeht? Einfach unverzagt auf den link zu meiner Autorenseite klicken, wo Sie meinen neuen Roman dann in vollem Umfang als eBook runterladen oder auch als Paperback bestellen können:
https://www.amazon.de/l/B00AN5T9S6?_encoding=UTF8&redirectedFromKindleDbs=true&rfkd=1&shoppingPortalEnabled=true
Schlafen Sie gut!
Ihre Jana Hora-Goosmann
Besuchen Sie die Trötgedanken auch auf Facebook:
https://de-de.facebook.com/troetgedanken/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen